Champions League im Pay TV:Revolution gegen den Volkssport

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Bald streiten David Alaba (FC Bayern, links) und Alexis Sanchez (Arsenal, rechts) nur noch im Pay-TV um den Ball. (Foto: dpa)

Champions League nur noch im Pay-TV - das ist ein riskantes Experiment. Fraglich ist, ob die Rechnung für die Großklubs aufgeht.

Kommentar von Klaus Hoeltzenbein

Zu viel Fußball im Fernsehen? Diese leidige Debatte, die stets vernachlässigte, dass der Zuschauer die Ein-und-Aus-Taste drücken kann, dreht ab sofort in die gegenläufige Richtung. Denn die am Dienstag verkündete Entscheidung des europäischen Fußball-Verbandes Uefa, der sich anmaßt, Herr über diesen Volkssport zu sein, ist eine Revolution gegen populäre Sehgewohnheiten: Die Champions League, die Königsklasse, wird hierzulande ab der Saison 2018/19 erstmals nur noch im Bezahlfernsehen (Sky) und über eine junge Internet-Streamingplattform (Dazn) live zu verfolgen sein. Im frei empfangbaren Programm läuft dann parallel dazu ein weiterer Krimi oder ein Quiz.

Es ist riskant, auf welches mediale Experiment sich Europas Spitzenklubs von München bis Dortmund, Mailand und Madrid da offenbar widerstandslos einlassen. Belegbar an den Fernsehquoten: Im Schnitt 9,6 Millionen Zuschauer verfolgten im April im ZDF das Viertelfinal-Hinspiel des FC Bayern gegen Real Madrid. Im Rückspiel, das Sky exklusiv zeigte, sahen trotz Dramatik in der Verlängerung und höchst umstrittener Cristiano-Ronaldo-Tore im Schnitt vergleichsweise bescheidene 1,5 Millionen zu. Für den Pay-TV-Kanal Sky dürfte es bei wachsender Internet-Konkurrenz wohl schon zur Existenzfrage werden, mehr Zahlkundschaft zu binden - und das geht nur mit weiterer exklusiver Ware.

Champions League
:Champions League ab 2018/19 nur noch im Pay-TV

Das ZDF verliert die Rechte an Sky und den Streaming-Dienst DAZN. Damit wird erstmals kein Spiel im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen sein.

Zunächst aber kann das Zweite Deutsche Fernsehen auch in der Saison 2017/18 noch ingesamt 18 Mittwoch-Spiele zeigen - der letzte ZDF-Auftritt in der Champions League wird dann das Endspiel in Kiew sein. Die einzige Ausnahme: Nur wenn ein deutsches Team im Finale steht, muss dieses frei konsumierbar sein, das regelt der Rundfunk-Staatsvertrag. Mehr geht anschließend nicht mehr, denn das ZDF, das die Rechte seit 2012 innehat und mit Hilfe des Torwart-Titanen Oliver Kahn in der Expertenrolle präsentiert, wurde im neuen Bieterverfahren der Uefa (für drei Jahre bis 2020/21) nicht mehr berücksichtigt. Mit welchen Summen es ausgestochen wurde, ist noch nicht bekannt.

Der mediale Kompass muss neu justiert werden

Jetzt, da die Öffentlich-Rechtlichen immer mehr zur fußballfreien Zone werden, dürften aus der Perspektive des Gebühren- wie Steuerzahlers verstärkt unangenehme Fragen gestellt werden. Denn auch von der Bundesliga bleibt ja kaum mehr als die ehrwürdige ARD-Sportschau. Schon zur im August startenden Erstliga-Saison wird der deutsche Salami-Spieltag von Freitag bis nun sogar zum Montag gedehnt, neue Live-Medienpartner wie Eurosport drängen mit Bezahlangeboten zusätzlich aufs Spielfeld - wer sich da im Programm noch zurechtfinden will, muss seinen medialen Kompass völlig neu justieren.

Warum, dürfte sich deshalb nicht nur der auf Entzug gesetzte Hardcore-Fan fragen, soll der Bau von Arenen und der daran gekoppelten Infrastruktur öffentlich weiter hoch subventioniert werden, wenn der Fußball verschwindet? Wenn er in der Champions League nur für den live zu sehen ist, der teure Tickets fürs Stadion oder das Pay-TV kauft. Und wenn der Erlös dann in irrwitzige Transfers und Gehälter fließt. Da dürfte bald so manche Kosten-Nutzen-Rechnung neu aufgemacht werden. Zum Beispiel jene, die bereits vor deutschen Gerichten verhandelt wird, ob und in welcher Höhe die Kosten für Sicherheit und Polizeieinsatz bei Fußballspielen noch der Allgemeinheit aufgelastet werden können. Offen ist auch, wie die großen und kleinen Sponsoren der Klubs auf die Reform reagieren.

Global und digital! Perspektivisch eröffnet eine Streamingplattform wie Dazn den wenigen Spitzenklubs neue Reichweiten zu Sehnsuchts-Märkten wie Indien oder China. Doch dafür kappt Europas Fußball, wie ihn die Uefa makelt, die Verbindung zur Stammkundschaft im Heimatmarkt. Aufgegeben werden etablierte Kommunikatonskanäle zu einem treuen Millionenpublikum, das in fernen Welten erst einmal hinzugewonnen werden muss. Reibungslos geht diese Rechnung garantiert nicht auf.

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