Champions League:Jetzt verliert Bayern auch noch in Rostow

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Juan Bernat (18), Mats Hummels (5) und Philipp Lahm (21): Unerwartet gescheitert in Rostow (Foto: AFP)
  • Der FC Bayern unterliegt dem Außenseiter Rostow mit 2:3 und verspielt damit den Gruppensieg.
  • Jérôme Boateng muss verletzt ausgewechselt werden.
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Auf einmal schien das Undenkbare denkbar. Der FC Bayern spielte in Rostow, beim Außenseiter, der Ball kullerte auf das Bayerntor zu. Es lief die neunte Minute, Sven Ulreich, in seinem ersten Startelfeinsatz in dieser Saison, rannte aus dem Tor heraus. Holger Badstuber, in seinem ersten Startelfeinsatz in dieser Saison, agierte zögerlich, dann blieben beide stehen. Alexander Erokhin drückte den Ball mit dem Kopf auf das Tor, es wäre die Führung gewesen, der nächste Rückschlag in diesen an Rückschlägen nicht armen Wochen des Vereins, die Zuspitzung einer Krise, wie sie dieser auf seine Unantastbarkeit so stolze Verein lange nicht mehr erlebt hat. Dann sprintete Juan Bernat dem Ball hinterher, verhinderte kurz vor der Torlinie das Undenkbare, ein Tor der Russen, das sie von einem Sieg, wenigstens einem Punkt träumen lässt.

Doch das Undenkbare ließ sich an diesem Abend nur ein bisschen Zeit.

2:3 (1:1) verlor der FC Bayern die Champions-League-Partie beim FK Rostow, es war eine Partie, die zwei Entwicklungen verdeutlichte: dass die Mannschaft unter dem neuen Trainer Carlo Ancelotti weiterhin ihren Weg sucht, dass sie sich nicht weiterentwickelt hat. Und dass diese fehlende Entwicklung endgültig von den fehlenden Punkten begleitet wird. 0:1 am Samstag in Dortmund, nun das 2:3 in Rostow - zuletzt hatte der FC Bayern vor zwölf Jahren in der Hinrunde zwei Spiele nacheinander verloren; zwei Niederlagen in Serie gab es zuletzt im Frühjahr 2015.

Durch die Niederlage hat der Klub zudem den Gruppensieg verspielt. Zwei Tage vor der Jahreshauptversammlung, bei der Uli Hoeneß wieder zum Präsidenten gewählt werden soll, herrscht beim FC Bayern völlige Verwirrung. Ende November 2016 ist er eine Mannschaft, die sich selbst nicht mehr erkennt. Eine Mannschaft, die nicht mehr unantastbar ist. "Als FC Bayern muss man auch hier gewinnen, egal wie die Temperaturen sind", sagte Kapitän Philipp Lahm.

Ancelotti hatte die Startelf im Vergleich zum 0:1 in Dortmund auf sechs Positionen verändert, die beiden nennenswertesten Wechsel: Ulreich stand für den erkrankten Manuel Neuer erstmals in dieser Saison im Tor, Badstuber ersetzte Mats Hummels in der Innenverteidigung. Es waren riskante Wechsel, im Zentrum war die Mannschaft in den vergangenen Wochen ohnehin wacklig gewesen, auch mit Hummels, sogar mit Neuer. Ancelotti ging das Risiko ein, weil der FC Bayern ja bereits vor dem Anpfiff für das Achtelfinale der Champions League qualifiziert war, und Ancelotti weiß ja, dass es dann für jeden schwer wird, daran hätte ja auch der Gruppensieg nichts geändert.

Dass es für seine Mannschaft auch in Rostow schon so schwer werden würde, das hat auch Ancelotti überrascht. Mit jeder Spielminute schien er sich tiefer unter seiner beerenroten Mütze zu verkriechen. Dass das Undenkbare an diesem Abend sehr wohl denkbar sein würde, musste Ancelotti früh erkennen. In seiner umgebauten Mannschaft fehlte es an Struktur, an Abstimmung, an fast allem, worauf es in der Defensive ankommt - und schon musste Bernat kurz vor der Torlinie klären.

In den Minuten danach beruhigten die Gäste die Partie etwas, es gelang ihnen jedoch hauptsächlich durch Aktionen einzelner Spieler. Rostows Keeper Soslan Dschanajew wehrte einen Kopfball von Badstuber gerade so noch ab (22.). Drei Minuten später scheiterte Renato Sanches mit einem Distanzschuss an Dschanajew. In der 35. Minute führte dann der Favorit, Cesar Navas hatte im Strafraum des Gastgebers den Ball zu Costa gespielt, der schlenzte den Ball ins Tor. Es hätte nun ein ruhiger Abend werden können.

Eine Minute vor der Halbzeit aber passte Costa ungenau zu Jérôme Boateng, Dimitri Poloz sprintete dazwischen, passte zu Sardar Azmoun. Der ließ Boateng im Strafraum vorbeirutschen, traf lässig. Das Undenkbare, es deutete sich endgültig an.

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"Wir sind aktuell ein bisschen sorglos, wir machen zu viele Fehler", klagte Lahm.

Drei Minuten nach der Pause foulte Boateng im Strafraum Christian Noboa, Poloz traf vom Elfmeterpunkt (49.). Es war ein Schock, und er hielt immerhin 137 Sekunden lang. Dann glich Bernat mit einem feinen Schuss aus spitzem Winkel aus (52.). Doch das zwischenzeitliche 1:2 war nicht der letzte, nicht der finale Schock für den FC Bayern an diesem Abend.

Rostow spielte weiter selbstbewusst. Die Mannschaft, die zuvor einen Punkt gewonnen hatte, traute sich mehr zu als nur ein Remis. Sie glaubte an das, was ihr niemand zugetraut hatte. Und der FC Bayern spielte wie ein Team, das nicht weiß, wie es darauf reagieren sollte. In der 65. Minute foulte Thiago am eigenen Strafraum Poloz, es war eine gute Freistoßsituation. Noboa lief an, er traf den Ball so, dass er exakt über die Mauer flog, keinen Zentimeter zu niedrig. Er traf ihn so, dass Ulreich seine Hände noch so sehr strecken konnte, er kam an den Ball nicht heran (67.). Das eigentlich Undenkbare war wahr geworden. Dass der Abend noch länger als ein bitterer in Erinnerung bleiben wird, lag auch an Boateng. Nach einer Stunde wurde er ausgewechselt, nach eigenen Angaben aufgrund einer Muskelverletzung im Oberschenkel. An diesem Donnerstag soll er untersucht werden. Zudem kritisierte Karl-Heinz Rummenigge den Innenverteidiger in einem TV-Interview: "Jérôme muss wieder ein bisschen mehr zur Ruhe kommen", sagte der Klubboss, "es wäre im Sinne von ihm und des ganzen Klubs, wenn er wieder back to earth runterkommt." An Redebedarf wird es dem FC Bayern jedenfalls erst einmal nicht mangeln.

© SZ vom 24.11.2016 / SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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