Villarreal in der Champions League:Im gelben U-Boot sitzt ein Deutscher

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Alfonso Pedraza trägt auch einen deutschen Namen - seine Mutter heißt mit Nachnamen Sag. (Foto: Jose Miguel Fernandez/NurPhoto/Imago)

Villarreals Eigengewächs Alfonso Pedraza will mit seinem Klub eine sagenhafte Geschichte fortschreiben und ins Champions-League-Finale einziehen - obwohl ihn das vor ein privates Problem stellen würde.

Von Javier Cáceres, Manchester

Alfonso Pedraza ist Linksverteidiger beim FC Villarreal, und es könnte passieren, dass er bald ein größeres innerfamiliäres Problem bekommt. "Mein Bruder setzt nicht auf mich!", beschwert sich Pedraza mit gespielter Enttäuschung - und lacht sogleich in die Kamera seines Handys. Der Bruder hat nämlich für den 28. Mai seine Hochzeit terminiert, "und eigentlich soll ich ihn zur Kirche fahren". Das ist: ein Dilemma. Denn es kann sein, dass Pedraza just am 28. Mai verhindert ist - und mit dem FC Villarreal im Stade de France bei Paris das Finale der Champions League bestreitet.

Am Mittwochabend tritt Villarreal in Liverpool an, sprich: in der Stadt der Beatles, deren Lied "Yellow Submarine" mit den gelben Trikots zum international bekannten Klub-Spitznamen Villarreals konvergierte: "Submarino amarillo", gelbes U-Boot. Es ist der vorläufige Höhepunkt einer sagenhaften Geschichte. Das 50 000-Einwohner-Städtchen Villarreal hat in dieser Saison die Klubs Bergamo, Bern und Manchester United hinter sich gelassen, zudem Juventus Turin und im Viertelfinale den FC Bayern München, womit keine deutsche Gemeinde mehr in der Königsklasse des europäischen Fußballs vertreten ist.

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Ein paar deutsche Vertreter sind in der Vorschlussrunde dennoch dabei: Joël Matip beim FC Liverpool, Toni Kroos bei Real Madrid, Ilkay Gündogan bei Manchester City. Und wenn man so will, kann man den spanischen U21- und U19-Europameister Pedraza auch dazuzählen. Denn: Er wurde in San Sebastián de los Ballesteros geboren, einer Gemeinde im Herzen der Provinz Córdobas, die als das deutsche Dorf Andalusiens gilt. "Los alemanes" werden die Bewohner San Sebastiáns von ihren Nachbarn genannt, "die Deutschen", weil man auf den Straßen viele hochgewachsene Menschen mit hellen Augen trifft, und weil San Sebastián eine kuriose Geschichte hat.

Das Dorf wurde im 18. Jahrhundert unter König Carlos III. gegründet "und danach vor allem von deutschen Auswanderern besiedelt. Viele Familien tragen deutsche Namen - so wie ich!", sagt Pedraza. Seine Mutter heißt Sag. Deutsch spricht Pedraza nicht, wie überhaupt niemand mehr in dem Dorf des Deutschen mächtig sei, wie der Dorfhistoriker Rafa Vázquez vor ein paar Jahren im Radiosender Onda Cero erklärte. Nur ein Verb werde tatsächlich noch immer "sehr oft" verwendet: "Trinken!"

Liverpool wird "von der ersten Minute an versuchen, uns zu zermalmen"

Pedraza sagt, er fahre immer hin, wenn es die Zeit ermöglicht, "dort fühle ich mich wohl, dort sind meine Wurzeln". Er sei direkt gegenüber der Gemeindesportanlage aufgewachsen und habe dort ohne größere Ambition Fußball gespielt. Erst im Alter von elf Jahren schloss er sich einem Klub an, dem FC Séneca: "Ich war alles andere als herausragend. Ich war zwar groß, aber auch sehr füllig." Das änderte sich durch einen Wachstumsschub in der Pubertät, er landete bei einer Körpergröße von 1,84 Meter. Mit 15 wurde er in die Provinzauswahl Córdobas berufen, nahm an der Andalusien-Meisterschaft teil - und fiel einem Späher des FC Villarreal auf, der umgehend den Vater ansprach. Der Sohn habe das Zeug zum Profi.

"Es ist mir wahnsinnig schwergefallen. Ich war auf der Straße aufgewachsen. In der Akademie hatte ich nicht mehr die Freiheit, die ich kannte, es wurde uns sehr viel Disziplin abverlangt", sagt er. Aber es lohnte sich. "Die Nachwuchsarbeit wird hier wahnsinnig gepflegt, die Anlagen sind vielleicht sogar die besten in Spanien. Es ist alles perfekt organisiert - die Ernährung, die schulische und natürlich erst recht die fußballerische Ausbildung."

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Ursprünglich war er Außenstürmer gewesen, doch die Trainer in Villarreal probierten ihn auch als Außenverteidiger aus. Die Umstellung gefiel ihm. Um Spielzeit zu bekommen, ließ er sich immer wieder ausleihen, in seinem Lebenslauf sind Stationen wie CD Lugo, Leeds United, CD Alavés und Betis Sevilla zu finden. "Die defensiven Denkweisen und die taktischen Dinge musste ich mir erst aneignen, aber ich habe da viel dazugelernt. Vor allem unter Unai", sagte er in Anspielung auf Villarreals jetzigen Trainer Emery.

In dieser Champions-League-Saison kam er acht Mal zum Einsatz, als Einwechselspieler, was vor allem damit zu tun hat, dass der Europa-League-Sieger von 2021 einen der besten Kader der spanischen Liga hat. Gegen den FC Liverpool werde es einer ähnlich herausragenden Leistung wie gegen den FC Bayern bedürfen. "Liverpool geht immer full, die arbeiten wahnsinnig viel. Sie werden von der ersten Minute an versuchen, uns zu zermalmen."

Die Rolle des Underdogs stört ihn nicht weiter. Aber: "Die Realität ist, dass wir es bis hierher geschafft haben", bis in den Vorhof des Champions-League-Finales: "Das wäre ein Traum, an den wir aber noch nicht denken." Und wenn Villarreal es tatsächlich ins Endspiel schaffen sollte, müssten in der Familie wohl die Termine neu geordnet werden. "Ich weiß nicht, was mein Bruder dann machen würde", sagt Pedraza. Lösungen gibt es immer. "Aber vielleicht packen wir einfach den Pfarrer ein und nehmen ihn mit nach Paris."

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