Champions League:Immer weiter gegen den 100-Jahre-Fluch

Champions League: Überraschung in Amsterdam: Diogo Goncalves und Roman Jaremtschuk (links) feiern Benficas 1:0-Sieg.

Überraschung in Amsterdam: Diogo Goncalves und Roman Jaremtschuk (links) feiern Benficas 1:0-Sieg.

(Foto: Peter Dejong/AP)

Ein wenig unter dem Radar ist Benfica Lissabon durch den Sieg bei Ajax ins Champions-League-Viertelfinale vorgestoßen - mit talentierten Fußballern, viel Herz und der Hoffnung , eines Tages die Vergangenheit hinter sich lassen zu können.

Von Felix Haselsteiner, Amsterdam/München

Vielleicht hat Benfica Lissabon einen Sieg in Amsterdam gebraucht, um den ewigen Fluch zu überwinden. Die niederländische Hauptstadt ist ja der Ort, an dem Benfica einst zum zweiten und bisher letzten Mal den größten Erfolg der Klubgeschichte feierte: 1962, im Finale des Europapokals der Landesmeister, gewannen die Portugiesen 5:3 gegen Real Madrid, der junge Eusebio traf zweimal. Amsterdam 1962 war allerdings auch der Ausgangspunkt für jenen Fluch, mit dem Trainer Bela Guttmann Benfica damals belegte: 100 Jahre lang werde der Verein keinen internationalen Titel mehr gewinnen, sagte er laut der Legende nach seinem nicht einvernehmlichen Ausscheiden bei Benfica. Es sind überlieferte Worte, aber sie hallen in der abergläubischen portugiesischen Fußballwelt bis heute nach.

60 dieser 100 Jahre sind nun schon vorbei, und zumindest ist Benfica am Dienstagabend in Amsterdam dem Ende des Fluches einen kleinen Schritt näher gekommen. Das 1:0 (0:0) im Rückspiel bei Ajax bescherte dem portugiesischen Rekordmeister erstmals seit 2015/16 den Einzug ins Viertelfinale der Champions League. Eine "geile Sache" nannte das Julian Weigl, der ehemalige Dortmunder, der in Lissabon inzwischen das Mittelfeld einer der besten Mannschaften Europas organisiert.

Sturm-Talent Darwin Nunez erzielt den Treffer des Abends

Auch Weigl musste gegen Ajax jedoch zunächst erkennen, dass die fußballerische Dominanz eindeutig von der Mannschaft von Erik ten Hag ausging. Ajax bestimmte das Spiel und das Tempo, am Ende der 90 Minuten hatten die Gastgeber 69 Prozent Ballbesitz und viermal so viele Torschüsse vorzuweisen wie der Gegner. Benfica verbrachte die ersten 45 Minuten nur damit, die größten Torchancen zu verhindern. "Wir wissen, dass wir mit dem Ball ein besseres Spiel hätten machen können", stellte auch Weigl fest: "Wir hatten schon den Plan, uns aus dem Pressing zu lösen, Ajax hat das aber sehr gut gemacht."

Ajax allerdings erzielte nach dem 2:2 im Hinspiel aus der Überlegenheit heraus kein Tor, ein ums andere Mal bekam ein Benfica-Verteidiger im Strafraum noch ein Bein dazwischen. "Meine Mannschaft hat alles richtig gemacht, dann kam dieser unglückliche Freistoß, der keiner war", klagte Trainer ten Hag. Ein streitbarer Freistoß rechts außen nämlich stellte den Verlauf dieses Rückspiels auf den Kopf. Die gute Hereingabe verwertete Darwin Nunez, 22 und seines Zeichens gefährlichster Torjäger bei Benfica, zum 1:0 (77.) - auch deshalb, weil Ajax-Torwart Andre Onana am Ball vorbeiflog. "Manchmal braucht es nur einen Moment, und du hast das Spiel verloren", sagte Ajax-Mittelfeldspieler Dusan Tadic. Es war eine ebenso simple wie treffende Analyse.

Benficas Vorstoß ins Viertelfinale ist in gewisser Weise die Fortsetzung einer unauffälligen, aber plötzlich überaus erfolgreichen Champions-League-Saison. Die eher durchwachsene Vorrunden-Bilanz von nur acht Punkten (mit zwei Niederlagen gegen den FC Bayern - 0:4 und 2:5) reichte aufgrund einer historisch günstigen Konstellation in der Gruppe aus, um dort den FC Barcelona hinter sich zu lassen. Zuvor bereits war Benfica nur durch einen knappen Erfolg gegen Eindhoven in den Playoffs in die Gruppenphase eingezogen.

"Wir haben eine große Gruppe zusammen, wir kämpfen füreinander auf dem Feld", sagte Roman Jaremtschuk nach dem Spiel über sein Benfica-Team, das geprägt wird von der erfahrenen Innenverteidigung aus Nicolas Otamendi, 34, und Jan Verthongen, ebenfalls 34 - und, wie so häufig, einer Ansammlung von günstig eingekauften Talenten, die bei Benfica den Schritt in die Eliteklasse gehen wollen. Torschütze Nunez etwa wird dem Vernehmen nach unter anderem von Barcelona umworben, Goncalo Ramos und dem jungen Paulo Bernardo traut mancher eine ähnliche Karriere zu wie Joao Felix, der 2019 für 130 Millionen Euro zu Atlético Madrid wechselte.

Zudem sind es Spieler wie Jaremtschuk, die Benfica zu einer guten Einheit machen. Der Ukrainer sprach nach dem Spiel auch über seine schwierige persönliche Situation, er sagte: "Meine Freunde kämpfen in der Ukraine, ich hier auf dem Feld. Ich kann nur dafür kämpfen, dass ich mein Land als Fußballer vertrete." Mit Benfica tut er das nun weiterhin auf internationalem Höchstniveau.

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