Süddeutsche Zeitung

Frankfurt in der Champions League:Ein Klub im Dauerrausch

Eintracht Frankfurt spielt jetzt Champions League - und stößt mit der erstmaligen Teilnahme in neue Sphären vor. Auch finanziell, denn der Verein kann die Millioneneinnahmen dringend gebrauchen.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Vielleicht ist es dieser elektrisierende Moment, auf den alle gewartet haben. In Frankfurt und bei der Eintracht. Um 18.42 Uhr, so steht es im Ablaufplan, soll erstmals in der Vereinsgeschichte im Frankfurter Stadtwald die berühmte Hymne zu hören sein, die einst der Brite Tony Britten komponierte. Es ist die Melodie, die vor jedem Champions-League-Spiel ertönt - und die bei Eintracht Frankfurt vor der Heimpartie gegen Sporting Lissabon am Mittwoch für eine enorme Vorfreude sorgt. Vereinspräsident Peter Fischer ist nicht der einzige Funktionär, der sie sich als Handy-Klingelton eingerichtet hat. Die Ultras aus der Nordwestkurve planen zudem als optische Untermalung eine Choreografie.

Nur Trainer Oliver Glasner bremste am Tag vor dem Spiel ein bisschen die Euphorie. "Es ist wichtig, dass wir uns nicht auf den Text der Hymne, sondern die Taten auf dem Feld konzentrieren", sagte er. Der Aufstieg in die Königsklasse, die sich der hessische Bundesligist durch den rauschenden Europa-League-Triumph in Sevilla im Elfmeterschießen gegen Glasgow Rangers verdient hat, ist auch eine Belohnung für Verein, Stadt und Umfeld, die jede internationale Aufgabe zu einem Festspiel deklarieren. Der wegen einer Muskelverletzung fehlende Kapitän Sebastian Rode wird die Europa-League-Trophäe vor Anpfiff auf den Rasen tragen.

Glasner ist die Steigerung willkommen, sich "im größten und höchsten Wettbewerb zu messen". Der Österreicher weiß, dass manche, wie Torwart Kevin Trapp, in der Gruppe mit Sporting Lissabon, Olympique Marseille und Tottenham Hotspur bereits aufs Achtelfinale schielen. Aber warum soll das bei solch einer Unterstützung auch nicht gelingen? Die Emotionen sind ein treuer Begleiter, wenn in Frankfurt irgendwo auch nur das kleinste Europapokal-Licht anspringt.

Seit dem Pokalsieg 2018 waren die Frankfurter bis auf eine Ausnahme durchgängig europäisch vertreten. Viele Fans wähnen sich seitdem wie im Rausch, der übrigens von der Eintracht auch bestens vermarktet wird. Gerade wurde ein schwarzes Sondertrikot aufgelegt, auf dem Ton-in-Ton ein Apfelweinglas eingearbeitet ist. Soll doch jeder sehen, womit sich die Anhänger gerne in Stimmung bringen.

Frankfurt kann die fast 50 Millionen Euro Bruttoeinnahmen gut gebrauchen

Zu viel des Überschwangs darf es indes nicht mehr sein. Nach dem Platzsturm im Halbfinale gegen West Ham United spielt die Eintracht für zwei Jahre auf Bewährung. Ein Geisterspiel wäre jammerschade, "das würde dem Klub und den Fans schaden", mahnte Glasner.

Zudem sorgte sich der 48-Jährige bei den vielen Spielen - Samstag in der Bundesliga gegen den VfL Wolfsburg, kommenden Dienstag bei Olympique Marseille - bereits um die "geistige Frische" des Personals. Dass die "körperlichen Vollmaschinen" (Glasner über seine Akteure) fürs Champions-League-Debüt brennen, ist ihm vorbehaltlos abzunehmen. Dieser Wettbewerb, bestätigte der Schweizer Mittelfeldmalocher Djibril Sow am Dienstag, sei noch mal "ein, zwei Level höher als die Europa League".

Das gilt sportlich wie wirtschaftlich. Mit summa summarum fast 50 Millionen Euro Bruttoeinnahmen kann Frankfurt kalkulieren - Geld, das auch dringend gebraucht wird. Auf 68 Millionen Euro belief sich das Minus in den beiden vergangenen Geschäftsjahren, vor allem durch die Corona-Krise. Die Verantwortlichen entschieden sich deshalb für einen Mittelweg auf dem Transfermarkt. Neben fertigen Spielern wurden auch viele Profis verpflichtet, die ihre beste Zeit noch vor sich haben.

Frankfurts Ziel ist ein nachhaltiges Wachstum

"Wir werden keine wilden Sachen machen und etwa die Gehaltsstruktur sprengen. Wenn wir das einmal machen, kriegen wir das nie wieder eingefangen", betonte Sportvorstand Markus Krösche: "Wir setzen auf Kontinuität, nicht auf kurzfristige Effekte - die übrigens auch keine Garantie geben." Ziel ist ein nachhaltiges Wachstum mit einer teilerneuerten Mannschaft, die zuletzt RB Leipzig (4:0) eindrucksvoll dominierte.

Mit dem vor Selbstbewusstsein strotzenden Mittelstürmer Randal Kolo Muani, dem vor Spiellaune sprühenden Mario Götze und dem anscheinend bereits integrierten Mittelfeldspieler Eric Junior Dina Ebimbe werden gegen Sporting drei Zugänge auf zentralen Positionen in der Startelf stehen. Glasner warnte "vor einer richtig guten Mannschaft", die international gerne mal unterschätzt werde.

In der Vorsaison warfen die spielstarken Portugiesen in der Gruppenphase übrigens Borussia Dortmund raus. Mitunter kann die schöne Hymne auch schlagartig verstummen.

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