Champions League gegen Real Madrid:FC Bayern knackst auseinander

  • Wie viel kann in einem einzigen Fußballspiel für eine Mannschaft schiefgehen? Diese Frage beschäftigt den FC Bayern nach dem 1:2 gegen Real Madrid.
  • Selten ist eine Partie so fatal gekippt wie an diesem Champions-League-Abend.
  • Fürs Rückspiel besteht nur noch wenig Hoffnung - auch, wenn Stürmer Lewandowski zurückkehrt.

Aus dem Stadion von Christopher Gerards

Am Ende schwirrten viele Begriffe durch die Münchner Arena, aber eigentlich meinten sie alle dasselbe. Es habe "mehrere Knackpunkte" gegeben, hat Arjen Robben zum Beispiel gesagt, Philipp Lahm hatte dagegen "definitiv einen Bruch drin" gesehen. Knackpunkte, Brüche - wer den Spielern des FC Bayern am Mittwochabend zuhörte, der ahnte, dass gerade etwas kaputt gegangen war, in ein paar Szenen, ein paar Sekunden nur. Und nach Lage der Dinge handelte es sich dabei um: das Münchner Spiel.

Die Champions League ist jetzt gut 25 Jahre alt, aber so etwas hat sie noch nicht oft erlebt: dass sich ein Viertelfinal-Hinspiel zwei derart verschiedene Halbzeiten einfallen lässt. Und dass es in der zweiten den ruhmreichen FC Bayern so brutal zusammenbrechen lässt, wie es sonst nur im Jugendfußball vorkommt. Dieses 1:2 (1:0), das die Bayern gegen Real Madrid - man muss sagen - noch ins Ziel retteten, war ein Duell mit maximalen Ausschlägen, es war ein Spiel, das der FC Bayern eine Halbzeit lang dominierte. Und dann: Erlebte das Spiel seinen ersten Bruch. Und es wurde für den FC Bayern von Sekunde zu Sekunde schlimmer.

Die erste Minute der Nachspielzeit in der ersten Hälfte, Schiedsrichter Nicola Rizzoli hat gerade auf Elfmeter entschieden, unberechtigterweise, nachdem Franck Ribéry Reals Rechtsverteidiger Dani Carvajal im Strafraum gegen den Arm geschossen hatte. Arturo Vidal schnappt sich den Ball, er, der bis dahin die prägnantesten Bilder geschaffen hatte. Wie er sich in jeden Zweikampf warf, wie er grätschte, köpfelte, dirigierte, wie er in der 25. Minute einen Kopfball mit solcher Wucht ins Tor gebracht hatte, dass der Versuch sich fast im Bereich der Wettbewerbsverzerrung bewegte. Dieser Vidal also schnappt sich den Ball. Gestikuliert in Richtung von Reals Torwart Navas, er möge schneller ins Tor gehen. Wartet, läuft an, schießt - drüber, mitten rein in diese schwarze Nacht.

Und ab da war alles anders: die Partie und wenig später auch die Saison-Prognose des FC Bayern.

"Das Spiel ist komplett von der einen Richtung in die andere gekippt", sagte Thomas Müller hinterher. Denn es war jetzt, als würde Murphy's Law eintreten, plötzlich ging schief, was schief gehen konnte. Der verschossene Elfmeter von Vidal. Der Ausgleich von Cristiano Ronaldo direkt nach der Halbzeit. Die fatale (aber berechtigte) gelb-rote Karte für Javi Martínez nach knapp einer Stunde. Das 2:1 durch, na klar, Ronaldo in der 77. Minute. Man muss nicht mal gemein sein, um die Ironie zu erkennen, die in diesem Spiel steckte. Normalerweise ist der FC Bayern ja der strenge Lehrer, normalerweise bringen all die Robbens, Ribérys und Thiagos all den Schalkes, Herthas und Leverkusens der Welt bei, dass ein starker Gegner Versäumnisse brutal bestraft.

Und nun? Begeht der FC Bayern plötzlich selbst Fehler und wird ähnlich brutal bestraft. Zugleich war aber erstaunlich, wie sich die Bayern ergaben, wie sie in Unterzahl im Grunde befreit von jeglicher Taktik spielten, wie Manuel Neuer fortwährend mit Glanzparaden das Allerschlimmste verhindern musste. Und wie diese sonst so mentalitätsbewusste Mannschaft derart unterlegen agierte, dass die Spieler hinterher zugaben, "ganz froh" (Lahm) über das 1:2 zu sein.

Müller kann Lewandowski nicht ersetzen

Warum die Bayern so schwächelten? Philipp Lahm hatte nicht unrecht, als er sagte, dass Real schon auch Fußball spielen kann. Allerdings zeigte sich eines der größten Probleme der Ancelotti-Elf in der Person, die wegen einer Schulterverletzung gar nicht mitspielte: Robert Lewandowski. Wenn irgendwer noch einen Beweis sucht für die These, der Mittelstürmer sei unersetzbar: bitteschön, der Mittwochabend lieferte gerichtsfeste Argumente.

Lewandowski ist vermutlich der beste Mit-dem-Rücken-zum-Gegner-Annehmer der Welt, er kann nicht nur Tore schießen, sondern Bälle halten, wie das in der Fachsprache heißt, er kann sich gegen Verteidiger vom Typ Sergio Ramos behaupten und dann mal eben ein paar Angriffe einleiten.

Er kann also Dinge, die kaum ein anderer kann, auch nicht Thomas Müller, der als sein Ersatz angetreten war. Ob Lewandowskis Ausfall ein Grund für die Niederlage sei, ist Kapitän Lahm gefragt worden: "Am liebsten hätte man alle Spieler an Bord", sagte er und sicherte sich damit diplomatische Auszeichnungen. Allerdings fügte Lahm auch an: "Lewy ist so gut wie unser einziger Stürmer, Thomas ist ja mehr so ein hängender Stürmer. Deswegen war der Ausfall natürlich bitter."

Die gute Nachricht für den FC Bayern ist, dass Lewandowski im Rückspiel am Dienstag wohl antreten kann. Am Samstag in der Bundesliga gegen Leverkusen muss er ohnehin gelb-gesperrt aussetzen. Andererseits darf Verteidiger Martínez in Madrid nur zusehen, was die Lage in der Abwehr nochmal verschärft: Mats Hummels ist zurzeit noch verletzt und Jérome Boateng, offenbar nach seiner Genesung noch nicht voll austrainiert, humpelte am Ende des Mittwochabends mehr als er lief.

Wie der FC Bayern doch noch das Halbfinale erreichen will, sollte Thomas Müller schließlich erklären. Er sagte: "Wir brauchen kein Fußballwunder, aber eine überragende Leistung." Und sollten die Bayern auch einen Elfmeterschützen benötigen: Lewandowski hat, seit er in München ist, 12 von 13 Elfern verwandelt.

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