Champions League: FC Bayern:Van Gaal vermisst das Gehirn

Kurz vor Schluss und mit Hilfe des Schiedsrichters sichern die Bayern das 2:1 gegen Florenz. "Bayern-Dusel"? "Bayern-Bonus"? Nicht ganz.

J. Aumüller

Der Zorn der Gäste war immens - und er war in Teilen durchaus berechtigt. Ich "finde es peinlich, in einem Achtelfinale der Champions League solche Sachen zu sehen", fauchte Riccardo Montolivo, Kapitän des AC Florenz, nach der 1:2 (0:1)-Niederlage seiner Mannschaft beim FC Bayern. "Solche Sachen", damit meinte Montolivo zum einen die Szene in der 73. Minute, als beim Stand von 1:1 sein Mitspieler Massimo Gobbi den Ellenbogen gegen Arjen Robben einsetzte und die rote Karte bekam für etwas, was nach Meinung des Italieners nur Gelb war. Und vor allem meinte Montolivo den 2:1-Siegtreffer der Bayern in der 89. Minute, bei dem Torschütze Miroslav Klose ganz deutlich im Abseits stand und die Zuschauer im Stadion höchstens diskutieren durften, ob es nun 90 Zentimeter oder drei Meter waren.

Ribery, Robben, AFP

Die Münchner Kreativlinge Franck Ribéry und Arjen Robben hatten ansehnliche Momente. Beide riefen aber nicht ihre Top-Leistung ab.

(Foto: Foto: AFP)

Ein kurz vor Schluss mit Hilfe eines Schiedsrichter-Fehlers erfolgter 2:1-Sieg - wer will, kann da natürlich wieder die Vokabeln "Bayern-Bonus" respektive "Bayern-Dusel" auspacken, die in abgeschwächter Form sogar die Münchner Verantwortlichen verwendeten. "Klar ist es ein glücklicher Sieg, wenn man durch so ein Tor gewinnt", sagte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Wer aber die 90 Minuten nicht auf diesen einen Moment reduzieren will, der stößt auf eine interessante und vielfältige Gemengelage, in der "Bayern-Bonus" und "Bayern-Dusel" nicht mehr die treffenden Begriffe sind.

Denn bei diesem 2:1 gegen jene taktisch diszipliniert agierende Mannschaft, die eine Vorrundengruppe mit dem FC Liverpool und Olympique Lyon als Erster beendete, waren die Münchner über weite Strecken das bessere Team, erarbeiteten sie sich ein deutliches Chancenplus und ergaben sich für Florenz außer dem aus einem Eckball resultierenden Gegentreffer kaum Tormöglichkeiten. Nie kam bei den 66.000 Zuschauern in der Arena das Gefühl auf, dass die Elf von Louis van Gaal diese Partie verlieren könnte - aber dennoch mussten sich die Akteure nach dem Abpfiff viele kritische Stimmen anhören. Von den Medien, von den Experten, aber auch von sich selbst. "Wir haben nicht gut gespielt", sagten von Mark van Bommel bis Bastian Schweinsteiger alle Spieler.

Zu viele Fehlpässe und leichte Ballverluste

Dieses 2:1 war zudem eine Partie, in der die Münchner Kreativlinge Franck Ribéry und Arjen Robben immer wieder ansehnliche Momente hatten. Der Franzose erarbeitete sich eine sehenswerte Schusschance, holte den Elfmeter zum 1:0 heraus und zeigte zwei, drei nette Anspiele; der Niederländer dribbelte mehrere Mal der Florenz-Abwehr davon, hatte einige gute Torszenen und verwandelte mit unglaublicher Sicherheit und Präzision den Strafstoß. Beide riefen sicher nicht ihre Top-Leistung ab, Robben noch ein bisschen mehr als Ribéry, beide blieben oft am Gegner hängen, aber immerhin ging es gegen eine Abwehr, die gegen die Offensivreihen der europäischen Spitzenmannschaften Lyon und Liverpool in zusammengerechnet 360 Minuten lediglich zwei Treffer kassierte - aber dennoch mussten sich Robben und Ribéry viel Kritik anhören.

Selbstverständlich haben die Bayern in der jüngeren Vergangenheit bessere Spiele gezeigt als das gegen Florenz, deutlich bessere sogar. In der Anfangsphase leisteten sie sich zu viele Fehlpässe und leichte Ballverluste, weil die Mannschaft "zu hektisch" spielte (Angreifer Miroslav Klose) beziehungsweise von der Qualität des Gegner "etwas überrascht" war (Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge).

Danach fielen die Aussetzer der Innenverteidiger van Buyten und Demichelis, das oftmals zu große Loch zwischen den Sechsern van Bommel/Schweinsteiger und der Abwehrreihe, die fehlenden beziehungsweise unpräzise ausgeführten Versuche, das Spielgeschehen zu verlagern, sowie die Einfallslosigkeit im Kampf gegen das massiert stehende Florenz-Bollwerk, negativ auf. "Florenz hat taktisch sehr gut gespielt und sein System geändert, und diese neue Situation haben wir nicht mit dem Gehirn gelöst. Das ist enttäuschend", sagte Trainer Louis van Gaal, der mal wieder ein gutes Gespür besessen hatte, indem er in der 65. Minute sowohl den Siegtorschützen Klose als auch den Vorlagengeber Ivica Olic einwechselte, und der mal wieder für eine personelle Überraschung sorgte, als er in der Halbzeitpause für den angeschlagenen van Buyten den unerfahrenen Diego Contento brachte.

Doch diese Schwächen und die grobe Fehlentscheidung des Unparteiischen änderten nichts daran, dass der Sieg der Münchner unterm Strich verdient war. Und dass danach sowohl die Beobachter wie auch die Spieler die kritischen Momente so sehr betonten, hängt vielleicht auch mit den gestiegenen Erwartungen und dem gestiegenen Selbstbewusstsein zusammen.

Wie froh wäre man noch im September oder Oktober des vergangenen Jahres über solch ein Spiel gewesen? Doch nach so vielen starken Auftritten und nach so vielen Pflichtspielsagen in Serie - der Triumph gegen Florenz war bereits der 13. - sind die Maßstäbe natürlich andere. Und daher müssen die Münchner damit leben, dass ihnen zugleich eine lediglich schwache bis durchwachsene Leistung wie ein verdienter Sieg bescheinigt werden - ein auf Champions-League-Achtelfinal-Niveau doch ziemlich seltenes Fazit.

Im Video: Bayern-Stars selbstkritisch, sprechen aber von einer besseren Ausgangssituation für das Rückspiel in Florenz.

Weitere Videos finden Sie hier

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: