FC Bayern gegen Tottenham:Wenn Flick redet, ist die Krise weit weg

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Erlebt gerade die bislang anspruchvollsten Tage als Trainer des FC Bayern: Hansi Flick. (Foto: Christof Stache/AFP)
  • Die Bayern treffen zum Abschluss der Champions-League-Gruppenphase auf Tottenham - tabellarisch ist das Spiel wertlos.
  • Für die Münchner und Trainer Hansi Flick geht es aber darum, gegen den Londoner Klub ihre Ergebniskrise zu beenden.
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Von Benedikt Warmbrunn, München

Sechs Klubs stehen in der Bundesliga vor dem FC Bayern, zu Platz eins fehlen sieben Punkte, vier von 14 Spielen hat das Team verloren. Das alles wäre aber vielleicht verkraftbar, wenn nicht auch noch ein paar Gewissheiten verloren gegangen wären. So haben es die Menschen in diesem Klub immer als selbstverständlich betrachtet, dass Thomas Müller auf einem Fußballplatz ganz eigene Wege geht, den Raumdeuter nennen sie ihn. Manchmal verschwindet er dabei auch für ein paar Minuten oder gar Wochen - bis er plötzlich wieder auftaucht, und schon schießt der FC Bayern ein Tor. Ungeklärt, obwohl nicht unwahrscheinlich, war bislang nur, ob Müller manchmal nicht nur aus einem Versteck des Raumes, sondern auch aus einem Versteck der Zeiten, also aus der Vergangenheit oder gar aus der Zukunft auftaucht. Diese taktische Option hat der FC Bayern am Dienstagmittag verloren.

"Der nächste Ball ist der wichtigste", sagte Müller ganz in der Gegenwart verankert, "den letzten Ball kann ich nicht nachträglich reinschießen."

An diesem Mittwoch (21 Uhr) empfängt der FC Bayern Tottenham Hotspur; rein tabellarisch geht es in dieser Partie um nichts, München steht als Gruppenerster fest, Tottenham als Zweiter. Für den Gastgeber ist es dennoch eine Partie mit gewaltiger Bedeutung. Ein Sieg, und der FC Bayern hätte als erster deutscher Klub alle sechs Gruppenspiele in der Champions League gewonnen, und er hätte vor allem die Ergebniskrise beendet. Ein Remis oder eine Niederlage aber, und der FC Bayern steckt wieder so tief in der Krise wie in den letzten Tagen des Trainers Niko Kovac, nicht mal eineinhalb Monate ist das her.

Flick redet über das, was er beurteilen kann

Es ist daher, auf den ersten Blick, alarmierend, dass Müller über das spricht, was auch in den letzten Wochen unter Kovac ein großes Thema war: die vergebenen Torchancen. Auf den zweiten Blick wird die Krise aber dadurch entschärft, dass nun Hansi Flick die Mannschaft trainiert.

Zwei Ligaspiele in Serie hat die Mannschaft verloren, auf ein sehr unglückliches 1:2 gegen Leverkusen folgte am Wochenende ein 1:2 in Mönchengladbach, in beiden Spielen hatten die Bayern genügend Chancen für einen Sieg - gegen Gladbach kamen allerdings ein paar Dinge hinzu, die nicht alleine auf den gegnerischen Strafraum beschränkt waren. Zum Beispiel, warum die Mannschaft nach der Führung nicht weiter zielstrebig nach vorne gespielt hat, und warum ein Gegentor gereicht hat, um ihr die Sicherheit zu nehmen. Dinge also, die auch Trainer beeinflussen können, im Fußballdeutsch heißt es dann: Dinge, die ein Trainer moderieren kann.

In seinen bislang anspruchsvollsten Tagen als Cheftrainer hat Flick sich dafür entschieden, weiter über das zu reden, was er gut beurteilen kann. Er lässt sich also nicht von der allgemeinen Hysterie erfassen, sondern er spricht über das, worüber er am liebsten spricht: über Fußball. Was auf dem Fußballplatz passiert, ist für ihn weiterhin die Grundlage seiner Arbeit. Am Dienstag erinnerte er daher an die ersten vier Spiele unter ihm, mit vier Siegen und 16:0 Toren. Flick sagte: "Ich bin davor auch nicht ausgeflippt oder habe zu arg gejubelt. Wir erwarten als Trainerteam einfach, dass die Mannschaft so weiterspielt wie in den vergangenen Spielen." Doch zu den Analysen dessen, was er gesehen hat, gehört auch, dass er angedeutet hat, eine eigene Maßnahme zu korrigieren.

In den ersten Spielen unter Flick hatte Joshua Kimmich im defensiven Mittelfeld das Spiel strukturiert, gegen Gladbach stellte ihn der Trainer als rechten Verteidiger auf. Er habe gewusst, sagte Flick am Dienstag, wie Gladbach den Münchner Spielaufbau attackieren werde: vor allem auf den Außenverteidiger-Positionen. Durch Kimmich habe er sich da "die eine oder andere Option mehr" erhofft. Flick aber ergänzte: Seit er den FC Bayern trainiere, habe Kimmich es "hervorragend auf der Sechs" gemacht: "Er ist einer, der sehr viel antizipiert, der immer weiß, was um ihn herum passiert, der sehr wachsam ist, der Angriffe einleiten kann." So spricht ein Trainer, der verstanden hat, was seine Mannschaft braucht. Und ein Trainer, der eine Krise so moderiert, wie es seinem Trainernaturell entspricht: sachlich und ruhig.

Wenn Flick seine Mannschaft analysiert, ganz ruhig und sachlich, ist eine mögliche Krise also weit weg. Es ist daher nicht ganz verkehrt, dass er selbst daran erinnert hat, dass es "eine andere Situation" ist: "Wir brauchen Ergebnisse." Müller sagte, die Mannschaft wolle gegen Tottenham auch gewinnen, um sich "wieder das Gefühl zu holen, wie es sich anfühlt zu gewinnen". Was zurück zu dem Gefühl führt, wie es sich anfühlt, ein Tor zu schießen.

Für Müller fängt der Weg zu einer verbesserten Torquote bei Müller an. Gegen Leverkusen und Gladbach hat Robert Lewandowski nicht getroffen - ob er eine zu große Abhängigkeit sehe? "Wenn wir die letzten zwei Spiele nehmen, dann lässt sich das mit Sicherheit feststellen. Diese Tore haben uns natürlich gefehlt." Für Müller wäre es daher hilfreich, "wenn wir noch mehr Optionen hätten". Eine dieser Optionen: dass Müller aus dem Nichts oder sonst woher auftaucht und ein Tor schießt. Er sagte: "Vielleicht muss der eine oder andere Spieler, also auch ich, selbst auch das Spiel verändern und wieder mehr in Richtung dieses Torschützenspiels gehen", also dahin, selbst mehr Tore zu erzielen.

Und ob Müller dann von links oder von rechts, aus der Vergangenheit oder der Zukunft kommt, das dürfte ihm dann wohl relativ egal sein.

© SZ vom 11.12.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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