FC Bayern in der Champions League:Krise abgehakt!

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Dann halt ohne Gegenwehr: Serge Gnabry (Mitte) feiert sein Tor mit Sadio Mané (links) und Leon Goretzka. (Foto: CHRISTOF STACHE/AFP)

Ach was, hat es überhaupt eine gegeben? Die Münchner schießen beim 5:0 über Viktoria Pilsen den nächsten laschen Sparrings-Partner aus dem Stadion. In der Liga wartet mit Dortmund nun aber ein anderes Kaliber.

Aus dem Stadion von Philipp Schneider

Julian Nagelsmann erwartete die Frage mit einem breiten Lächeln. Sie lag ja auf der Hand. Alles paletti wieder?

Vor einer Woche noch hatte sich der FC Bayern in einer angesichts seiner Klubhistorie tiefen Krise befunden, die es so seit 20 Jahren nicht gegeben hatte: Sagenhafte vier Spiele nacheinander hatten die Münchner in der Bundesliga nicht gewonnen. Aber nun, zwei Spiele später, nach insgesamt neun Toren und null Gegentoren, da flog die Welt wieder stabil durch den Orbit, nicht wahr? Aus Nagelsmanns Sicht war es ja so: Seine Mannschaft hatte schon vorher alles richtig gemacht und nur die Ergebnisse nicht geliefert. Und nun passten die Ergebnisse eben auch!

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Aus dem Stadion von Felix Haselsteiner

Erst gab es ein 4:0 gegen Bayer Leverkusen, dann soeben ein 5:0 gegen Viktoria Pilsen in der Champions League. Er sei rundum zufrieden, sagte Nagelsmann. Das Spiel heute sei natürlich schnell entschieden gewesen und danach "ein bisschen dahingeplätschert". Aber es sei auch so: "Mit Blick auf Samstag muss man auch nicht jeden Angriff zu Ende spielen." Krise abgehakt! Ach was, hatte es überhaupt eine gegeben?

"Das waren schon zwei Gegner, die uns haben machen lassen, was wir machen wollten", sagt Goretzka

Am Samstag spielen die Bayern in der Liga gegen Dortmund. Dann wird man sehen, wie hart der Punch der letzten zwei Sparrings-Partner war. "Das waren schon zwei Gegner, die uns haben machen lassen, was wir machen wollten", so umschrieb Leon Goretzka das Wellness-Programm, das den Bayern in Form von Leverkusen und Pilsen zugeführt worden war. Der Meister Tschechiens aus einer Stadt, die noch immer weniger für ihre vier Teilnahmen an der Champions League bekannt ist als als Schauplatz der Erfindung des ersten Bieres nach sogenannter Pilsner Art.

Wer hat's erfunden? Eine Frage, deren Antwort oft egal ist, solang es nur schmeckt. Eine Frage zudem, die sich nicht nur beim Reinheitsgebot stellt, sondern auch bei jenem defensiv-destruktiven Spielstil, der im Fußball so gerne von technisch und läuferisch unterlegenen Mannschaften angewandt wird gegen jene Teams, die den Ball mit Eleganz und Tempo kreisen lassen. Das Rezept, mit dem es zuletzt dem FC Augsburg gelungen war, mit viel Sockentreterei und nur einem Törchen die Münchner aus dem Swing zu bringen, wird den Scouts in Pilsen nicht verborgen geblieben sein. Nagelsmann hatte in Pilsens Offensivtruppe "Zielspieler ähnlich wie bei Augsburg" ausgemacht, die "ordentliche Kanten" seien.

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Von Felix Haselsteiner

Der Trainer, ordentliche Kanten hin oder her, ließ sich bei der Komposition seiner Aufstellung nicht von Furcht übermannen und nominierte zur Kompensation der Corona-Erkrankungen von Joshua Kimmich und Thomas Müller das in der Theorie offensivste defensive Mittelfeld. An der Seite des gerne in die sogenannte Box marschierenden Leon Goretzka durfte der zuletzt über zu wenig Einsatzzeit nörgelnde Sommerzugang Ryan Gravenberch wirken, der zumindest bei Ajax Amsterdam ebenfalls gerne Ausflüge in den Strafraum unternahm. Noussair Mazraoui rotierte als Rechtsverteidiger aufs Feld. Und Serge Gnabry, der das 2:0 beisteuerte, durfte erstmals in dieser Champions-League-Saison von Beginn an spielen, um sich ein bisschen Mut für die fußballerische Zukunft anzuschießen.

Man würde Gravenberch oder Gnabry gerne mit einer Schulnote bewerten. Allerdings ließen sie die Pilsener gar nicht erst eine Klausur schreiben.

Diesmal legen die Bayern zur Sicherheit drei Treffer in den ersten 20 Minuten vor

Der ordentlichen Kante, die auf den Namen Thomas Chory hört, warfen die Bayern gleich zur Begrüßung ihre größten Brecher entgegen: Matthijs de Ligt klärte eine Flanke, die Chory erreichen sollte. Es war der Versuch der Gäste, einen Fuß in diese Partie zu setzen. Doch ehe sie sich versahen, schlugen die Bayern die Tür vor ihrer Nase zu. Nagelsmann hatte zuletzt sehr oft auf den Zusammenhang hingewiesen, seiner Mannschaft sei ein frühes Tor sehr wichtig. Gegen Pilsen ging sie auf Nummer sicher und legte gleich drei Treffer in den ersten 20 Minuten vor.

In allen drei Fällen verhielt sich die Pilsener Hintermannschaft (also rund drei Viertel des Teams) so passiv, als würden sie angesichts der bekanntgewordenen Corona-Fälle im Team eine Art Hygieneabstand einhalten. Erst schoss Leroy Sané mit herrlicher Schusstechnik von der Strafraumkante ein (7.), dann zog Serge Gnabry im Herzen des Strafraums ab (13.). Wurde der erste Treffer noch mit einem Doppelpass mit Sanés Lieblingspartner Jamal Musiala eingeleitet, geschah der zweite nach einer Kombination durchs erstaunlich geräumte Zentrum.

Das Tor von Sadio Mané schließlich, der sich ohne Gegenwehr durch die Abwehrreihe tankte, sollte als Einmann-Kunstwerk in die Pilsener-Fußballanalen eingehen, das ihm auf diese Weise nicht gegen viele andere Mannschaften auf dem Planeten gelungen wäre. "Überrascht hat uns das nicht", analysierte Goretzka später: "Wir wussten: Die Kette schiebt bei Pilsen nicht nach und dann wird die rote Zone sehr groß."

Eine halbe Stunde war gespielt, da wurden die Zuschauer Zeugen eines seltenen Schauspiels. Nagelsmann stand wie eine Statue am Rande seiner Coachingzone, starrte in die Ferne. Er hatte tatsächlich beide Hände in den Hosentaschen versenkt, und sagen wir so: Sonderlich kalt war es nicht am Dienstagabend.

Choupo-Moting schießt ein Tor, wie es ein echter Neuner eben tut

Die überforderten Gäste reicherten ihr passives Spiel zunehmend mit Ungenauigkeit an. Innenverteidiger Lukas Hejda spielte einen Fehlpass, dessen Präzision andere Spieler gerne für ihre Vorlagen verwenden würden. Beinahe hätte Musiala noch vor der Pause erhöht, der Videoassistent ermittelte jedoch zu recht, dass Mané zuvor im Abseits gestanden hatte. Blöderweise mussten die Pilsener allerdings noch eine zweite Halbzeit durchleiden.

Wie sehr der Respekt der Bayern vor ihrem Gegner in der ersten Hälfte gelitten hatte, ließ sich daran erkennen, dass es Nagelsmann dem unersetzlichen Alphonso Davies erlaubte, die zweite zur Regeneration zu nutzen. Auch Musiala verabschiedete sich in den Feierabend. Was völlig okay war. Lukas Kalvach ließ sich ja sehr bald in der Vorwärtsbewegung von Gnabry den Ball vom Fuß stehlen. Mané fand Sané, Außenrist - das 4:0 (50.). Und wenn es schon mal so rund lief, blieb Zeit, um etwas aufzuführen, das selten geworden ist in der Arena in Fröttmaning seit dem Abschied von Robert Lewandowski: der echte Neuner Eric Maxim Choupo-Moting, eingewechselt für den regenerierenden Musiala, traf im Stile eines echten Neuners. Er zog zielstrebig in den Strafraum - und dann ab (59.).

Am Samstag reisen die Bayern nach Dortmund. Eines ist gewiss: Es wird dort ein gänzlich anderes Spiel.

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