Süddeutsche Zeitung

Champions League:Klopp lacht sich warm

  • Vor dem Champions-League-Finale gegen Tottenham Hotspur beweist Liverpool-Trainer Jürgen Klopp, dass er Selbstironie einzusetzen weiß wie kaum ein anderer.
  • Angesprochen auf die sechs Endspiele, die er nacheinander verloren hat, sagt er: "Ich könnte ein Buch darüber schreiben, wie man Halbfinals gewinnt. Niemand würde es kaufen."
  • Bei all den schlagfertigen Sprüchen - nach sechs verlorenen Finals lastet Druck auf ihm.

Von Martin Schneider, Madrid

Es war klar, dass die eine Frage kommen würde, Jürgen Klopp wusste das natürlich. Er saß in Erwartung dieser Frage kappenlos vor einer konfettibunten Sponsorenwand, die Kameras zoomten auf sein Gesicht und sendeten das Bild von seinem Bart und seinen viel zu weißen Zähnen in die Welt hinaus. Als Klopp in Mainz als Trainer anfing, da saßen fünf bis sechs Lokaljournalisten in einem Raum, den man ohne schlechtes Gewissen als Kabuff bezeichnen konnte. Nun sprach er in einem Stadion namens Metropolitano zu Weltpresse in einem Saal, der eher nach Kino oder Theater aussah.

Ist ja auch mehr Kino und Theater als Fußball, so ein Tag vor dem Champions-League-Finale. Echte Informationen bekommt man nicht, weil jede echte Information dem Gegner weiterhilft. Aber es muss jemand auftreten, und wer könnte das besser als Jürgen Klopp.

Ach ja, die Frage, sie kam natürlich sofort, als erstes, die Frage nach den sechs Finals, die er nacheinander verloren hat, und was er aus dem letzten Endspiel gelernt habe, der Niederlage gegen Real Madrid im vergangenen Jahr. "Dass man auch aus 18 Metern per Fallrückzieher ein Gegentor kassieren kann." So unvermeidlich die Frage war, so unvermeidlich war, dass Klopp darauf lustig antworten würde.

Eine kurze Auswahl weiterer Witze auf seine Kosten: "Ich könnte ein Buch darüber schreiben, wie man Halbfinals gewinnt. Niemand würde es kaufen." Oder, als er sehr seriös gefragt wurde, wie er zu den Champions-League-Reformplänen der Uefa steht und ob er etwas am Modus ändern wollen würde. "Ich würde das Halbfinale zum Finale machen." Gelächter im Saal. Als ihn ein Reporter eine "schillernde Person" nannte, zeigte er seine schillernden Zähne, lachte sein Klopp-Lachen und meinte. "Ich habe blendende Laune, ich kann mir nicht erlauben, auch vor einem Finale schon schlechte Laune zu haben."

Vielleicht ist Klopp am besten, wenn der Druck am höchsten ist

Selbstironie ist eh kaum zu schlagen und die von Jürgen Klopp schon gar nicht. Die ernste und natürlich richtige Antwort, die er auf die Frage nach seiner Pleiten-Kaskade dann auch noch gab, war: "Die sechs Finals haben nichts miteinander zu tun - ich müsste mir nur Sorgen machen, wenn ich der Grund für die Niederlagen war." Aber natürlich glaubt Jürgen Klopp das nicht.

Vielleicht ist der Tag vor einem Champions-League-Finale der Tag, an dem der höchste Druck herrscht und vielleicht ist Jürgen Klopp genau dann am besten. Die Trainingseinheit im Stadion ist komplett öffentlich, weswegen man nichts mehr wirklich trainieren kann. Also machte Jürgen Klopp, mittlerweile mit Kappe auf dem Kopf und hochgezogenen weißen Tennissocken an den Füßen, auch den Rasen zur Bühne, spielte TV-Experte Andrea Pirlo einen Ball in den Rücken, ging anschließend auf ihn zu und feixte dann als besockter Mainzer Ex-Verteidiger mit dem perfekt gekleideten Maestro des feinen Passes.

Mit seinem Auftritt hat es Klopp fast geschafft, die Menschen vergessen zu lassen, dass dieses Endspiel dann doch in einer entscheidenden Sache anders ist als seine sechs Endspiele zuvor. Diesmal ist er der klare Favorit. Ein Sieg des FC Liverpool ist je nach Buchmacher dreimal oder viermal so wahrscheinlich wie ein Sieg von Tottenham.

Das ist eine Rolle, die Jürgen Klopp eigentlich nicht mag. Also arbeitet er rhetorisch dagegen an, spricht von den Liga-Spielen gegen Tottenham, die Liverpool zwar gewann, aber die natürlich "sehr eng" waren. Als ihn ein Reporter fragte, ob er denke, dass es am Samstag ins Elfmeterschießen gehen wird, weil sein allererstes Spiel 2015 als Liverpool-Trainer gegen Tottenham auch unentschieden endete, sagte Klopp: "Sie wissen, dass das nicht sehr logisch ist, was Sie da sagen?", und bekam wieder ein paar Lacher. Aber die Vorlage nahm er sehr dankbar auf, weil er betonen konnte, dass ein Elfmeterschießen gut möglich sei, weil die Teams ja schließlich gleichstark wären.

Der laut Klopp gleichstarke Gegner wird vom Argentinier Mauricio Pochettino trainiert. Und wenn Klopp und Pochettino sagen, dass sie sich gegenseitig schätzen, dann kann man ihnen das glauben. Beide wissen, dass man dann am besten ist, wenn man Mannschaften entwickeln kann. Klopp ist seit vier Jahren Liverpool-Trainer, Pochettino seit fünf in London tätig. Und Pochettino schob die Favoritenrolle mit Freuden von sich, sprach von Liverpool als besserem Team.

Aber eine kleine Show-Einlage probierte er auch. Auf die Frage, ob er abgenommen hätte, stand er auf, warf sich in Modelpose und zeigte sich von der Seite. Aber kurz danach sagte er wieder mit großem Ernst, dass er natürlich noch nicht wisse, ob Stürmer Harry Kane spielen könne.

Vor dem Spiel macht Klopp keiner was vor. Er setzt den Zuschauern und auch seinen Spielern eine Idee in den Kopf, die aus seinem Mund viel überzeugender klingt, als sie in Wahrheit ist. "Es ist eine gute Sache, dass wir älter sind", sagte er zum Beispiel. Älter werden ist ja normalerweise keine gute Sache, aber Klopp sagt, seit dem letzten Finale habe man mehr Erfahrung gesammelt, man wisse nun, wie es ist, auf dieser Bühne zu stehen. Und dass man in der Liga auch nur Vize-Meister geworden ist? Kein Wort darüber, sondern nur die Botschaft: "Wir haben 97 Punkte geholt!" Wer 97 Punkte holt, ist ein Spitzenteam, so Klopps Botschaft.

Nur in den Endspielen fehlt das Glück, sagt Klopp

Viele Freunde aus Deutschland seien da, es sei seine Aufgabe, diesmal für eine Party zu sorgen, sagte er dann noch. Und er freue sich, dass so viele Menschen aus Deutschland Liverpool die Daumen drücken würden und freute sich daran, dass mit ihm als Ex-Dortmunder und Joel Matip als Ex-Schalker beide Lager vereint seien. Die Frage eines spanischen Journalisten, der ihn "Schürgen" aussprach, ob er an das Glück glaube, war vielleicht die beste, die ihm an diesem Tag gestellt wurde. "Ich hatte in meiner Karriere viel Glück", sagte er. "Nur in den Endspielen, da bisher nicht so."

Morgen wird er in sein drittes Champions-League-Endspiel gehen, als dritter deutscher Trainer nach Ottmar Hitzfeld und Jupp Heynckes. Hinter all der guten Laune, hinter all der Lockerheit weiß Klopp: Wenn er es wieder verliert, wird sich die Geschichte verselbstständigen, vielleicht werden dann wirklich ein paar Leute glauben, dass er ein Grund für diese Niederlagen ist. Und es wird sehr viel schwerer, darüber Witze zu machen.

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