Champions League:Ibrahimovic lernt das Scheitern

Manchester City v Paris St Germain - UEFA Champions League Quarter Final Second Leg

Der Mann, für den Vokabeln erfunden werden: Zlatan Ibrahimovic.

(Foto: REUTERS)

Schon wieder scheidet der Schwede frühzeitig aus der Champions League aus. Früher war das vielleicht Pech, bei Paris Saint-Germain ist er Opfer eines Systemfehlers.

Von Martin Schneider

In der 16. Minute gab es endlich einen Ibrahimovic-Moment in diesem Spiel und Zlatan nahm fünf Schritte Anlauf. Der Ball lag 31 Meter vom Tor entfernt, ein Freistoß, und aus dieser Entfernung den Ball direkt aufs Tor zu schießen, ist eigentlich keine gute Idee. Zu weit, zu viel Zeit für den Torhüter, um zu reagieren. Im Hinspiel des Champions-League-Viertelfinales von Paris Saint-Germain gegen Manchester City ist Ibrahimovic noch aus elf Metern gescheitert, aber "Scheitern", diese Vokabel gibt es im Kopf von Ibrahimovic nicht, der ja seine eigenen Vokabeln erfindet. "Zlatanieren" ist so eine Vokabel, die bedeutet: "stark dominieren" und die schwedische Sprachakademie (Språkrådet) hat es als offizielles Wort anerkannt.

Zlatan Ibrahimovic läuft also fünf Schritte an und zimmert den Ball direkt aufs Tor. Er fliegt mit unglaublicher Wucht Richtung Kasten, der Schwede wiegt fast 100 Kilogramm, er ist 1,95 Meter groß, da kommt mehr Saft hinter einen Schuss als bei einem Lionel Messi (67 Kilo/1,69 Meter).

Der Ball dreht sich um die Mauer, in einer Kameraeinstellung sieht man die sehr krumme Flugkurve, Manchesters Torwart Joe Hart hat große Schwierigkeiten den Schuss über das Tor zu lenken. Ein Ibrahimovic-Moment: Kraft, Technik und das einen Tick zu große Selbstbewusstsein, etwas Ungewöhnliches zu versuchen. Wie etwa bei dem Versuch - sagen wir - einen Fallrückzieher aus 31 Metern direkt aufs Tor von Joe Hart zu schießen.

Allein, diesmal klappte es nicht. Joe Hart kam dran, der Ball ging drüber. Paris schied aus der Champions League aus. Und damit auch Zlatan Ibrahimovic. Schon wieder.

Man muss konkret über dieses Fußballspiel, dieses 1:0 von Manchester City gegen Paris Saint-Germain am Dienstagabend gar nicht so viel erzählen, für ein Champions-League-Viertelfinale war es niveauarm und wurde durch einen schönen, krummen Schuss von Kevin De Bruyne entschieden (aus knapp 18 Metern).

Ibrahimovic kritisierte danach die Taktik: "In der ersten Halbzeit haben wir in einem System gespielt, das wir noch nie ausprobiert haben." (Paris spielte wegen des gesperrten Innenverteidigers David Luiz im 3-5-2) und verlor sich noch ein bisschen in allgemeinerer Kritik. "Zu Beginn der Saison haben alle gesagt: 'Oh la la, oh la la'. Wir haben genug Qualität in der Mannschaft", sagte Ibrahimovic in der Reporter-Traube. "Aber wenn der entscheidende Moment da ist, ist das etwas anderes. Eine Saison ist lang. Sie dauert zehn Monate, nicht einen oder zwei. Man muss zehn Monate lang Top-Leistungen bringen. Wenn man am Anfang 'Oh la la' sagt, muss man zehn Monate lang 'Oh la la' sagen."

Aber das Scheitern von Ibrahimovic (in diesem Kontext muss er die Vokabel lernen) hat in der Champions League mittlerweile groteske Züge angenommen. Dazu muss man sich nur zwei Zeitreihen genauer anschauen. Seit dem Jahr 2002 hat er am Ende fast jeder Saison die nationale Meister-Trophäe in den Himmel gestreckt (nur 2003 und 2012 nicht). Er gewann zweimal mit Ajax Amsterdam (2002 und 2004), zweimal mit Juventus Turin (2005 und 2006, später wegen des Manipulationsskandals wieder aberkannt), dreimal mit Inter Mailand (2007 bis 2009), mit dem FC Barcelona (2010), mit dem AC Mailand (2011) und nun mit Paris (2013 bis 2016).

Und in der Champions League? Scheiterte er bei allen Versuchen. Davon rekordverdächtige acht Mal im Viertelfinale. Allein viermal nun mit Paris in Folge und allein dreimal am FC Barcelona. Der Klub, den er im Streit mit Pep Guardiola verließ und mit dem er ironischerweise noch am weitesten im Wettbewerb kam (2010 bis ins Halbfinale).

Bei Paris ist das Scheitern im Wettbewerb ein Systemfehler

War sein Scheitern vorher vielleicht noch das Resultat unglücklicher Fügungen, etwa, dass sowohl Barcelona als auch Inter Mailand ein Jahr nach seinem Weggang den Wettbewerb gewannen, ist es bei Paris Saint-Germain ein Systemfehler. Der Klub, der mit Millionen aus Katar aufgepumpt wurde, ist in der französischen Ligue 1 absurd überlegen, zwischenzeitlich hatte das Team 24 Punkte Vorsprung auf den zweiten Platz.

Kein noch so guter Psychologe kann da noch einen gescheiten Wettbewerb herbeireden. Zudem ist die Autorität von Trainer Laurent Blanc kaum noch vorhanden. David Luiz weigerte sich etwa im Liga-Spiel gegen Marseille vom Platz zu gehen, als Blanc ihn auswechseln wollte. Ein ungeheurlicher Vorgang, der eigentlich zu einer Suspendierung hätte führen müssen. In Paris passierte nichts.

Oder Serge Aurier, der bei einem Chat mit Fans seinen Trainer eine "Schwuchtel" nannte und ihm sexuelle Praktiken mit Ibrahimovic unterstellte und nebenher noch Mitspieler beschimpfte (Ángel Di María nannte er einen Clown). Der Ivorer entschuldigte sich und wurde begnadigt, aber man möge sich kurz vorstellen, was etwa beim FC Bayern mit einem solchen Spieler passiert wäre. Bei Paris war Aurier im wichtigsten Saisonspiel gegen City zentraler Mann der Dreierkette.

Ibrahimovics Zeit in Paris endet im Sommer. Was dann passiert, weiß man noch nicht. Er hat viele Interviews gegeben, in denen er Zlatan-Sprüche losgelassen hat ("Ich bleibe nur, wenn sie den Eiffelturm durch eine Statue von mir ersetzen."). Eventuell wechselt er in die Premier League, eventuell hört er auf.

Um realistische Chancen auf die Champions League zu haben, müsste er in England aber ironischerweise zu dem einzigen Verein, den er ausgeschlossen hat: zu Manchester City. Der Klub wird in der kommenden Spielzeit von Pep Guardiola trainiert. Und den hat er mal in einem Ibrahimovic-Moment mit dem Satz "Guardiola hat keine Eier" beleidigt.

Sehr wahrscheinlich wird Ibrahimovic ohne Champions-League-Trophäe in die Geschichte eingehen. Aber vermutlich wird er auch damit klarkommen. Die Champions League haben viele gewonnen, Ibrahimovic-Momente haben nur wenige produziert.

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