Süddeutsche Zeitung

Champions League:Stradivaris gegen Konzert-Geigen

  • 1899 Hoffenheim liefert in der Champions League gegen Manchester City eine Partie am Rande der Möglichkeiten, verliert aber trotzdem 1:2.
  • Anschließend gibt es viel Lob von Pep Guardiola für Julian Nagelsmann.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Champions League.

Von Saskia Aleythe, Sinsheim

Als die Mikrofone ausgeschaltet und die Journalisten außer Hörweite waren, wurde es zwischen Julian Nagelsmann und Pep Guardiola interessant. Gerade hatten beide ihre Ansichten zum Spiel kund getan, in getrennten Pressekonferenzen, einer nach dem anderen. 15 Minuten, letzte Frage bitte, schönen Abend noch. Nun begegneten sie sich, ein paar Meter weiter im nicht-öffentlichen Bereich der Sinsheimer Fußball-Arena und weil die Tür offen stand, sah man dann halt: Einen Trainer, der mit dem anderen ins Gespräch kam, zwei Trainer, von denen man sagen konnte: Sie hatten erkannt, dass sie sich mehr mitzuteilen haben, als es die Höflichkeit vorsieht. Und das hatte dann schon was von Dirigenten, die sich gegenseitig mal zeigten, welche Instrumente und Kompositionen sie so zusammenwarfen, um ein schönes Orchester daraus zu formen.

Mal wackelte Pep Guardiola zackig mit den Handgelenken, wie es nur Pep Guardiola kann, um dann eventuell eine Erklärung über Halbräume folgen zu lassen, da lauschte Nagelsmann gebannt. Mal setzte der 31-Jährige selber zum Händewackeln an, Guardiola - zweifacher Champions-League-Sieger - nickte interessiert. Es war eine Szene, die aus der Ferne die nicht ganz gewagte Vermutung zuließ, dass die beiden die gleiche Leidenschaft und vielleicht sogar ähnliche Besessenheit verbindet.

Zwei Virtuosen im Konzert der Besten, mit dem nicht irrelevanten Unterschied, dass einer mit soliden Konzert-Geigen auftritt und der andere mit Stradivaris. Beide im Wissen darum, dass Luxus-Instrumente allein noch keine Spitzen-Konzerte machen - was Pep Guardiola am Dienstagabend auch spürte: Beim 2:1 (1:1) gegen die TSG Hoffenheim war seine Milliardentruppe von Manchester City nicht so viel besser, wie es der Marktwert hätte erahnen lassen können.

Der Unterhaltungswert der Partie war hoch

Natürlich mag es da mehrere Lesarten geben: Liebhaber des Ballbesitz-Fußballs Guardiolas werden anmerken, dass der Katalane das Spielgerät zu 66 Prozent stets in den eigenen Reihen halten ließ (Dominanz!), dass durch allein sechs gefährliche Ecken in der ersten Halbzeit auch reichlich Glück dabei war, dass nicht noch mehr Tore gefallen sind oder dass ein recht eindeutiges Foul von TSG-Torwart Oliver Baumann an Leroy Sané (76. Minute) nicht mit Elfmeter geahndet wurde.

Allerdings hatte Nagelsmann gar nicht vorgehabt, den Ball zu besitzen, sondern den Konterfußball als Mittel seiner Wahl auserkoren. "Das Tempo von ManCity hat jeder gesehen", sagte Nagelsmann später, "wenn du da extrem hoch verteidigst, gehst du zu großes Risiko ein." Also ließ er selber kontern, was nach 44 Sekunden auch gleich so gut klappte, dass es auf einmal 1:0 durch Belfodil stand. Guardiolas Spiel hatte ihn nicht überrascht, 4-1-4-1, "dann haben sie umgestellt, klar auf einer Doppelsechs gespielt, wie sie es häufig machen", sagte er und zwischendrin gab es in Nagelsmanns Worten "sechs oder sieben Situation, die brandgefährlich hätten werden können. Wir hatten genug Chancen, um gegen ein Weltklasseteam weitere Tore zu erzielen."

David Silva verteilte die Bälle rechts wie links gefährlich in die Spitze bei ManCity, bei den Hoffenheimern wurden auf der rechten Flügelseite der Hoffenheimer die besten Konter kreiert: Der Unterhaltungswert der Partie war hoch.

Und wer bis zur 87. Minute 1:1 spielt, könnte ja auch einen Punkt mitnehmen - oder nicht, Herr Nagelsmann? "Sie wissen schon, gegen wen wir gespielt haben?", gab Nagelsmann säuerlich zurück, pekiert von der Nachfrage eines Journalisten, ob seine soliden Konzert-Geigen die Stradivaris nicht bis zum Schluss hätten ärgern können.

Erst in den letzten Minuten hatte Hoffenheim das 1:2 kassiert, durch einen Fehler des jungen Stefan Posch, der eine Flanke von der linken Seite nicht wegschlug, sondern den Ball abtropfen ließ, was Silva mit der Erfahrung eines Welt- und Europameisters eben zum entscheidenden Tor nutzte. "Er ist ein junger Kerl, er kann noch lernen", nahm Nagelsmann den 21-Jährigen in Schutz und fand ohnehin: "Taktisch haben wir das gut gemacht. Wir haben uns teuer verkauft." Was ihm auch die Anerkennung von Guardiola eingebrachte. "Ich muss ein großes Kompliment machen", sagte der ehemalige Bayern-Trainer, "sie hatten sechs oder sieben Ausfälle und haben es so gut gemacht. Ich habe viel gelernt von ihnen." Nagelsmann sei für ihn ein Trainer mit besondereren Visionen und "mit großer Kreativität".

Kreativ werden muss man ja auch, wenn so viele Verletzte sich sammeln wie derzeit in Hoffenheim. Beschweren will sich Nagelsmann nicht, aber natürlich macht es das Lösen der Aufgaben nicht einfacher. Zumal sein Team ohnehin stets über die eigenen Grenzen gehen müsse, meinte Nagelsmann.

"Wir sind ein Team, wo Spieler über sich hinaus gehen müssen, es reicht nicht wie bei Bayern oder Dortmund, ein Spiel nur mit 70 Prozent zu machen", sagte er, womit er in Bayern oder Dortmund wahrscheinlich Widerspruch kassieren wird. "Wenn man auf ManCity schaut, da sind die Spiele nach 56 Minuten beendet", sagte er auch noch, was wohl auch Pep Guardiola dementieren würde.

Die interessanteste Formulierung kam dann kurz vor seinem Privatgespräch mit Guardiola, Nagelsmann sagte: "Wir sind immer - in Anführungsstrichen - nur noch Hoffenheim." Man konnte davon ausgehen, dass ihm wohl bewusst war, dass er sein Orchester am Rande der Möglichkeiten dirigiert hatte, vielleicht sogar schon darüber hinaus.

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