FC Bayern in der Champions League:Was tun gegen Klopp, Niko Kovac?

  • Die Taktik wird entscheiden beim großen Champions-League-Duell an der Anfield Road zwischen Liverpool und Bayern.
  • Niko Kovac muss sich etwas Besonderes einfallen lassen, um seinen Trainerkollegen Jürgen Klopp zu besiegen.
  • Er muss seiner Mannschaft einen Plan verpassen, der zu ihrem Charakter passt.

Von Martin Schneider, Liverpool

Vor dem Spiel an der Anfield Road sprach Niko Kovac über die Leiden eines Trainers. Er saß im Presseraum dieses mystischen Backsteinstadions im Norden von Liverpool und grübelte öffentlich. "So ist das", sagte er mit einem gefühlten Seufzer, "man macht als Trainer seine Pläne und dann wird jemand zum fünften Mal Vater, der andere fängt sich einen Magen-Darm-Virus ein und was heute Nacht noch passiert, das weiß ich nicht." Derjenige, der zum fünften Mal Vater wurde, das war Franck Ribéry, der deswegen die ganze Nacht (von Sonntag auf Montag) nicht geschlafen hatte. Der mit dem Virus war Jérôme Boateng. Und was noch passierte: Leon Goretzka musste im Abschlusstraining mit einer Sprunggelenksverletzung aussetzen, dafür wirkte der angeschlagene Kingsley Coman recht fidel. Aber der spiele nur, sagte Kovac, wenn er wirklich schmerzfrei sei.

Am Tag vor seinem bislang wichtigsten Spiel beim FC Bayern sah man einen Trainer, der sich eine Taktik zurechtgelegt hatte, aber nun merkte, wie Teile seines Puzzles verschwanden und wieder auftauchten. "Ich muss abwarten, was meine Ärzte sagen", sagte Kovac. "Ich habe eine Idee, aber muss auch andere Ideen im Kopf haben."

Welche Idee Kovac hat und welche er umsetzen kann - davon wird abhängen, ob der FC Bayern an der Anfield Road überlebt. Die Aufgabe ist nicht einfach. Genau genommen, steckt Niko Kovac in einem handfesten Dilemma. Er kann entweder das tun, was seine Mannschaft am besten kann - würde damit aber seinem Gegenüber Jürgen Klopp voll in die Karten spielen. Oder er macht Liverpool das Leben maximal schwer - muss aber dafür eine Taktik spielen lassen, die seinen Spielern überhaupt nicht liegt.

Umschaltspiel in Perfektion

Die erste Option sähe so aus, dass der FC Bayern den Ball haben will, agiert, das Spiel macht und versucht, das wichtige Auswärtstor zu erzwingen. Die zweite Option würde bedeuten, sich selbst hinten rein zu stellen, Liverpool die Initiative zu überlassen und selbst zu kontern.

Auf der Pressekonferenz deutete Kovac an, dass er zur ersteren Variante neigt. Er sagte recht eindeutig: "Wir kommen nicht hierher, um uns mit Absicht hinten rein zu stellen. Wir wollen Chancen kreieren." Er ließ sich zwar die Hintertür offen, dass man ja hinten reingedrängt werden könne - sagte aber, angesprochen auf Javi Martínez, der die defensivere Variante in der Aufstellung wäre: "Wir werden unter Druck geraten, aber wenn wir den Druck nicht haben, brauchen wir Spieler, die Lösungen finden." Das implizierte - gewollt oder ungewollt -, dass Martínez diese Lösungen nicht findet, der Kolumbianer James wäre die Alternative im Mittelfeld.

So zu spielen, ist Bayerns Stärke. Das Problem ist, dass es auch Liverpools Stärke ist, wenn der Gegner so spielt. Kovac sagte, was Liverpool mache, sei Umschaltspiel in Perfektion. Das sei "High End". In der Bundesliga würden Dortmund und Leverkusen so spielen, aber Liverpool könne das besser. Gegen Dortmund und Leverkusen hat der FC Bayern übrigens verloren.

Mit der Gefahr, in den Abgrund zu stürzen

Man muss sich die perfekte Spielsituation für ein Jürgen-Klopp-Team ungefähr so vorstellen: Die Mannschaft steht tief, lauert, der Gegner hat den Ball, steht breit, die Außenverteidiger an den Seitenlinien. Dann kommt ein Pass, der das Kommando gibt, die Klopp-Mannschaft schießt nach vorne wie choreographierte Schlangenköpfe, einer beißt zu, gewinnt den Ball, zwei, drei Pässe, Mo Salah, Tor. Wer so gegen Liverpool spielt, balanciert ständig auf einem schmalen Seil, immer mit der Gefahr vor Augen, in den Abgrund zu stürzen.

Pep Guardiola, der Ballbesitz-Trainer, hat beharrlich versucht, Klopps Mannschaften so zu besiegen. Das Resultat: acht Niederlagen in 16 Spielen. Gegen keinen Trainer hat der Katalane eine so desaströse Bilanz wie gegen Klopp.

Liverpools Verteidigung ist angeschlagen

Kovac will es offenbar trotzdem versuchen, wenn er in der Pressekonferenz keinen großen Bluff ausgepackt hat. Die andere Möglichkeit wäre, Liverpool den Ball zu geben und sie das Spiel machen zu lassen. Damit haben sie immer noch ihre Probleme - das Mittelfeld mit Jordan Henderson, Georginio Wijnaldum und James Milner ist keine Kreativ-Zentrale. Es ist ein Werkstuben-Mittelfeld, das Bälle erobern und weiterleiten soll. Das angesprochene Problem an dieser Taktik. Liverpool hat damit Schwierigkeiten - aber der FC Bayern auch. In der Bundesliga mauern die Münchner nie. Sie haben keine eingespielte Defensiv-Disziplin, schon gar nicht in der aktuellen Saison.

Worauf Kovac wohl setzt, ist die angeschlagene Innenverteidigung des FC Liverpool. Virgil van Dijk ist für deren Organisation von überragender Bedeutung - und der Niederländer fehlt gesperrt. Auch Pep Guardiola identifizierte im Ligaspiel den zweiten Innenverteidiger, Dejan Lovren, als Schwachpunkt, und erzielte so zwei Tore. Dass Robert Firmino offenbar erkrankt ist, nannte Kovac "sicher kein Nachteil".

Vielleicht ist Niko Kovacs Plan ja wirklich, mit dem Feuer der Anfield Road zu spielen. Sollte es ihm gelingen, würde er mit seinem allerersten Europapokal-K.o.-Spiel als Trainer Historisches schaffen - noch nie hat ein deutsches Team dort gewonnen. Ganz am Ende sagte Kovac jedenfalls: "Ich glaube, ein 0:0 werden wir morgen nicht erleben."

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