Champions League: FC Bayern - Inter Mailand:Alles verspielt

Der FC Bayern verliert gegen Inter Mailand 2:3 und scheitert auch in der Champions League. Die Münchner geben nach Traumtoren zitternd ein Spiel aus der Hand, das sie dominiert hatten - und das sie deutlich, sehr deutlich hätten gewinnen müssen.

Die Unruhe der Münchner Spieler war bis auf die Tribüne spürbar: Jetzt bloß nichts mehr falsch machen, jetzt bloß nicht den einen, den alles entscheidenden Fehler begehen. Und diese Unruhe wurde allmählich zur Angst, die die Beine betonschwer werden ließ, die die Gedanken lähmte.

Combination of photos shows Bayern Munich's Mario Gomez scoring a goal against Inter Milan's goalkeeper Julio Cesar during their second leg round of sixteen Champions League soccer match in Munich

Das vermeintliche Tor des Tages: Mario Gomez überlupft Julio Cesar mit einem Rückzieher zum 1:1.

(Foto: REUTERS)

2:2 stand es zwischen dem FC Bayern und Inter Mailand im Rückspiel des Achtelfinals der Champions League. Nach dem 1:0-Sieg im Hinspiel in Mailand würde das reichen für die Münchner, aber sie hatten ihr Momentum verloren, und Inter warf alles nach vorn. Es lief die 88. Minute, viel fehlte nicht mehr, doch wieder einmal lief die Münchner Abwehr ohne jede Ordnung durcheinander, und so schoss Inters Goran Pandev, erfreut über all den Platz, den man ihm ließ, den Ball aus 13Metern in den linken Torwinkel. Es war das späte Tor zum 2:3, es war das Tor, das die Champions-League-Saison des FC Bayern beendete.

Das war insofern erstaunlich, als die Münchner zuvor eine knappe Stunde lang guten Fußball geboten hatten, teilweise hatten sie überragend gespielt. "Ich denke, wir haben ein gutes Spiel gesehen", sagt Bayern-Trainer Louis van Gaal", "aber wir mussten es fertig machen." Damit meinte er: Der FC Bayern hätte mindestens eine seiner sehr viele Chancen nutzen müssen.

Es ist nun endgültig eine verkorkste Saison für die Münchner, eine, in der sie keinen Titel gewinnen werden. "Es ist unfassbar, dass wir gegen Inter Mailand ausscheiden", sagte der verärgerte Bastian Schweinsteiger, "alles, was uns jetzt noch übrigbleibt, ist, uns in der Bundesliga für die Champions League zu qualifizieren. Ich bin sehr enttäuscht, aber das passt irgendwie zu dieser Saison."

Ähnlich verärgert zeigte sich Arjen Robben. Auf die Frage, ob die Abwehr der Bayern reif sei für die Champions League, sagte er trocken: "Im Moment nicht. Es kann nicht sein, dass wir zu Hause drei Tore bekommen. Jetzt müssen wir sehen, dass wir in der nächsten Saison in der Champions League spielen und es besser machen. Diese Saison ist nicht mehr gut."

Dabei hatte an diesem Abend zunächst alles so gut ausgesehen, obwohl die Partie denkbar schlecht begann. Samuel Eto'o hatte vor der Partie gesagt: "Die Bayern haben bei uns 1:0 gewonnen. Warum sollte uns das nicht umgekehrt ebenfalls gelingen?" Diesen Worten ließ er Taten folgen. In der dritten Minute nahm er einen Pass von Pandev an, und so lässig, wie er vorher gesprochen hatte, schob er nun den Ball durch die Beine des herausstürmenden Bayern-Torwarts Thomas Kraft ins Netz. Sehr plötzlich war alles wieder ausgeglichen, und die Frage war, ob die Münchner sich von diesem frühen Rückschlag aus der Ruhe bringen lassen würden. Doch sie blieben zunächst ganz ruhig, sie blieben sogar lange so cool wie kalifornische Surfer.

Vergebene Chancen, Fehler in der Defensive

Das war in vielerlei Hinsicht erstaunlich. Mit Breno und Daniel van Buyten in der Innenverteidigung waren sie angetreten, um den Wunderstürmer Eto'o zu stoppen, es gab also keinen Grund, ruhig zu bleiben. Der Sieg gegen den lächerlichen Hamburger SV hatte der Mannschaft aber offensichtlich neues Selbstvertrauen gegeben, mehr noch: Es schien zunächst, als habe dieser Sieg das Team von neuem beseelt und erfüllt von dem Geist, der es im vergangenen Jahr bis ins Finale der Champions League getragen hatte. Die Mannschaft setzte Inter eine Stunde lang mit Wonne unter Druck.

Beim 1:1 der Bayern half Mailands Torwart Julio César freundlich mit, der bereits beim Siegtor im Hinspiel assistiert hatte. Ihn deshalb den besten Mann der Münchner zu nennen, wäre insoweit übertrieben, als Arjen Robben und Franck Ribéry eine ganze Weile groß aufspielten. Robben war es, der in der 21. Minute schoss, César ließ den Ball abprallen, und Mario Gomez vollendete aus kurzer Distanz - mit dem Rücken zum Tor stehend - mit einem artistischen Lupfer.

Das 2:1 kam dann ohne Hilfe des Torwarts zustande, dafür zeigte sich Thiago Motta kooperativ, als er einen Pass von Robben unfreiwillig auf Thomas Müller verlängerte. Der hob den Ball im Strafraum über César, es war eine äußerst elegante und kühle Vollendung des Spielzugs. Nach 31Minuten hatten die Bayern das Spiel gedreht, was sollte jetzt noch schiefgehen? Zumal die Münchner nun so aufspielten, als wollten sie Inter Mailand das gleiche Schicksal angedeihen lassen wie dem Hamburger SV.

Sie vergaben Chancen in einer unglaublichen Frequenz, die vielleicht größte ergab sich nach 40 Minuten: Nachdem Gomez den Ball an César vorbei aufs Tor gebracht hatte, klärte Ranocchia auf der Linie, wobei er Müller anschoss. Der abprallende Ball flog jedoch gegen die Innenseite des Pfostens. Zum Ende der ersten Halbzeit ging es im Strafraum von Inter zu wie wohl noch nie in der Geschichte dieses Teams, das als Inbegriff der Defensivkunst gilt.

Menschen liefen wild durcheinander, mittendrin schoss der Ball umher wie eine Flipperkugel, und niemand schien auch nur eine grobe Ahnung zu haben, wo West, wo Ost, wo Nord oder Süd sich befinden könnten. Die Konfusion fand erst ein Ende, als Ribéry sich ins Abseits stellte und der Schiedsrichter das Spiel unterbrach. "Inter war schon kaputt", sagte Schweinsteiger später wehmütig.

So hätte es munter weitergehen können, wenn nicht überraschend Wesley Sneijder in der 63. Minute das 2:2 erzielt hätte. Aus gut 16 Metern schoss er flach ins linke Eck, er stand viel zu frei, und plötzlich war die Partie wieder spannend. Inter besann sich auf seine Qualitäten, und bei den Bayern musste Robben verletzt raus, so dass die Entlastung fehlte.

Es begann eine Schlussphase, in der den zuvor so souveränen Bayern allmählich die Nervosität in die Beine und in die Köpfe kroch; so gaben sie schließlich ein Spiel aus der Hand, das sie dominiert hatten. Breno verlor den Ball an Eto'o, der sich leichten Fußes durchsetze und den Ball für Pandev auflegte. Der wiederum beendete mit seinem wunderschönen Tor alle bayrischen Träume.

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