Champions League: FC Bayern:Über Wembley nach Fröttmaning

Die Champions League soll der durchwachsenen Saison des FC Bayern einen Sinn geben - vor allem deshalb, weil auch die Personalplanung des Vereins davon abhängt.

Moritz Kielbassa

Der Sauerstoff war knapp im fensterlosen Medienraum des FC Bayern: 73 Reporter und elf Kamerateams drängten sich hinein, als werde ein neuer Trainer präsentiert. Es kam: Louis van Gaal, frohgemut - zum üblichen verbalen Geplänkel vor dem Heimspiel gegen den FC Basel am Mittwoch. In dem es - ja, worum eigentlich noch geht? "Um viel Geld", betonte Bastian Schweinsteiger mit Blick auf die satten Prämien in der Champions League.

102978556

Eine der zentralen Fragen der Personalplanungen des FC Bayern: Kann Bastian Schweinsteiger langfristig an den Verein gebunden werden?

(Foto: AFP)

Für lange verletzte Bayern (Ribéry, van Bommel, Breno) ist das Spiel wichtig, und, klar, Wiedergutmachung ist angesagt für das 0:2 auf Schalke. Van Gaal forderte daher noch vier Pflichtspiel-Siege 2010, er sei nämlich "auch ein Weihnachts-Biest", das gute Laune haben wolle beim Fest der Liebe. Dennoch legte er Wert auf den Hinweis, am Mittwoch zu gewinnen, sei ausnahmsweise "nur ein Soll, kein Muss".

Nein, dieser 8. Dezember 2010 wird für den FC Bayern kein magischer Tag werden wie der 8. Dezember 2009. Denn es geht den Münchnern in der Champions League viel, viel besser als vor 365 Tagen. Damals drohte das Vorrunden-Aus, diesmal tänzelte man mühelos durch die Gruppe E, Platz eins ist vorzeitig sicher. Das Basel-Spiel findet daher frei von Druck und Gefahren statt. Aber eben auch: ohne Sternstunden-Potential.

Erinnerungen an Turin

Nicht mal ein Schützenfest gegen den Schweizer Meister hätte ähnliche Symbolkraft wie jenes 4:1 am 8.12.2009 bei Juventus Turin, das zum Erweckungserlebnis wurde für eine zuvor suchende, wägende, unsichere Mannschaft. Der italienische Winterabend setzte Berge in Bewegung, nach zähem Start unter van Gaal ging es ab Turin aufwärts. Ein solcher Impuls täte jetzt wieder gut, da die Bayern auf Platz sieben der Bundesliga liegen, laut Präambel der Klubsatzung sechs Plätze schlechter als erlaubt - und so weit hinter Dortmund, dass sogar radikale Optimisten den Titel abschreiben.

Doch große Befreiungsschläge sind nicht beliebig wiederholbar, manchmal müssen es kleine Wendemanöver sein. Der junge Torwart Thomas Kraft sagt daher: "Ein Sieg am Mittwoch wäre wichtig, einfach, um wieder ein gutes Gefühl zu bekommen." Der 22-Jährige spielt gegen Basel, nach dem Einsatz in Rom (2:3) ist es seine zweite internationale Eignungsprüfung, van Gaal nennt es "scholing", Schulung. Ob Kraft, dessen Talent bereits den Trainern Magath und Klinsmann auffiel, eine echte Perspektive hat als Kronprinz von Jörg Butt, hängt stark davon ab, ob Schalkes Manuel Neuer kommt. Und den wiederum dürfte brennend interessieren, welche Wettbewerbe der FC Bayern 2011/2012 erreicht.

Bastian Schweinsteiger interessiert das nicht minder, er soll demnächst einen Vertrag bis 2016 abzeichnen. Bei der Mitgliederversammlung umgarnte ihn zuletzt Präsident Hoeneß mit einer flammende Rede. Nein, sagte Schweinsteiger nun, das beeinflusse seine Entscheidung nicht, denn so "schön" der Beifall in der Halle gewesen sei, so "weh" taten ihm die Pfiffe der Fans am selben Ort ein Jahr zuvor: "Ich kann das alles einschätzen." Zentraler sind die sportlichen Aussichten. Wie van Gaal, der sich an Barcelona, nicht an Dortmund orientiert, und wie alle in der Familie FC Bayern hat auch der Führungsspieler Schweinsteiger die Sehnsucht, dass das, was 2009 begann, zu einem neuen europäischen Erfolgszyklus des Vereins führt. Über Jahre.

Champions League als Mindestziel

Manager Nerlinger wettete soeben um 10.000 Euro, dass die Bayern trotz aller Unpässlichkeiten noch Platz zwei in der Liga schaffen werden. Die Zulassung zur Champions League ist das Mindestziel, und in dieser Saison könnte die Sternenliga sogar Bayerns Bilanzen retten. Dürftig in Deutschland, super in Europa - dieser Widerspruch wäre historisch nicht neu. Um die aktuelle Tabellenmisere zu entschärfen, bemüht van Gaal ja gerne den Vergleich zu 1974/75, als die Bayern mit vielen WM-Helden nur Bundesliga- Zehnter wurden; dass sie damals aber nebenbei den Europapokal der Landesmeister verteidigten, erwähnt er nicht.

Klubchef Rummenigge möchte "auch in diesem Jahr in der Champions League für Furore sorgen". Immerhin ist es erst wenige Monate her, dass der Henkelpott im Finale abholbereit auf der Tribüne stand. Peinlich wäre, just 2011/12 in Europas Bestenliga zu fehlen, wenn das Finale in Fröttmaning stattfindet. Passiert nicht, sagt Nerlinger - und ergänzt demonstrativ: "Ich würde gerne schon das Endspiel 2011 in Wembley gewinnen."

Weniger Fehler machen

So mischen sich derzeit interne Friedenskundgebungen und externe Kampfansagen. Van Gaals Analysen sind weiter mild: "Weniger Chancen verpatzen und weniger individuelle Fehler machen", so einfach sei das Rezept. Tiefere Deutungen zur nationalen Ergebniskrise weist der Trainer zurück: "Unsere Spielweise ist konstant. Und ich höre: Vor dem Tor fehlt der letzte Tick Willen - das stimmt nicht!" Auch Schweinsteiger beschwichtigt: "Viele Spiele liefen unglücklich, nur Mainz war bisher besser als wir." Nach Rückständen allerdings müsse man "wieder mehr Biss zeigen", das schon.

Am Ende des Geplauders ließ Schweinsteiger dann noch den interessanten Satz fallen: Ja, er könnte sich vorstellen, dass Basels Coach Thorsten Fink, der einst sein Teamkollege war, "irgendwann Trainer bei Bayern wird". Einer der 73 Reporter sprach van Gaal darauf an: "Wenn Sie das wollen, kann ich ja gehen", sagte der. Großes Gelächter.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: