FC Bayern in der Champions League:Kleine Fragezeichen bleiben

FC Bayern in der Champions League: Er lässt Tore sprechen: Auch bei Leroy Sané herrscht aktuell wieder bessere Laune.

Er lässt Tore sprechen: Auch bei Leroy Sané herrscht aktuell wieder bessere Laune.

(Foto: Christof Stache/AFP)

5:0 gegen Pilsen, 4:0 gegen Leverkusen: Vieles spricht dafür, dass die Bayern ihre Krise überwunden haben. Doch ganz so einfach ist es nicht - Antworten dürfte es erst am Wochenende geben, in Dortmund.

Von Felix Haselsteiner

Nur kurz huschte ein Schmunzeln über das Gesicht von Julian Nagelsmann, als er auf das "Fußballland Deutschland" zu sprechen kam, denn er wusste natürlich: Wer im WM-Jahr zu viel über die Nationalmannschaft schmunzelt, verscherzt es sich schnell. Also, auch wenn die Form von Leon Goretzka und Serge Gnabry, nach der Nagelsmann gefragt wurde, im Dezember wohl über die Laune einer von Krisen geplagten Nation mitentscheiden wird und daher eine ernste Sache ist, habe der Trainer "primär den FC Bayern im Kopf", wie er auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Pilsen bekanntgab. Und für diesen FC Bayern sei es "ausgesprochen wertvoll", dass beide Spieler, aber auch alle anderen, nun in guter Form seien.

Die erneute Betonung, dass das in erster Linie nur für einen Verein eine wertvolle Nachricht ist, ist an dieser Stelle wichtig. Denn das Verhältnis zwischen der Bundesliga und dem Fußballverein FC Bayern München, es verschlechtert sich dieser Tage wieder einmal ein wenig. In erster Linie liegt das daran, dass man nach einem 4:0 gegen Bayer Leverkusen in der Bundesliga und einem 5:0 gegen Viktoria Pilsen in der Champions League vom Breisgau bis an die Spree und wohl auch in Dortmund davon ausgeht, dass der Meister der vergangenen zehn Jahre wieder zurück ist, nachdem er einmal ganz kurz weg war, und dass dieser Eindruck eher nicht trügt - auch wenn er noch nicht ganz bestätigt ist.

Dass dieser Eindruck innerhalb der absurd kurzen Zeitspanne von fünf Tagen und neun Toren überhaupt entstanden ist, hat selbstverständlich viel mit der Mannschaft der Münchner zu tun, die frischer, spielfreudiger, eleganter daherkommt im Vergleich zur Tristesse vor der Länderspielpause, in der selbst Thomas Müller um Antworten rang. Diese fallen nun wieder leichter: Chancenverwertung? "Die frühen Tore helfen einem in solchen Spielen extrem", sagte Manuel Neuer, nach Führungstoren in der dritten und siebten Minute. Im Mittelfeld? "Es haben alle ihre Positionen sehr gut gehalten", sagte Nagelsmann, der das bewusst so gefordert hatte. Und was ist mit der Abwehr?

Pilsens Mannschaft ließ Sané, Musiala und Goretzka durch die gefährlichen Zonen spazieren wie eine Spaßmannschaft

Erst bei dieser Frage könnte man stutzig werden, denn das 9:0 aus den vergangenen zwei Partien spräche theoretisch zwar für eine herausragende Defensivleistung - in Wahrheit spricht es aber wohl eher gegen das Fußballland Tschechien und den Fußballstandort Leverkusen. Beide Vertreter nämlich begegneten den Münchnern mit so einer absurden Mischung aus Harmlosigkeit, Passivität und Körperlosigkeit, dass man die Erkenntnisse über den FC Bayern an manchen Stellen eben noch mit einigen Fragezeichen versehen muss.

Die nach vier sieglosen Spielen aufgestellte und vor allem durch den FC Augsburg bekräftigte These etwa, dass den Nagelsmann-Bayern mit robuster Körperlichkeit beizukommen sei, ist noch längst nicht entkräftet. Denn Pilsens Mannschaft ließ Leroy Sané, Jamal Musiala und Leon Goretzka durch die gefährlichen Zonen spazieren wie eine Spaßmannschaft, die vor einem Turnier bloß keine Nationalspieler verletzen möchte, und taugt daher kaum als Exempel. Es ist also weiterhin möglich, dass eine durchsetzungsfähige, gut sortierte Defensive die Bayern vor Probleme stellt - ein Gegner wäre zu suchen, immerhin spielen die Münchner in 14 Tagen wieder gegen Augsburg.

Die Krise der nachdenklichen Individualisten Sadio Mané und Serge Gnabry scheint immerhin überwunden zu sein, beide trafen am Dienstag und jubelten danach ausgiebig mit ihren Mannschaftskameraden, so dass sich der Verdacht erhärtete, es sei eine Last von ihnen abgefallen. Allerdings: Wie oft hatte Mané in seiner langen Karriere bisher schon die Gelegenheit, vor einem Tor in der Champions League einen ungeplanten Doppelpass mit dem Gegner zu spielen und dafür am Ende gar zum "Man of the Match" erklärt zu werden? "Es war wirklich wichtig für uns, das Selbstvertrauen wiederzubekommen", sagte Mané nach dem Spiel, er lachte kurz auf, als wollte er sagen: Was, wenn das nicht mal gegen diese Gegner geklappt hätte?

Die Basis des Erfolgs beim FC Bayern ist aktuell dieselbe wie schon am Saisonanfang und setzt sich fundamental aus der guten Ordnung zusammen, in der Nagelsmann spielen lässt und die auch in der Krisenphase nicht verloren ging, immerhin wurden die Münchner bis auf eine Halbzeit gegen den FC Barcelona noch nicht auseinandergenommen. Ergänzt wird diese Ordnung um drei Faktoren: frühe Tore, die den Gegner unter Druck setzen ("Ein Schlüssel und eine Lehre aus der letzten Saison", so Nagelsmann); einen offensiven Mittelfeldspieler Musiala, der mit 19 Jahren Spiele definiert; und einen Außenspieler Sané, der diese Spiele derzeit entscheidet, egal wie sie verlaufen - siehe Barcelona.

Sané selbst redet aktuell nicht, er trifft stattdessen

Vier Tore hat Sané in der Champions League erzielt, das war Stand Dienstagabend eines mehr als Erling Haaland bei Manchester City, was statistisch dieser Tage schon eine beachtenswerte Anomalie ist. Wie es dazu aktuell kommt, konnte Nagelsmann sich auch nicht erklären, "dass er einer der besten Spieler Europas ist", stehe allerdings ohnehin außer Frage. Sané selbst redet momentan nicht, er trifft stattdessen und führt Zweikämpfe in der eigenen Hälfte, für die er Sonderapplaus erhält.

Sané führt mit all seinen Aktionen auf dem Platz auch eine Mannschaft an, die sich in zwei Spielen auf ein Stimmungs-Level zurückgespielt hat, auf dem Leon Goretzka Kollege Gnabry auf den Schultern trägt, der Ersatzspieler Eric Maxim Choupo-Moting freudig sein Tor zum 5:0 bejubelt und in dem nicht mal das Fehlen von Joshua Kimmich und Thomas Müller eine Rolle spielt, sondern sogar gelegen kommt, weil so endlich der talentierte Ryan Gravenberch eingesetzt werden kann.

Man hat also ein Level erreicht, auf dem sich Fußball-Deutschland auf den November freuen kann, mit Sané, Musiala und mit dem Bundesadler - während in der Bundesliga die Alarmglocken schrillen. Einerseits, weil die Münchner schneller als gedacht wieder so auftreten wie in der vergangenen Dekade üblich. Andererseits, weil der Gegner am kommenden Wochenende Borussia Dortmund heißt. Eine Mannschaft, die im selben Zeitraum meist desaströse Vorstellungen gegen solch zufriedene Münchner ablieferte, nun aber wichtige Aufgaben für alle Beteiligten zu erfüllen hat: Widerstand leisten - oder zumindest verbliebene Fragezeichen durch Ausrufezeichen ersetzen.

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