Champions League: FC Bayern:Im Banne des Artisten

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Der FC Bayern München bietet gegen Juventus Turin teilweise furiosen Fußball und erreicht dennoch lediglich ein 0:0. Selbst eine Zirkuseinlage führt nicht zum Ziel.

Die 90 Minuten waren fast vorbei, es stand 0:0 zwischen dem FC Bayern und Juventus Turin, und ein Tor hätte dem Spiel nun vielleicht nicht mehr gut getan, wie man so sagt, aber es hätte ihm gut zu Gesicht gestanden, denn es bleibt immer eine kleine Enttäuschung, wenn derart famosen Fußballabenden die letzte Würze fehlt: ein Tor. Etwas über eine Stunde lang hatte der FCBayern an diesem Champions-League-Abend teils furios aufgespielt und auch danach keineswegs schlecht ausgesehen, aber er hatte beste Chancen ausgelassen und musste sich mit lediglich einem Punkt begnügen. Mitten in einem Angriff der Münchner pfiff Schiedsrichter Howard Webb die torlose und dennoch höchst kurzweilige Partie ab. "Man hätte mehr nachspielen lassen müssen, weil viel Zeit geschunden wurde", sagte van Gaal später, wieder ruhig und nach außen gelassen, "wir hatten vier hundertprozentige Chancen. Das ist schade, aber wenn wir so weitermachen, ist es nur eine Frage der Zeit."

Vor der Begegnung hatten sich beide Trainer überlegt, ihre Mannschaften durcheinanderzuwirbeln. Juves Ciro Ferrara brachte Grosso, Grygera und Iaquinta anstelle von Zebina, Molinaro und Amauri. Drei Neue, gleiches hatte Bayern-Trainer Louis van Gaal ausgetüftelt: Für Breno, Tymoschtschuk und Olic durften Braafheid, Ottl und Klose auf den Platz. Van Gaal ist ja so bekannt wie berüchtigt dafür, auf Namen keine Rücksicht zu nehmen, auf Ablösesummen gleich gar nicht, das musste Tymoschtschuk wieder einmal erleben - und das erlebte auch der 30-Millionen-Mann Mario Gomez. Er saß auf der Bank. Immerhin erging es ihm damit besser als Luca Toni, der auf der Tribüne Platz nehmen musste, weil van Gaal beschlossen hatte, er sei nicht fit.

Der holländische Trainer hatte zudem beschlossen, dass seine Mannschaft mit viel Schwung beginnen sollte, und sie fügte sich. Ohne Respekt vor dem Ensemble um den ehemaligen Bremer Diego spielten die Bayern auf, immer wieder zeichneten sie schöne Kombinationen auf den Rasen, wenn auch zunächst wenig zielführend. Nach einer knappen Viertelstunde schien der Schwung des Anfangs zu verpuffen, Juventus kam besser ins Spiel, doch die Münchner erhöhten so mühelos das Tempo, als hätten sie bisher erst 50 Prozent ihres Könnens offenbart.

Waren die Italiener so schlecht? Waren die Münchner so gut? Natürlich hängt das eine mit dem anderen zusammen, und es gelingt dem FC Bayern immer wieder einmal, gegen große Namen einen erstaunlichen Fußball zu zelebrieren, schnell, ballsicher, elegant, anmutig, ideenreich.

Nach 19 Minuten vereinte Franck Ribéry all diese Eigenschaften in sich, als er einen Tanz zeigte, wie man ihn auch von den Künstlern des Fußballs selten sieht: Im Strafraum ließ er auf engstem Raum zwei Verteidiger stehen, mit einer Körpertäuschung hatte er für eine winzige Lücke gesorgt im defensiven Verbund, und durch diese Lücke schlängelte sich Ribéry wie ein Zirkusartist, der Ball folgte ihm wie dressiert. Nun stand er allein vor Torwart Buffon, und nun übertrieb er es, nun wollte er diese herrliche Nummer überhöhen, er lupfte den Ball mit der Schuhspitze - wenn es geklappt hätte, wäre der Treffer Favorit bei der Wahl zum Tor des Jahres geworden, doch die Kugel strich über die Latte hinweg.

Buffon - nachdem er gesehen hatte, dass der Ball nicht im Netz gelandet war - lächelte und lachte, als freue er sich, Zeuge einer so überaus hinreißenden Darbietung geworden zu sein.

Anschließend zeigte der FC Bayern teils mitreißenden Fußball. Angriff folgte auf Angriff, manchmal drosch Ribéry den Ball über den halben Platz, weil er dort, weit und weiter entfernt, Arjen Robben entdeckt hatte, und der pickte die Kugel mit dem Fuß aus der Luft - und weiter ging der Wirbel. Herrlich anzusehen das Ganze, wenn, ja wenn - der letzte Schuss erfolgt wäre, der Schuss ins Tor.

Reihenweise vergaben die Bayern ihre Chancen, Klose verfehlte eine Flanke vom Lahm um die Breite eines sehr dünnen Haares (24. Minute), Müller scheiterte beim letzten Pass auf den freistehenden Robben (29.), Klose scheiterte per Kopf und dann per Fuß an Buffon (34.), in der gleichen Minute scheiterte Schweinsteiger per Kopf, dann kam Ribéry mit dem letzten Pass auf den freistehenden Schweinsteiger nicht durch (39.), und es hat mit Sicherheit keinen Fußballkommentator auf der Welt gegeben, der nun nicht die ewige Floskel vor sich hinmurmelte: "Das rächt sich im Fußball, wenn man so viele Chancen nicht nutzt."

Die Bayern machten einfach so weiter, als wäre Chancenvergeben der Sinn des Spiels. Nach einer Stunde spielte Ribéry eine präzise Flanke in den Strafraum, nacheinander verpassten Klose, Müller und der eingewechselte Olic (er kam für den angeschlagenen Robben), und nun sah es so aus, als sollten an diesem Abend keine Tore fallen. Die Bayern fügten sich, sie ließen nach.

Nach einer furiosen Stunde schwanden die Kräfte, Juventus spielte nun wieder auf Augenhöhe, und bei dieser Mannschaft muss man mehr als bei jeder anderen fürchten, dass sie ganz kurz vor Schluss noch ein seltsames, ein überraschendes Tor erzielt, bevorzugt aus dem Nichts. Doch derlei geschah nicht am Mittwochabend. "Es ist enttäuschend, wenn man so große Chancen herausspielt und dann am Ende mit einem 0:0 dasteht", sagte Lahm. Für die Zuschauer war es trotz der fehlenden Tore ein äußerst unterhaltsamer Abend.

© SZ vom 01.10.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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