Nach 21 Spielminuten fiel das Tor, das die Bayern fürchten. Aus der Abwehr von Feyenoord Rotterdam kam ein langer Ball geflogen, er flog und flog und erreichte irgendwann den Luftraum über den Bayern-Verteidigern Min-jae Kim und Dayot Upamecano. Kim verschätzte sich beim Versuch, das Flugobjekt zu erwischen, Upamecano hatte keine Chance. Der Ball flog genau in den Lauf des mexikanischen Angreifers Santiago Gimenez, der den Ball gekonnt mitnahm und an Manuel Neuer vorbei ins Tor donnerte.
Man muss als gegnerischer Trainer kein Taktikgenie sein, um diesen Spielzug auszuknobeln, ganz Europa weiß inzwischen, dass die stets weit aufrückenden Bayern auf genau diese Weise verwundbar sind. So erlebte die vorletzte Vorrundenpartie der aktuellen Champions League bereits in der Anfangsphase jenen signature move, auf den die Bayern gar nicht stolz sind. Als Anfangsphase durfte man diese 21. Minute allemal bezeichnen, weil die Partie direkt nach Bayerns Anstoß für einige Minuten unterbrochen werden musste – in den Regen über Rotterdam waren diverse Feuerwerkskörper geknallt, die die Sicht komplett vernebelten. Es war also in keiner Hinsicht der Beginn, den sich die Bayern vorgestellt hatten, und das galt am Ende fürs ganze Spiel.
Mit 0:3 unterlagen stürmische, hoch überlegene, aber viel zu hektische Münchner einem gnadenlosen Gastgeber, was dem letzten Spieltag aus Bayern-Sicht tatsächlich Brisanz verleiht, auch wenn es nur gegen den Tabellen-35. aus Bratislava geht. Die Bayern werden einen Sieg brauchen und dann hoffen müssen, dass einige andere Mannschaften in dieser unübersichtlichen Tabelle so spielen, dass am Ende ein Platz unter den ersten Acht herausspringt. Der ist nötig, um direkt ins Achtelfinale einzuziehen und die Playoffs zu vermeiden. Im Moment sind die Bayern: Fünfzehnter. Wann waren sie das zuletzt?
Anfangs wirkte das Spiel der Münchner, als sei es eine Reminiszenz an den großen Louis van Gaal, zu sehen gab es Ballbesitzfußball der Zehnerjahre – kontrolliert, aber sehr breit und sehr quer. Gefährlich wurden die Bayern, sobald sie Tempo aufnahmen, zweimal scheiterte Kingsley Coman (28., 33.) am niederländischen Nationaltorwart Justin Bijlow, der sich in diesen Minuten warm parierte. Zehn Minuten später, nach einem trockenen Schuss von Harry Kane, rissen die Münchner fast schon die Arme zum Jubeln empor, aber wieder waren Bijlows Arme stärker.
Es war ein seltsames Spiel, das die Bayern in der ersten Hälfte ablieferten. Im Grunde fanden sie nie zu jenem konstant scharfen Rhythmus, mit dem sie die Gegner so oft überfordert haben. Anfangs spielten sie zu untertourig, dann plötzlich wechselten sie in einen Powerplay-Modus, den man normalerweise frühestens zehn Minuten vor Spielende aktiviert. Auch der wiedergenese Jamal Musiala schaffte es kaum, das Spiel der Bayern zu inspirieren, er ließ sich zu ein paar Gewaltdribblings hinreißen, mit denen er gar nicht erst zu Justin Bijlow vorstieß.

Und dann passierte es noch mal: Die Bayern entfachten so viel Druck, dass es am Ende wieder eine Einladung zum Kontern war. Feyenoord sauste kess durch Mitte, und als die hinterherhetzenden Münchner die Szene eigentlich schon geklärt hatten, unterlief dem soeben für den muskelgeplagten Alphonso Davies eingewechselten Raphael Guerreiro ein vollkommen unnötiges Foul. Den fälligen Elfmeter verwandelte Gimenez tief in der Nachspielzeit (45.+9), die wegen des Feuerwerks nötig geworden war.
Nach der Pause brachte Trainer Vincent Kompany den Offensivspieler Leroy Sané anstelle des Rechtsverteidigers Konrad Laimer, es war klar, was das bedeutete: Die Bayern rannten an. Kane scheiterte nach Musialas Vorlage an Bijlow (54.), der sich in eine immer unglaublichere Form steigerte: Auch Musialas Kopfball (59.) nach Kimmich-Flanke lenkte er mit einem Spitzenreflex über die Latte. Die Bayern waren nun wieder im Powerplay-Modus, Kompany ersetzte Kim durch Pavlovic und schickte Goretzka in die Abwehr, es ergaben sich Chancen im Minutentakt (Kane 68., Sané-Kopfball an den Pfosten, 70.). Aber der Einzige, der eine Torchance nutzte, war der Rotterdamer Ayase Ueda, der nach einem weiteren Konter zum 3:0 traf (89.). Damit haben die Bayern in der Vorrunde drei Auswärtsspiele verloren und nur eines gewonnen, gegen Donezk, auf Schalke.