Champions League: Inter - Bayern:Kein Rotwein für Louis

Der FC Bayern dominierte das Achtelfinal-Hinspiel der Champions League bei Inter Mailand zumeist deutlich. Dennoch verhindert Vorstandsboss Rummenigge die große Bankett-Feier.

Carsten Eberts, Mailand

Sogar Mark van Bommel war gekommen. Dem mitternachtlichen Bankett im schicken Mailänder Hotel "Melia Milano" wohnte er im grauem Pollunder bei, lächelte schüchtern umher, als ihn Vorstandsboss Karl-Heinz Rummenigge auch nach seinem Wechsel zum AC Mailand noch als Mitglied der Bayern-Familie bezeichnete. Der Niederländer war nicht unbedingt in bestem Einklang geschieden - doch da seine alten Kollegen in der Stadt waren, wollte van Bommel vorbeischauen.

Die Partie des FC Bayern bei Inter Mailand war zur vielbeachteten Revanche für das Champions-League-Finale vor neun Monaten erkoren worden - und lange sah es so aus, als würde diese höchst ansehnliche Partie torlos enden. Der FC Bayern hatte über eine Stunde in San Siro dominiert, gute Chancen erspielt, dieses bombastisch-laute Stadion zeitweise verstummen lassen. In den letzten 20 Minuten drängte jedoch Inter, San Siro schrie aus 80.000 Kehlen umso lauter zurück. "Eine Minute vor Schluss dachte ich, es wäre das beste 0:0, das ich je gesehen habe", erzählte Rummenigge.

Doch dann kam Mario Gomez. Inter-Keeper Júlio César ließ einen wenig zwingenden Schuss von Arjen Robben nach vorne klatschen - Gomez, der zuvor eher als köpfendes Hindernis bei Ecken des Gegners aufgefallen war, drückte den Ball über die Linie. Er habe das ganze Spiel über spekuliert, erzählte der Angreifer später, doch César habe die Bälle stets sicher gehalten. "Diesen letzten hätte er sicher fangen müssen", urteilte Gomez. Doch César tat es nicht.

Vielleicht hätten die Bayern feiern sollen. Nur diesen einen Abend. Diesen kaum einkalkulierten Sieg, nicht gegen Mainz oder Kaiserslautern, sondern gegen Inter Mailand, den Champions-League-Gewinner, das Siegtor in letzter Minute. Sie hätten Bier trinken können, gut essen, nicht sofort auf ihre Zimmer huschen, als der offizielle Teil des Banketts gerade vorbei war.

Doch Rummenigge wollte das nicht. "Leider muss ich auch ein bisschen Wasser in den Wein gießen", sagte er, "auch wenn Louis schon ganz gierig auf den Rotwein schaut." Dem Klub und seinem Trainer sei ein wichtiger Sieg gelungen, mehr nicht, die Schicksalswochen gehen jedoch weiter: mit dem nächsten Heimspiel bereits am Samstag gegen Tabellenführer Dortmund, im Pokal am Mittwoch gegen Schalke, beim Rückspiel in drei Wochen in der Champions League. Der gerade erreichte Spannungszustand muss gehalten werden - um jeden Preis.

Festzuhalten bleibt dennoch, dass der FC Bayern gegen Inter Mailand diesmal besser aussah. Viel besser sogar. Sie hätten früher führen müssen, etwa als Franck Ribéry köpfend die Latte traf (24.) Thomas Müller mit den Haaren unter einem Ball hindurchwischte (47.). Auch Arjen Robben, der sich anfangs gegen die doppelte Deckung Inters erneut schwertat, traf noch den Pfosten (51.).

Starker Luiz Gustavo

Der Protagonist der Münchner Überlegenheit war diesmal nicht in der Offensive zu suchen, er hieß nicht Robben, auch nicht Ribéry oder Schweinsteiger. Van Gaals gelungenste Personalie war Luiz Gustavo - der Brasilianer, den er zuletzt noch für seine recht defensive Interpretation der Sechserposition kritisiert hatte. In Mainz durfte Gustavo trotzdem eine gute halbe Stunde auf der Sechs agieren, van Gaal wollte ihn erneut testen, denn er verfolgte einen Plan.

Gegen Inter durfte Gustavo ausdrücklich defensiver agieren, er sollte Wesley Sneijder stoppen, den Regenten des Mailänder Spiels, was Gustavo formidabel gelang. Sneijder versuchte stets auszuweichen, Gustavo verfolgte ihn, lief ihm Ball um Ball ab, zermürbte den Niederländer, bis dieser schließlich mehr Energie darauf verwendete, sich mit dem Schiedsrichter anzulegen, als das Mailänder Spiel zu koordinieren. Samuel Eto'o wurde so weniger nachdrücklich in Szene gesetzt, Sneijder selbst platzierte seinen einzigen echten Torschuss meterweit daneben.

Gustavo hatte sich so das Lob seines Trainers verdient: "Er hat die Verteidigung sehr gut gemacht", sagte van Gaal, "aber wenn er in Ballbesitz ist, kann er noch besser spielen." Gustavo sah das ähnlich, als er nach dem Spiel artig einige Brocken Deutsch in die Kameras und Mikrofone sprach: "Sneijder ist ein schwieriger Mann. Aber ich habe das ganz gut gemacht." Grinste und ging davon.

Noch ein anderer überragte an diesem Abend: Thomas Kraft. Man muss daran erinnern, dass dieser Torwart erst 22 Jahre alt ist. Mit abgeklärter Ignoranz bewahrte er seinem Klub die hervorragende Ausgangsposition, rettete schon zu Beginn beeindruckend gegen Esteban Cambiasso (22.), später gegen Samuel Eto'o (33.). In der Schlussphase, als Inter drückend agierte, hätten die Bayern das Spiel verlieren können. Doch Kraft parierte auch gegen Houssine Kharja (80.) und Thiago Motta (85.).

"Inter hat mich überrascht, weil sie auf Sieg gespielt haben", analysierte van Gaal. Umso höher sei seiner Mannschaft anzurechnen, dass sie nicht gegen ein destruktives, sondern gegen ein offensives Inter dominant agiert habe. Mit Offensivfußball, taktischer Disziplin und jungen Spielern, die sich auf bestem Champions-League-Niveau präsentierten. Van Gaal hat in dieser Saison noch nichts gewonnen, doch sein neuerlicher Umbruch funktionierte zumindest an diesem Abend.

Mark van Bommel sah das gewiss ähnlich. Er plauschte mit Holger Badstuber und den Assistenztrainern, blieb etwas länger als die übrigen Spieler. Für die Öffentlichkeit sagte van Bommel nichts. Er hatte sich gefreut, die alten Kollegen wiederzusehen. Er hatte jedoch auch vernommen, dass sein alter Verein in Luiz Gustavo einen würdigen Nachfolger gefunden hat.

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