Champions League: Finale:Zerschellt an der Mailänder Mauer

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Im Kampf der Systeme siegt José Mourinhos Inter Mailand gegen van Gaals Bayern München, weil der Argentinier Milito zwei Konter gekonnt abschließt. Und die Bayern trotz ewigem Ballbesitz den Weg zum Tor nicht finden.

Thomas Hummel

Es war der Traum vom Triple. Nach Meisterschaft und Pokal hatte der Verein die einmalige Möglichkeit, auch die Champions League zu gewinnen. Völlig überraschend war das gekommen, weil der Start unter dem Trainer Louis van Gaal im vergangenen Jahr misslungen war, doch dann kam dieser FC Bayern derart ins Laufen, dass eigentlich niemand damit rechnete, dass diese Mannschaft noch einmal in dieser Lebenszeit ein Spiel verlieren könnte. Doch dann geschah das Undenkbare: Der FC Bayern verlor das Finale im Santiago-Bernabeu-Stadion von Madrid gegen Inter Mailand mit 0:2. Zweimal traf der Argentinier Diego Milito ins Münchner Tor.

Wenn die einen Feiern, und die anderen Trauern: Daniel van Buyten (l.) und Mark van Bommel vor den Fans von Inter Mailand. (Foto: ag.ddp)

Einen Tag vor dem Finale hatten sich die beiden Trainer mal wieder getroffen: Louis van Gaal und José Mourinho, vor vielen Jahren Trainer und Co-Trainer in Barcelona. "Es war schön. Ein bisschen emotional", berichtete van Gaal. Für die beiden Taktik-Experten war von vorneherein klar, wie das Spiel verlaufen würde: Bayern kontrolliert meist den Ball, Inter versucht, das Münchner Spiel zu stören, ja zu zerstören, und dann schnell nach vorne zu passen. "Wir spielen meistens gegen verteidigende Gegner, wir sind das gewöhnt", gab sich van Gaal zuversichtlich.

Der Niederländer schickte die erwartete Elf auf den Rasen in Madrid (der gut gewachsen und eben war wie mit der Wasserwaage geschnitten): Hamit Altintop ersetzte den gesperrten Franck Ribéry auf der linken Seite. Einzig offene Position bei Inter war eine heikle Personalie: Wer sollte links hinten gegen Arjen Robben verteidigen? Mourinho entschied sich für den Rumänen Christian Chivu.

Der niederländische Tempodribbler stellte den Inter-Verteidiger gleich vor die erste unlösbare Aufgabe, nach neun Minuten überlief ihn Robben, dann auch Walter Samuel, die Hereingabe konnte Ivica Olic aber nicht Richtung Tor bringen. Es war die erste Chance des Spiels, die erste Aktion, die das Patt im Mittelfeld auflöste.

Zumeist standen sich die Mannschaften wie abwartende Judo-Ringer gegenüber. Es kam genauso, wie van Gaal und alle Fußballexperten es vorausgesagt hatten. Die Münchner hatten nach einer halben Stunde 63 Prozent Ballbesitz, aber der Strafraum schien Sperrgebiet. Inter versuchte es in der gegnerischen Spielhälfte mit Pressing, klappte das nicht, zog sich die gesamte Mannschaft zurück. Wenn nötig wie im Handball in und um den eigenen Strafraum.

Chivu bekam gegen Robben stets Hilfe von Goran Pandev oder Esteban Cambiasso oder dem Innenverteidiger Samuel. Auf der rechten Inter-Seite rannte Samuel Eto'o mehr nach hinten als er Akzente für den Angriff beisteuerte. So rangen die Mailänder zumeist erfolgreich mit den angreifenden Bayern, Robbens beste Aktion blieb die nach neun Minuten. Und der erste wirkungsvolle Schlag gelang ihnen dann selbst: Torwart Julio Cesar drosch den Ball nach vorne, Diego Milito gewann den Kopfball gegen den viel zu passiven Martin Demichelis. Er verlängerte auf Wesley Sneijder, Milito startete nach vorne durch, und weil Sneijder einen perfekten Pass spielte, stand der Argentinier alleine vor Torwart und Butt und hob den Ball überlegt zum 1:0 ins Netz (34.).

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Ein Tor, das wie bestellt kam für eine Mannschaft von José Mourinho. Seine Mannschaften verstehen sich auf nichts besser als auf das Verteidigen von einem 1:0. Kurz vor der Pause hätten sie fast ein 2:0 verteidigen können, wieder flog ein Konter über Milito und Sneijder über den Rasen, diesmal scheiterte aber Sneijder freistehend an Butt (43.).

José Mourinho war während dieser Halbzeit immer am Rande seiner Coaching-Zone gestanden, und selbst ein Mourinho darf diese Zone ja nicht verlassen während des Spiels. Sonst wäre der Portugiese vermutlich stets auf Ballhöhe gewesen, selbstredend ohne seinen dunklen Anzug zu zerknittern. Van Gaal hingegen saß. Bislang aber war van Gaal vor allem in der Champions League auch im Sitzen immer etwas eingefallen, wie man sich aus einer heiklen Situation windet. Die Münchner Fans dachten an Manchester, an Turin, an Florenz. Auch Sportdirektor Christian Nerlinger glaubte in der Pause: "Wir kriegen noch unsere Chance."

Wenn es denn einen van-Gaal-Plan gegeben hat, dann wäre der 15 Sekunden nach dem Wiederanpfiff fast aufgegangen. Er hätte in diesem Moment aufgehen müssen. Vom Anstoßpunkt kam der Ball zu Altintop, der legte Müller den Ball wunderbar in einen freien Raum am Strafraum. Doch der 20-Jährige aus Weilheim schoss den Ball an Cesars Füße. Es war die Chance für den FC Bayern, das Spiel noch zu drehen. Kurz darauf machte Inter allerdings deutlich, dass es durchaus vorhatte, weiterhin schmerzende Konter zu setzen: Butt musste all seine Flugkünste zeigen, um Pandevs Schuss zu parieren (47.).

Dann wurde van Gaals Plan auch personell deutlich: Nach einer guten Stunde schon kam Stürmer Miroslav Klose für Mittelfeldspieler Altintop. Gleich darauf scheiterte Müller per Nachschuss am Kopf von Cambiasso (63.) und Robben per Kunstschuss an Torwart Cesar (65.). In Phasen glaubte man, Bayerns Ballbesitz streife die 90-Prozent-Marke. Und das sah dann auch gut aus, die Münchner spielten sich den Ball zu und warteten auf ein Loch in der Inter-Abwehr.

Doch es gab auch Phasen, in denen die Mailänder sich schön aus der Umklammerung kombinierten. Und sie mussten die Löcher erst gar nicht suchen - sie lagen offen vor ihnen. Diego Milito bekam dann wieder den Ball, nach 70 Minuten. Vor ihm stand Daniel van Buyten, ein Hüne, und deshalb keiner, der sich schnell drehen kann. Milito täuschte rechts, legte den Ball links am verdutzten van Buyten vorbei, und schoss den Ball zum 2:0 ins Tor.

Die Bayern hatten ja schon vieles geschafft in dieser Saison, was man ihnen eigentlich nicht zugetraut hätte. Aber ein 0:2 gegen Inter Mailand aufholen? In den fünf Champions-League-Spielen zuvor hatte der italienische Meister nur ein Gegentor hinnehmen müssen. Van Gaal brachte Gomez ins Spiel für Olic. Doch im Gegensatz zu den vergangenen Wochen, ja Monaten wirkten die Münchner nicht mehr überzeugt, dass sie ihr Ziel noch erreichen können. Öfter fiel ein Kopf nach unten, die Schultern hingen, zunehmend rauschten auch die Pässe an den Adressaten vorbei.

Die Spieler, die Fans, alle Münchner wussten, dass das Spiel verloren war. Schon vor dem Schlusspfiff ging van Gaal hinüber zu seinem ehemaligen Assistenten Mourinho und gratulierte ihm. Er gratulierte ihm zum Triple, denn auch Inter hatte schon vorher Meisterschaft und Pokal gewonnen. Und nun auch den größten Cup des europäischen Fußballs.

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