Klopp und Brych:"Wie Sie mit mir reden, ist unfair!"

Champions League: Jürgen Klopp und Felix Brych nach dem Spiel FC Liverpool gegen Real Madrid

Diskussionsbedarf: Jürgen Klopp (links) redet mit dem Münchner Schiedsrichter Felix Brych.

(Foto: Kiko Huesca/Agencia EFE/Imago)

Nach dem 1:3 gegen Real Madrid beschwert sich Jürgen Klopp wortgewaltig bei Schiedsrichter Felix Brych - der sich seinerseits an den Liverpooler Trainer wendet. Die Fehde hat eine längere Vorgeschichte.

Von Sven Haist, London

In den vergangenen Jahren hat Jürgen Klopp nach dem Abpfiff von Fußballspielen unter Leitung des Schiedsrichters Felix Brych vorwiegend über seinen deutschen Landsmann gesprochen. In den Nachbetrachtungen der Europapokalpartien zog Klopp oft wortgewaltig über die Entscheidungen des Elitereferees aus München her, die aus seiner Sicht dem von ihm trainierten FC Liverpool stets das Resultat vermasselt hatten. Beim 1:3 bei Real Madrid im Viertelfinal-Hinspiel der Champions League am Dienstagabend sprach Klopp dann mit Brych - wenn man das so nennen will.

Auf dem Weg in die Kabine lief Klopp provokant hinter dem Schiedsrichter über den Rasen und kritisierte dessen Spielleitung in einem Schimpf-Monolog. Dabei konnte Klopp gewissermaßen froh sein, dass Reals parallel eingespielte Vereinshymne "¡Hala Madrid!" (Vorwärts Madrid!) weite Teile seiner auf Deutsch abgehaltenen Pöbeleien unverständlich machte. Hörbar war allerdings, dass Klopp es "ganz, ganz schlimm" fand, dass Brych mit Sadio Mané, der "nichts Böses" gemacht habe, "so eine Show" abziehe und ihm "kein einziges Foul" pfeife: "Das ist einfach unfair!" Und "unfair", so Klopp, sei "das Schlimmste", was man "über einen Schiri" sagen könne. Daraufhin blieb Brych, der sich zunächst nichts anmerken ließ, doch stehen, und sagte: "Wie Sie mit mir reden, ist unfair!"

In der Pressekonferenz verschärft Klopp abermals den Ton

Als Buhmann für unliebsame Ergebnisse des Premier-League-Meisters befindet sich Brych in guter Gesellschaft. Klopp, der sich selbst unentwegt als "sehr, sehr schlechten Verlierer" bezeichnet, knöpft sich nach Niederlagen regelmäßig die Unparteiischen vor - sofern die Wetterbedingungen, die Platzverhältnisse, die Anstoßzeit, das Fernsehen oder die gegnerische Spielweise nicht noch mehr Schuld am Ausgang des Spiels tragen. Inzwischen hat sich Klopp in die von ihm begonnene und leidenschaftlich weitergeführte Fehde mit Brych derart versteift, dass er jetzt in Madrid seine Abneigung so offenkundig präsentierte wie noch nie.

In der Pressekonferenz verschärfte Klopp abermals den Ton im Vergleich zum Wortwechsel auf dem Platz und vertrat die Auffassung, für die nicht geahndeten Fouls sei "something personal" zwischen Brych und Mané verantwortlich, "etwas Persönliches" also. Es ging um die 36. Minute, als Linksaußen Mané an der Strafraumgrenze nach einem Schubser seines Gegenspielers Lucas Vázquez zu Fall gekommen war. Den grenzwertigen Körpereinsatz stufte der in seiner Auslegung großzügig agierende Brych als regelkonform ein. Für Klopp war es hingegen eine regelwidrige Vereitelung einer klaren Torchance, die einen Platzverweis für Rechtsverteidiger Vázquez zur Folge hätte haben müssen. Schlimmer für Liverpool: Den Gegenangriff nutzte Real zum 2:0 durch Marco Asensio. Zuvor hatte bereits Doppeltorschütze Vinícius Júnior (27./65.) zum ersten Mal getroffen.

Dieser Zweikampf, polterte Klopp, sei "ein klares Foul" an Mané gewesen. Stattdessen habe Brych die Aktion behandelt, als wäre sein Spieler "ein Schwalbenkönig". Von da an habe Mané "keinen Pfiff" mehr erhalten, wann auch immer er zu Boden ging. Das sei "nicht in Ordnung", klagte Klopp. In diesen Momenten benötige man wenigstens einen "ok Schiri", das wäre schon "ausreichend" gewesen.

Bei seiner Bewertung ignorierte Klopp, dass Mané, der kurz darauf nach eigenem Foul wegen Meckerns verwarnt wurde (39.), im weiteren Verlauf der Partie sehr wohl einen, sogar zwei Freistöße zugesprochen bekam, nach Vergehen von Casemiro (43.) und Eder Militão (47.). In der unübersichtlichen Schlussphase lag Mané zwar innerhalb von 45 Sekunden erneut zwei Mal nach knackigen Duellen mit Vázquez am Boden; das Spiel lief jeweils weiter. Klopps Rundumschlag dürfte aber trotzdem vorrangig mit dem kaum substanziellen, von schweren Abwehrfehlern geprägten Spielvortrag seines Teams begründet sein - und den alten Ressentiments gegenüber Brych.

Brych ist mit 63 Partien der Rekordreferee in der Champions League

Mit dem Juristen liegt Klopp über Kreuz, seitdem er sich in seinem letzten Spiel als Trainer von Borussia Dortmund, im verlorenen Pokalfinale 2015 (1:3 gegen den VfL Wolfsburg), über einen verwehrten Elfmeterpfiff beklagt hatte. Angreifer Pierre-Emerick Aubameyang war beim Spielstand von 1:3 ungestüm attackiert worden. Hinterher echauffierte sich Klopp: "Wahnsinn, wie zufrieden Brych mit seiner Leistung ist!" Zuvor hatte Klopp mit dem BVB unter Brychs Aufsicht allerdings 14 von 21 Pflichtspielen gewonnen, nur zwei Partien gingen verloren.

Nach Klopps Wechsel auf die Insel kam es in drei der sechs von Brych geleiteten Champions-League-Spielen im Nachgang zu heftigen Anschuldigungen. Selbst nach Liverpools 5:2 im April 2018 im Halbfinale über AS Rom wegen eines strittigen Handelfmeters. Dabei hatte Brych eine Runde zuvor Liverpool gleich doppelt begünstigt beim 3:0 gegen Manchester City: Liverpools erstem Treffer ging damals eine Abseitsposition voraus, später wurde City ein Strafstoß verweigert, was den geschlagenen Pep Guardiola in Rage versetzte.

Basierend auf diesen Vorkommnissen wird jede Nominierung von Brych für ein Liverpool-Spiel mittlerweile im Trainerteam um Klopp von großer Skepsis begleitet. Während sich Brych zuletzt einige diskutable Entscheidungen in der Bundesliga leistete, bestätigt er im Europapokal allerdings seine exponierte Stellung: Mit 63 Spielen in der Königsklasse ist Brych der Rekordreferee in diesem Wettbewerb.

Im Anschluss an seine Schimpftirade gestand Klopp ein, dass letztlich nicht Brych das Spiel für Liverpool verloren habe, sondern seine Mannschaft, die "nicht gut genug" gewesen sei, um Real Madrid an diesem Abend zu bezwingen. In der ersten Halbzeit fehlte Liverpool jene Energie, Lauf- und Zweikampfstärke, die es gegen das spielerisch bessere Real unbedingt benötigt, um den Gegner zu überrennen. Ohne gestört zu werden, leitete Toni Kroos mit sehr sehenswerten langen Pässen die ersten beiden Tore ein. Als Reaktion auf den Rückstand ging Liverpool in den offenen Schlagabtausch, der zumindest das erhoffte Auswärtstor durch Mohamed Salah einbrachte (51.). Im Rückspiel in einer Woche würde nun ein 2:0 zum Weiterkommen reichen. Der Schiedsrichter wird dann definitiv nicht Felix Brych heißen.

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