Champions-League-Aus von Juve:War es das schon mit Ronaldo in Turin?  

Torino 07/08/2020 - Champions League / Juventus-Lione / foto Image nella foto: Cristiano Ronaldo PUBLICATIONxNOTxINxITA

Was soll ich noch alles machen? Cristiano Ronaldo überstrahlte seine Mannschaft mal wieder, doch das Aus konnte er nicht verhindern.

(Foto: imago)

Juventus trennt sich nach dem frühen Aus in der Königsklasse von Trainer Sarri und bangt um Ronaldo. Es muss wohl etwas Galaktisches passieren, um den Hauptdarsteller davon zu überzeugen zu bleiben.

Von Oliver Meiler, Rom

Körpersprache ist selten subtil, sonst würde man sie ja vielleicht nicht verstehen. Als das Spiel vorbei und Juventus Turin im "Eurodrama", wie die Turiner Sportzeitung Tuttosport es nennen sollte, gegen Olympique Lyon schon im Achtelfinale ausgeschieden war, da schauten alle auf die Gestik von Cristiano Ronaldo. Nun, der Portugiese, der seine Elf mit zwei nutzlosen Toren mal wieder überstrahlt hatte, dass es grotesk war, schaute zur Spielertribüne im leeren Juventus Stadium, wo der Staff und die Auswechselspieler saßen, öffnete dazu die Arme, die Handflächen nach oben gedreht, als wollte er fragen: "Was soll ich noch mehr machen?" Manche versuchten, ihn zu trösten, doch da riss er sich schon das Trikot vom Leib und verschwand in den Tiefen der Arena. Furibondo, rasend.

Und alle stellten sich die Frage: War es das schon mit Ronaldo in Turin?

Das Spiel hatte denkbar ungünstig begonnen: ein rätselhafter Elfmeter in der 12. Minute, den der deutsche Schiedsrichter Felix Zwayer vielleicht einmal erklären wird. Möglicherweise war ein Kontakt vor der eigentlichen und fairen Grätsche von Rodrigo Bentancur ausschlaggebend, Memphis Depay düpierte jedenfalls Juves Torwart mit einem "Panenka", mit frechem Unterschnitt mitten in die Mitte, eine kleine Unhöflichkeit auf diesem Niveau. Und da die Franzosen das Hinspiel 1:0 gewonnen hatten, brauchten die Italiener nun drei Tore für die Qualifikation am Finalturnier in Lissabon - in Lissabon!, bei Ronaldo daheim gewissermaßen. Die Aussicht soll ihn zusätzlich animiert haben, aber an der Motivation fehlt es ja nie.

Vor einem Jahr waren Ronaldo im selben Stadium des Wettbewerbs drei Tore gegen Atlético Madrid gelungen, es war eine dieser Sternstunden, für die man ihn im Sommer 2018 von Real Madrid geholt hatte. Die Champions League erträumte man sich von ihm, von ihm allein, mehr als zwanzig Jahre nach dem jüngsten Triumph in der Königsklasse.

Ronaldo schultert die Mannschaft, die er mit abfälligen Gesten bedenkt

Es war also noch alles drin, das Spiel jung. Und tatsächlich wuchs der Hauptdarsteller im entscheidenden Moment wieder in diese Ausnahmeverfassung, wie auf Knopfdruck: Überall war Ronaldo, die Wärmekarten zeigen es, links, rechts, im Zentrum des Sturms, in jeder Aktion war er dabei, einmal sah man ihn auch in der Tiefe des eigenen Rückraums einen Ball zurückgewinnen, was sonst nicht so seine Art ist. Kurz vor der Pause gab es dann einen weiteren mysteriösen Strafstoß, diesmal für Juve, diesmal erkannte Zwayer ein Handspiel, aber immerhin diente das der Ausbalancierung der Gerechtigkeit. Ronaldo trat an, traf trocken, schulterte die Mannschaft. Als er dann in der 60. Minute aus dem Stand und aus 25 Metern, mit links dann noch, das 2:1 erzielt hatte, wuchtig und schön, aus dem Nichts, schien der Plot schon vorgegeben. Er wieder, immer er.

Doch die Geschichte wiederholte sich nicht, obschon Juve, besser gesagt, Ronaldo ein paar Mal nahe dran war, am dritten Tor. Der Stürmer verwarf oft die Hände über seine Kameraden, als wären sie Lotteriekicker, seiner eminenten Präsenz nicht würdig - Körpersprache ist eben selten subtil.

Ronaldo ist jetzt 35, in diesem Alter wird die Geduld dünner

Seit zehn Jahren war Ronaldo nicht mehr so früh aus der Champions League ausgeschieden. Und jetzt? Vor dem Spiel hatte man aus Frankreich hören können, Ronaldo ziehe es nach Paris, zu PSG, weil er dort Personal seines Niveaus an der Seite hätte, Neymar zum Beispiel und Kylian Mbappé. Juves Vereinspräsident Andrea Agnelli dementiert die Gerüchte. Ronaldo bleibe, sagte er nach dem Spiel, es schwang auch eine Menge Hoffnung mit. Man müsste ihm wohl schon mit einigen sehr teuren Verpflichtungen beweisen, dass man es wirklich ernst meint mit dem Streben nach den ganz großen Trophäen, die zehnte italienische Meisterschaft in Serie wäre jedenfalls kein Trost. Ronaldo ist jetzt 35 (und sechs Monate, wie nun ständig nachgereicht wird), in diesem Alter wird die Geduld dünner. Etwas Galaktisches muss schon passieren, bald, sonst ist er schnell weg. Und vielleicht ist es ja galaktisch genug, was am Tag nach dem Spiel geschah?

Trainer Maurizio Sarri wird jedenfalls keine Rolle mehr spielen. Am Nachmittag nach dem Champions-League-Aus gab Juventus die Trennung bekannt. Und am Abend, völlig überraschend, folgte die nächste Bekanntgabe: Neuer Trainer wird niemand geringerer als Andrea Pirlo, der vormals geniale Mittelfeldspieler, vier Jahre bei Juve, viermal Meister, bevor er nach New York ging, um 2017 seine Spielerkarriere zu beenden. Eigentlich sollte er zur nächsten Saison Juves U23 übernehmen, nun wird er Chef.

Sarri ist nicht "da Juve", wie sie in Italien sagen, wenn sich ein Coach oder ein Spieler von der Glorie des blasierten Vereins blenden lässt. Sarri, der frühere Bankangestellte, der in Neapel einen wunderbar unberechenbaren Schnellfußball praktiziert hatte, war schon falsch gestartet. Er besuchte Ronaldo im vergangenen Sommer auf dessen Yacht und fragte ihn, ob er sich denn unter Umständen, bitteschön, auch vorstellen könnte, den Mittelstürmer zu geben. Vielleicht? Der König soll nicht amüsiert gewesen sein. Sarri hatte die Autorität nicht, einem wie Ronaldo zu sagen, wo und wie er spielen sollte. Ob Pirlo sie hat? So verheißungsvoll sein Name klingt, so einmalig seine Aura als Spieler war, so wenig Erfahrung hat er als Trainer.

Agnelli hatte noch gesagt, die Vereinsleitung nehme sich ein paar Tage, um die Gesamtlage zu prüfen. Die Bestandsaufnahme ging dann offenbar doch schneller, viel schneller. Über eine Rückkehr von Zinédine Zidane wurde spekuliert, über Simone Inzaghi, den Trainer von Lazio Rom, als Alternative. Doch der neue Trainer heißt Pirlo. "Da Juve", das ist er sicher.

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