Champions League:Großer Schritt nach 50 Jahren

Champions League: Die Fußballerinnen des FC Bayern München betreten die große Bühne für das Viertelfinale der Champions League.

Die Fußballerinnen des FC Bayern München betreten die große Bühne für das Viertelfinale der Champions League.

(Foto: Imago, AP)

Die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg und erstmals auch die Bayern-Frauen tragen ihre Viertelfinal-Heimspiele in den großen Arenen aus. Damit sind hohe Erwartungen verbunden - und auch die Möglichkeit einer Enttäuschung.

Von Anna Dreher

Über drei Reihen verteilt saßen sie da. Svenja Huth und Kathrin Hendrich zum Beispiel, auch Almuth Schult, Alexandra Popp sowie Trainer Tommy Stroot. Die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg hatten am Samstag in der Bundesliga gespielt, freier Sonntag also - und den verbrachte das Team in der Volkswagen Arena. Es war kein reiner Freizeitbesuch, sich die Partie der Männer gegen Leverkusen anzuschauen, vielmehr eine Dienstreise mit gewissem Forschungsanspruch. Die Wolfsburgerinnen gehörten zu 16 550 Zuschauern im Stadion und orientierten ihre Beobachtungen vor allem an einer Leitfrage: Wie fühlt es sich an, hier vor so einer Kulisse zu spielen?

Für die zwei deutschen Fußballklubs - VfL Wolfsburg und FC Bayern - die es ins Viertelfinale der Champions League geschafft haben, stehen besondere Wochen an. Erstmals finden die Heimspiele beider Frauen-Teams in jenen großen Stadien statt, wo üblicherweise die Männer auftreten. Die Münchnerinnen spielen am Dienstag gegen Paris Saint-Germain, die Wolfsburgerinnen am Mittwoch kommender Woche gegen Arsenal WFC (beide 18.45 Uhr, Dazn).

Und wo man hinhörte, ständig kamen Fragen nach dem Ausmaß der Vorfreude auf, fast schon rhetorisch. Was sollten die Spielerinnen, Trainer und Funktionäre schon anderes antworten als: Enorm! "Es ist ein Traum, der in Erfüllung geht", sagte Bayerns Sarah Zadrazil im Vereinsmagazin. "Wir sind nach der deutschen Nationalmannschaft das erste Frauenteam, das hier spielen darf - und das soll nicht das letzte Mal sein." Aber es sind eben auch Erwartungen damit verbunden und nicht zuletzt die Möglichkeit einer gewissen Enttäuschung - je nach Blickwinkel.

Triple-Sieger Barcelona empfängt Real Madrid im Camp Nou, 85 000 Tickets sind verkauft worden

Denn die Messlatte liegt hoch. Im europäischen Klub-Fußball ragte hier bei den Frauen in der jüngeren Vergangenheit Spanien heraus, das im WM-Jahr 2019 Schlagzeilen machte. 48 000 Menschen kamen beispielsweise zur Ligapartie zwischen Athletic Bilbao und Atlético Madrid, mehr als 60 000 schauten sich das damalige Spitzenspiel Atlético gegen den FC Barcelona an. Das waren mehr als bei jedem anderen Klubduell im Frauenfußball in Europa. Die vorherige Bestmarke von 53 000 stammt aus dem Jahr 1920, als in England Dick Kerr's Ladies gegen Helen's Ladies kickten.

Das alles sind noch einzelne Highlight-Spiele, denen es an Regelmäßigkeit fehlt, deren Wirkung nach außen und innen jedoch nicht unterschätzt werden sollte. Und schon bald dürfte es einen neuen Rekord geben: Triple-Sieger Barcelona empfängt zum Viertelfinal-Rückspiel der Champions League am 30. März Real Madrid im Camp Nou, 85 000 Tickets sind verkauft worden. Beim Finale 2012 zwischen dem 1. FFC Frankfurt und Olympique Lyon im Münchner Olympiastadion kamen 50 212 Zuschauer - in der Königsklasse bisher die geltende Benchmark.

Champions League: In der Bundesliga liegen die Münchnerinnen um Jovana Damnjanovic (vorne) und Sarah Zadrazil derzeit auf Platz zwei - einen Punkt hinter dem VfL Wolfsburg.

In der Bundesliga liegen die Münchnerinnen um Jovana Damnjanovic (vorne) und Sarah Zadrazil derzeit auf Platz zwei - einen Punkt hinter dem VfL Wolfsburg.

(Foto: Sven Beyrich/Sports Press Photo/Imago)

Von solchen Zahlen sind die beiden deutschen Vereine aktuell noch entfernt. Bis Montag hatte der VfL um die 6000 Karten verkauft, der FC Bayern kam einen Tag vor Anpfiff auf mehr als 11 000 Tickets. Beim Spiel der Männer gegen Union Berlin vergangenen Samstag konnten 35 000 von 75 000 Plätzen angesichts der Corona-Maßnahmen belegt werden. An dieser Obergrenze dürfte das Champions-League-Viertelfinale der Frauen in der verbleibenden Zeit mit seinen Ticketverkäufen nicht mehr kratzen. Für die Verantwortlichen in München und Wolfsburg ist das zumindest offiziell allerdings gar nicht das entscheidende Kriterium.

"Es geht uns am Ende des Tages gar nicht so sehr darum, wie viele Zuschauer wir ins Stadion kriegen. Es geht darum, eine gewisse Haltung zu zeigen", sagt Bianca Rech, Sportliche Leiterin der Bayern-Frauen. "Wir freuen uns über jeden Zuschauer, der kommt. Aber einen Maßstab zu setzen, wie jetzt Barcelona, ist, glaube ich, der falsche Weg." Es sei viel wichtiger, dass dieser Schritt in die Arena überhaupt gegangen werde: "Es wirkt anders, es wirkt auch für die Spielerinnen anders. Es ist ein anderes Erlebnis für alle Beteiligten."

2011 bei der WM in Deutschland, sagt Bianca Rech, sei eine Chance verpasst worden, "diesen Hype mitzunehmen"

Bei all dem geht es aus deutscher Sicht letztlich auch darum, sich zu positionieren. Denn es spielt auch eine Rolle, dass andere Ligen und die Teams mancher Lizenzklubs inzwischen teils deutlich mehr investieren, als es in der einst führenden Bundesliga der Fall ist. Partien der Super League in England beispielsweise - die als einzige Frauenfußball-Profiliga Europas gilt - haben eine andere öffentliche Präsenz und aufgrund anderer Zulassungskriterien und eines lukrativen Fernsehvertrags andere Rahmenbedingungen.

Champions League: Erfolgreich im Abschluss: Die Wolfsburgerin Tabea Waßmuth (links) führt vor dem Viertelfinale die Liste der Torjägerinnen in der Champions League an, sie hat acht mal in sechs Partien getroffen.

Erfolgreich im Abschluss: Die Wolfsburgerin Tabea Waßmuth (links) führt vor dem Viertelfinale die Liste der Torjägerinnen in der Champions League an, sie hat acht mal in sechs Partien getroffen.

(Foto: Memmler/Eibner/Imago)

Die Bundesliga sei sportlich noch immer stark, findet Rech, aber nach der WM 2011 in Deutschland sei eine Chance verpasst worden, "diesen Hype mitzunehmen und die Strukturen dafür zu verändern", es gebe viele Themen, "da drehen wir uns einfach im Kreis". Genau das versucht England nun anders zu machen - im Juli findet dort die Europameisterschaft statt.

In der Pressemitteilung zum Arena-Umzug sprach Oliver Kahn, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern, von einem "Meilenstein in der über 50-jährigen Geschichte" der Abteilung. Das sei jene Bühne, die das Team von Trainer Jens Scheuer verdient habe. Da stellt sich allerdings die Frage: Warum nicht schon früher? Gelegenheiten hätte es schon vor der Pandemie gegeben: 2019 beispielsweise im Halbfinale der Königsklasse gegen Barcelona.

Beim Hinspiel war das Campus-Stadion mit 2500 Zuschauern ausverkauft, in Spanien kamen mehr als 12 000 Besucher. Vor fünf Jahren, als die Münchnerinnen ebenfalls im Viertelfinale auf PSG trafen, sahen 7300 im Grünwalder Stadion zu. "Wir haben schon länger im Verein diskutiert, wann wohl der richtige Zeitpunkt ist. Es war immer ein Thema", sagt Rech. Widerstand habe es keinen gegeben, vielmehr organisatorischen Klärungsbedarf.

In München ist der Arena-Umzug eine Premiere, in Wolfsburg gibt es bereits Erfahrung. 2013 absolvierten die Fußballerinnen das Halbfinal-Rückspiel der Champions League in der VW-Arena, zogen ins Finale ein und gewannen das Triple. Auch danach fanden Partien im großen Stadion statt. Dass es nun wieder so weit ist, geschehe "auf ausdrücklichen Wunsch der Mannschaft", sagt Sportchef Ralf Kellermann, und sei außerdem "verdienter Lohn und Wertschätzung". VfL-Geschäftsführer Dr. Tim Schumacher hatte im Vorfeld betont: "Der VfL Wolfsburg will damit auch ein Zeichen setzen, unabhängig von der pandemiebedingt nur schwer zu kalkulierenden Zuschauerzahl." Es ist also auch viel von Anerkennung die Rede gewesen. Und die hat ja am Ende nicht allein damit zu tun, ob neue Zuschauerrekorde aufgestellt werden.

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