Champions League: José Mourinho:Stellvertretend im Wahn

José Mourinho hat beim Champions-League-Halbfinale provoziert, doch nicht der FC Barcelona, sondern die Spieler von Real Madrid haben die Nerven verloren. Und am Ende auch der Trainer, der nicht verlieren kann.

Klaus Hoeltzenbein

Wer nun nur noch ein fieses Biest aus ihm machen will, der sollte sich vorher jene Szene nach dem Platzverweis von Pepe anschauen. Wie mitten in dieser aufgeheizten, zornbebenden Atmosphäre, die einem altertümlichen Schlachtengemälde glich, zwei Menschen stehen, den Arm jeweils um die Schulter des anderen gelegt, die leidenschaftlich, aber nicht feindselig die rote Karte diskutieren. Dann gehen José Mourinho, der Trainer von Pepe, und Carlos Puyol, Kapitän des getretenen FC Barcelona, auseinander. Sekunden später landet Mourinho auf der Tribüne - wegen Schiedsrichter-Beleidigung.

Real Madrid v Barcelona - UEFA Champions League Semi Final

Auf dem Weg zur Tribüne: José Mourinho nach seinem Verweis.

(Foto: Getty Images)

Wieder hat er es nicht lassen können, hat dem deutschen Schiedsrichter-Gespann mittels erhobener Daumen ironisch signalisiert, was er von dem Foul-Pfiff hält. Wieder einmal hat der Real-Trainer versucht, eine Niederlage in seinem Sinne umzudeuten - ein Mourinho verliert nicht, andere Mächte beflügeln den Untergang (Schiedsrichter sind eh generalschuldig). Mourinho, so will er gesehen werden, ist der Freund der Spieler, aller Spieler, auch der gegnerischen. Alle anderen sind Feinde.

Insofern darf man die in einer solchen Atmosphäre völlig atypische Puyol-Szene, der den Chef-Provokateur eines die Grenzen der Legalität auslotenden Herausforderers umarmt, als Geste von Mitleid und Anerkennung zugleich deuten, etwa so: Junge, Du überziehst zwar! Aber José, Du versuchst es wenigstens!

Mourinho arbeitet derzeit ja nicht für sich allein. Stellvertretend ist er für alle Trainer der Welt tätig, unternimmt er doch komprimiert auf 18Tage viermal den Versuch, das als unschaffbar Geltende zu schaffen, nämlich den FC Barcelona zu demütigen. Dieses Barcelona ist nahezu identisch mit Spaniens Weltmeister-Elf, für die nicht nur dem Bundestrainer Joachim Löw noch immer die passende Betriebsanleitung fehlt. Nur dass der FC Barcelona mit Lionel Messi eben noch quirliger, noch cleverer ist als dieses verflixte Spanien ohne den Argentinier.

Im zweiten Anlauf, dem spanischen Pokalfinale, ist Mourinhos subversiv operierendem Vielbeiner-Defensivblock sogar ein Triumph gelungen; der dritte Anlauf aber, der wichtigste, das Hinspiel der Champions League, ging völlig daneben. Mourinho hatte das Duell weiter zugespitzt, es auf eine emotionale Ebene gehoben, auf der sich seine eigene Elf nicht mehr wohlfühlte.

Er hat provoziert, doch nicht Barça, sondern seine Spieler haben die Nerven verloren. Und am Ende auch er, Mourinho erneuerte seine Verschwörungstheorien wie im Fieberwahn. Gesünder ist es, gegen Barcelona/Spanien wie Joachim Löw zu verlieren. Der neigt nicht zum Irrsinn und gratuliert stets freundlich und gut frisiert.

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