Champions League:Die Elite auf dem Prüfstand

Champions League: Sie haben doch nicht etwa … – doch, sie haben: im Champions-League-Rausch im Mai eine Plastikversion des Henkel-Pokals vom Teambus des FC Liverpool geschleudert.

Sie haben doch nicht etwa … – doch, sie haben: im Champions-League-Rausch im Mai eine Plastikversion des Henkel-Pokals vom Teambus des FC Liverpool geschleudert.

(Foto: Oli Scarff/AFP)
  • Am Donnerstag wird die Gruppenphase der Champions League ausgelost, mit allem, was die europäische Elite zu bieten hat.
  • Aber ist diese Elite bereit für das Turnier, über welches sie sich mehr denn je definiert?
  • Die wichtigsten Vereine der Top-Ligen im Vorbereitungs-Vergleich.

Von Javier Cáceres, Klaus Hoeltzenbein, Christof Kneer und Benedikt Warmbrunn

Vor fast genau fünf Jahren absolvierte Xabi Alonso, damals 32, noch eine Trainingseinheit bei Real Madrid, dann stieg er in ein Flugzeug, das ihn wenig später am Mittelkreis der Schalker Fußballarena absetzte. Okay, ganz so direkt war der Reiseweg nicht, aber es lagen nur 48 Stunden zwischen Alonsos letztem Training in Madrid und seinem ersten Einsatz für den FC Bayern. Die Fachmagazine protokollierten einen seriösen ersten Auftritt, Alonso kam in seinen ersten 68 Minuten für die Bayern auf 88 Ballkontakte, denen er weitere 8,88 Millionen folgen ließ. Fünf Jahre später wird der Brasilianer Coutinho, 27, nun am Samstagabend nicht gleich am Schalker Mittelkreis erwartet, Bayern-Trainer Kovac wird seinen neuen Spieler erst mal auf die Bank setzen. Von dort wird Coutinho beobachten, welches Niveau seine neuen Kollegen haben. Keine Fernsehkamera wird Coutinhos Denkblasen sichtbar machen können, aber vermutlich wird in einer von ihnen stehen: Kann ich, Coutinho, mit dieser Mannschaft nicht nur gegen Schalke gewinnen, sondern auch gegen Barcelona, Madrid oder Liverpool?

Am Donnerstag wird die Gruppenphase der Champions League ausgelost, es ist jener Wettbewerb, über den sich die Größen der Branche mehr denn je definieren. Sind die großen Namen überhaupt schon bereit für diesen großen Wettbewerb? Sind ihre Kader schon fertig gebaut, wo gibt es noch Baustellen? Ein Rundgang durch die Luxusresorts des europäischen Fußballs.

England

Blöd für den FC Liverpool, dass die alte Saison schon im Mai zu Ende ging. Und nicht erst jetzt, Ende August. Ein mickriges Pünktchen hinter Manchester City kamen die Reds damals als Zweite ins Ziel, doch heute, kurz vor Spieltag drei der neuen Premier-League-Saison, liegen sie schon zwei Punkte voraus. Die Elf von Jürgen Klopp, hat man den Eindruck, macht einfach weiter wie bisher. An jenem Team, das im Insulaner-Duell gegen Tottenham Hotspur die Champions League 2019 gewann, wurde nichts geändert, knausrige 1,9 Millionen Euro wurden in den Transfermarkt gesteckt, stattdessen die Verträge mit der schnittigsten Offensivreihe des Planeten (Salah, Firmino, Mané) bis 2023 fixiert. Eine Politik, die im Kontrast zum Rest der Liga steht.

Champions League: Sadio Mané feiert einen Treffer mit seinen Kollegen Mohamed Salah und Roberto Firmino.

Sadio Mané feiert einen Treffer mit seinen Kollegen Mohamed Salah und Roberto Firmino.

(Foto: AFP)

Kurz bevor sich Ende Oktober die stahlharten Brexit-Tore schließen sollen, präsentierte sich England noch einmal im Kaufrausch - für 1,41 Milliarden Pfund ging Spielerware über den Tisch. Auch Klopps Rivale Pep Guardiola kaufte für sein Meisterteam teuer, aber zielgerichtet ein: Die Defensivkräfte Rodrigo (70 Millionen/Atlético Madrid) und Joao Cancelo (65 Millionen/Juventus Turin) sollen das Offensivspektakel der Himmelblauen, der Skyblues, absichern, besonders international, denn Guardiola hat seit seiner Messi-Zeit in Barcelona das Finale der Champions nicht mehr erreicht. Man hat das Gefühl, die Streber von der Insel sind bereit und könnten sich sogar mit einem Tausch anfreunden: Wenn die Meisterschaft nach 1990 doch mal wieder an Liverpool ginge und Europas Henkelpott erstmals an ManCity, dann wäre das für beide auch okay.

Niederlande

Frenkie de Jong: für 75 Millionen Euro zum FC Barcelona. Matthijs de Ligt: für 75 Millionen zu Juventus Turin. Ajax Amsterdam ist ohne seine großen Talente jetzt wieder das, was die Mannschaft vorher war: Außenseiter. Im Mai hatte das Team das Finale der Champions erst in letzter Sekunde gegen Tottenham verpasst. Ajax im Frühjahr 2019 - das war die Hoffnung, dass Underdogs es in Europa doch noch zu was bringen können. Wie 2004, als es mal ein Finale Porto gegen Monaco gab (3:0; Trainer Mourinho). Aber Außenseiter wecken Begehrlichkeiten, die besten Spieler gehen, das Wichtigste jedoch hat Ajax behalten: eine erfrischende Spielidee. Mit der müssen sie sich gerade für die Champions League erst wieder qualifizieren - das Hinspiel in Nikosia, Zypern, endete 0:0.

Italien

Liegt es an den Zigaretten? Jedenfalls verpasst Dauerqualmer Maurizio Sarri den Saisonstart. Lungenentzündung. Zurück vom Intermezzo beim FC Chelsea sieht es so aus, als könne sich der Trainer von Juventus Turin die Absenz sogar leisten: Ronaldo, 34, zickt gerade nicht, Buffon, 41, strebt zurück ins Tor, von Ajax wurde teuer de Ligt, 20, geholt, zwei Deutsche (Khedira, Can) blieben im Piemont. Für Juves Kader gilt, ganz im Geiste des Trapattoni: Habe fertig!

Deutschland, Spanien, Frankreich

Beim FC Bayern haben sie sich einiges anhören müssen in der Sommerpause. Wann kommt Sané? Was ist mit Werner? Und dieser Hudson-Ja-mei oder wie der heißt aus Chelsea, wollten die den nicht auch? Wo sind überhaupt die ganzen geheimen Kracher, von denen Uli Hoeneß mal behauptet hat, man habe die schon sicher? Und Perisic? Okay, der hat 'ne coole WM gespielt - aber reicht das?

Aber die Bayern wissen schon noch, wie's geht: Mit einem Startransfer Marke Coutinho haben sie die Deutungshoheit ganz nach Art des Hauses wieder an sich gerissen. Tatsächlich haben die Bayern die individuelle Qualität im Kader mit diesem Transfer krass erhöht, aber ob die Architektur dieses Kaders höchsten Aufgaben genügt, ist offen. Wer stürmt, wenn es Lewandowski zwickt? Wer stärkt die Abwehrkräfte auf der Sechserposition? Wer erklärt den Kollegen auf dem Rasen das Spiel, so wie einst die großen Xabi Alonso oder Philipp Lahm? Und muss für Coutinho jetzt nicht das System gewechselt und doch mit einem Zehner gespielt werden? Im Grunde beginnt die Vorbereitung für den FC Bayern jetzt noch mal aufs Neue, anders als bei den Champions-League-Startern aus Dortmund, Leipzig und Leverkusen, die - auf unterschiedlichen Niveaustufen - zumindest schon eingespielt wirken. Bei Leipzig, übrigens, spielt dieser Werner.

Spanien

Es gibt schlimmere Jobs, als Trainer bei Real Madrid zu sein. Beneiden möchte man Zinédine Zidane, 47, dennoch nicht. Zidane war im Frühjahr nach halbjähriger Auszeit und zuvor drei Champions-League-Titeln in Serie zu Real zurückgekehrt. Damals dachte er, dass er das Sagen haben werde. Die Realität sieht anders aus, bei Real regiert nur einer: Florentino Pérez, 72, der Präsident. Zidane hatte einst den Kolumbianer James ausgebootet und zur Leihe zum FC Bayern geschickt - nun kam James zurück und hat Aussichten zu bleiben. In diesem Sommer wies Zidane Gareth Bale die Tür ("Je eher, desto besser"); der walisische Stürmer blieb trotzdem.

Zidane Bale

Gareth Bale und Zinedine Zidane beim gemeinsamen Training.

(Foto: Darko Vojinovic/AP)

Zidane forderte die Verpflichtung seines französischen Landsmanns Paul Pogba. Doch der kickt weiter bei Manchester United, weil Pérez fand, dass Pogba der Glamourfaktor fehle. Den wiederum hat ein Spieler, den Zidane auf keinen Fall wollte: Neymar von Paris Saint-Germain. Derzeit stehen die Chancen nicht so schlecht, dass der Brasilianer zu Real kommt - für die selbe Position, für die der Belgier Eden Hazard für mehr als 100 Millionen vom FC Chelsea verpflichtet wurde. Und der 60-Millionen-Einkauf Luka Jovic, der von Eintracht Frankfurt kam? Dürfte wieder ausgeliehen werden. Zwar favorisiert Neymar selbst den FC Barcelona, wo Lionel Messi auf ihn wartet, die Katalanen aber sind knapp bei Kasse. Schon für den Einkauf von Antoine Griezmann (120 Millionen Euro) wurden die Banken angezapft. Spanien ist die Transferbaustelle Europas. Wer davon profitiert? Womöglich Atlético Madrid, das sich für 126 Millionen Euro das Sturmtalent Joao Félix von Benfica Lissabon sichern konnte. Merke: Wenn zwei sich streiten, freut sich oft der Dritte.

Frankreich

Wenn Paris Saint-Germain die Champions League gewänne: Hätte dann ein Favorit oder ein Außenseiter gewonnen? Vermutlich beides. Es wäre ein Favoritensieg, weil die Mannschaft seit Jahren und mit monströsem Geldeinsatz auf diesen Titel hingetunt wird; es wäre aber auch ein Außenseitersieg, weil es bisher eben nie geklappt hat - und weil man immer das Gefühl hat, dass das Geld für Stars wie Mbappé und Neymar reicht, nicht aber für eine seriöse Mannschaft. Die Frage lautet nun: Was passiert, wenn Neymar geht? Fehlt dann entscheidende Qualität oder entfaltet sich endlich ein Team? Trainer Thomas Tuchel hat dieses Rätsel nicht zu verantworten, aber er muss es lösen. Angeblich läuft sich der Trainerkollege Allegri draußen vor der Stadt schon warm.

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