Champions League:Fußball-Osten kehrt zurück auf Europas Bühne

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Timo Werner: Champions-League-Premiere mit RB Leipzig (Foto: dpa)
  • RB Leipzig startet gegen den AS Monaco in die Champions League.
  • Zuletzt hatte 1988 ein Europapokal-Spiel in Leipzig stattgefunden.
  • RB Leipzig hat eine machbare Gruppe erwischt und blickt einigermaßen optimistisch auf die Saison.
  • Tabellen und Ergebnisse der Champions League finden Sie hier.

Von Javier Cáceres, Berlin

Einige Erinnerungen an den bislang letzten Europapokal-Abend in Leipzig hat René Müller längst verschenkt. Auch jenes Souvenir, das Diego Maradona, der Kapitän des SSC Neapel, allen Spielern des 1. FC Lokomotive Leipzig damals übergab - eine personalisierte Reminiszenz an jene Nacht im Oktober 1988, die mit dem Knockout des DDR-Vertreters gegen den späteren Uefa-Cup-Sieger endete: "Beiges Armband, weißes Zifferblatt, die Nummer 10 und seine Unterschrift", so habe das Mitbringsel, eine Uhr, ausgesehen, erzählt Müller. Und so blieb dem damaligen Kapitän und Lok-Torwart nur etwas noch Wertvolleres: die Erinnerung an das mit 80 100 Zuschauern besetzte Zentralstadion.

Und an einen Abend, an dem man kaum ahnen konnte, was da bald kommen sollte. Die Montagsdemonstrationen der Leipziger und der Fall der Berliner Mauer zum Beispiel; die spätere Transformation der DDR in "den Osten" Deutschlands; die Jahre nach der Wende, in denen kein Stein auf dem anderen blieb. Und die lange fußballerische Abwesenheit von den europäischen Bühnen, die an diesem Mittwoch ein Ende finden wird: mit der Visite des AS Monaco.

Erstmals wird damit, kurz vor 20.45 Uhr, im Osten Deutschlands die Champions-League-Hymne ertönen. Die Monegassen werden nunmehr keinen der beiden Vereine besuchen, die in den Vorwende-Jahren die Stadt teilten - Lok und Chemie -, sondern einen Klub, der gleich das ganze wiedervereinigte Land spaltet: das 2009 gegründete Retortenprodukt RB Leipzig. Nach dem Fall der Mauer waren die Ost-Klubs nur noch sporadisch in Europa vertreten, zuletzt durch den Zweitligisten 1. FC Union Berlin, der sich 2001 für den Uefa-Pokal qualifizierte (durch die Hintertür einer Teilnahme am DFB-Pokalfinale).

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Nur Feyenoord und Karabach Agdam haben weniger Erfahrung in der Champions League

Nun also RB Leipzig, das im Frühsommer 2016 noch in der zweiten Liga spielte. "Wir haben als Aufsteiger etwas erreicht, was es wahrscheinlich so schnell nicht mehr geben wird. Deshalb wird sich dieses erste Spiel als Belohnung anfühlen, aber auch als Auftrag, Deutschland würdig zu vertreten", sagte Trainer Ralph Hasenhüttl im kicker. Der 50-Jährige gestand dort auch, dass die Partie "definitiv" eine "Reifeprüfung" sei.

Das gilt für Hasenhüttl persönlich, aber erst recht für seine Mannschaft. Von den 32 Teilnehmern weisen nur zwei Teams, Feyenoord Rotterdam und FK Karabach Agdam, weniger Champions-League-Erfahrung auf als die Leipziger. Die Spieler der Niederländer kommen in der Summe auf 21 , die Aserbaidschaner auf sieben, die Leipziger immerhin auf 31 Champions-League-Einsätze. Und dies auch nur, weil die Zugänge Kevin Kampl (Leverkusen) und Bruma (Galatasaray Istanbul) 14 beziehungsweise neun Mal in der Königsklasse spielten. Als ruhte allein dadurch der Fokus nicht schon ausreichend auf den frischgekürten Confed-Cup-Sieger Timo Werner, wurde in Spanien nun von einem TV-Sender gemeldet, dass Real Madrid den 21-jährigen Mittelstürmer der deutschen Nationalelf ganz genau beobachte. Mit Blick auf ein mögliches Engagement 2018.

Ob wahr oder nicht, derartige Nachrichten sind das deutlichste Indiz dafür, dass es RB Leipzig mittelfristig schwerfallen dürfte, den Laden beieinander zu halten. Bemerkenswert ist ja nicht nur, dass es die Leipziger als Bundesliga-Aufsteiger bis in die Champions League geschafft haben. Sondern auch, dass sie, dank der Red-Bull-Zuwendungen, keinen ihrer Leistungsträger abgeben mussten, die den sportlichen Erfolg herbeiführten. Naby Keita, der an Adduktoren-Probleme laboriert, wird erst im kommenden Sommer zum FC Liverpool wechseln; der schwedische Spielmacher Emil Forsberg konnte trotz heftiger Avancen des AC Mailand gehalten werden.

Bundesligisten wie Borussia Mönchengladbach mussten da ganz andere Erfahrungen machen. Und auch der AS Monaco, immerhin Halbfinalist der letzten Champions-League-Spielzeit, leidet am Verlust einiger seiner namhaftesten Spieler der vergangenen Saison. Kylian Mbappé ging zu Paris Saint-Germain, Benjamin Mendy und Bernardo Silva landeten bei Manchester City, Tiemoué Bakayoko ist beim FC Chelsea in London untergekommen. Ein Abschied des vom FC Arsenal umschwärmten Thomas Lemar konnte verhindert werden, allerdings fehlt der Stürmer in Leipzig verletzt. Wie sehr ein solches Revirement auf die Leistung schlagen kann, erlebte Monaco am Wochenende: Beim OGC Nizza von Gladbachs früherem Trainer Lucien Favre verlor Monaco mit 0:4.

Rückkehr in den ganzen Osten

Auch vor diesem Hintergrund blicken sie in Leipzig einigermaßen optimistisch in die Champions-League-Saison. Leipzig ist in eine ausgeglichene, aber machbare Gruppe gelost worden; das Team trifft neben Monaco auf den FC Porto und Besiktas Istanbul. Ob es da aber gleich dazu reicht, an die 70er Jahre anzuknüpfen, als Lok es einmal sogar bis ins Halbfinale des Uefa-Pokals schaffte und dabei Teams wie FC Turin, Fortuna Düsseldorf, Wolverhampton oder Ipswich Town eliminierte (1973/74), darf wohl dahingestellt bleiben.

Nur eines ist wie damals: Die Ränge werden sich wieder mit Menschen füllen, die nicht bloß aus Leipzig kommen, sondern auch aus Thüringen und Sachsen-Anhalt, wie René Müller erzählt. Und so gesehen kann man es wohl tatsächlich so deuten, dass Europas Fußball an diesem Mittwoch in den ganzen Osten Deutschlands zurückkehrt - ein bisschen zumindest.

© SZ vom 13.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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