Simone Inzaghi hat einen leicht einprägsamen Spitznamen, in Italien ist er über all die Jahre „Inzaghinho“ geblieben, der kleine Inzaghi. Was früher war, hallt eben nach: Eine Spielerkarriere lang war Simone, 48, im Schatten seines Bruders Filippo, 51, gestanden, genannt „Superpippo“, dem wohl dreistesten und kaltblütigsten Torbanditen des Weltfußballs, der Mitte der 2000er-Jahre so etwas wie der personifizierte Schrecken des FC Bayern war. In fünf Champions-League-Partien erzielte der ältere Inzaghi für die AC Milan stabile sechs Treffer gegen die Münchner. Inzaghino coacht nun seit 2021 die Stadtrivalin Inter, sehr erfolgreich, unter seiner Führung haben sich die Mailänder in Europa und in der heimischen Liga wieder als große Nummer etabliert.
Verbale Psychospielchen sind aber eher nicht sein Ding, er lässt lieber seinen fluiden, kaum kalkulierbaren Spielansatz in die Köpfe seiner Gegner kriechen. Doch wer weiß, vielleicht ließe sich vor dem anstehenden Königsklassen-Viertelfinale gegen die Bayern ja eine anders geartete Drohkulisse errichten: Simone könnte Bruderherz fragen, ob er Anfang April schon was vorhat, da steht das Hinspiel auf dem Programm. Denn Filippo Inzaghi auf der Tribüne der Münchner Arena wäre aus bayerischer Sicht so etwas wie eine schwarze Katze, die von links nach rechts die Straße kreuzt. Das Unheil wäre präsent, leibhaftig, mit ikonisch-mysteriösem Grinsen im Gesicht. Möglich, dass Filippo sich darauf einlassen würde. Mit Inzaghinho versteht er sich blendend.

Harry Kane:Der Mann ohne Titel zieht die Bayern Richtung Titel
Er grätscht, er ist überall, er schießt Tore und sucht nun auch die Rauferei: Der FC Bayern erlebt gerade die wahrscheinlich beste Version von Harry Kane. Selten hat sich eine 100-Millionen-Euro-Investition im Fußball so gelohnt.
Seine Mannschaft, sagte Simone Inzaghi Dienstagnacht, verfüge über „die DNA, um in sämtlichen Wettbewerben bestehen zu können“. Das Achtelfinal-Rückspiel gegen Feyenoord Rotterdam war gerade abgepfiffen worden, Inter siegte 2:1, in Summe behielten die Lombarden mit 4:1 die Oberhand. Eine Pflichtaufgabe für den italienischen Meister, einerseits. Andererseits hatte Feyenoord in der Runde zuvor immerhin Milan aus dem Wettbewerb geworfen, und noch im Januar war man über einen weiteren Vertreter des europäischen Uradels hergefallen: Da war ein gewisser FC Bayern im Rotterdamer Dauerregen nachgerade baden gegangen, 0:3.
Inter durchlebt seit Jahreswechsel ein kleines Leistungstief, führt aber weiter die italienische Serie A an
Inter dagegen durchlebte mit den Niederländern eher geruhsame Abende, in beiden Duellen war man drückend überlegen, technisch und taktisch. Dass sich die Mailänder nicht überstrapazieren mussten, dürfte ganz im Sinne von Coach Inzaghi gewesen sein: Er verfolgt eigentlich einen dominanten Stil, für permanente Rochaden, ein Inter-Verteidiger kann eben noch in letzter Linie am Aufbauspiel beteiligt gewesen sein und 15 Sekunden später im gegnerischen Strafraum aufs Tor schießen. Diese Intensität fordert aber gerade auch ihren Tribut. Inter steht zwar an den Tabellenspitze der Serie A, doch seit Jahreswechsel haben sich deutliche Schwankungen in die Auftritte geschlichen, nicht zuletzt wegen zahlreicher lädierter Körper. Inzaghi musste und muss auf zahlreiche Stammkräfte verzichten; die Kapitänsbinde wurde zum beliebten Tauschobjekt und landete am Dienstag erstmals beim niederländischen Flügelmann Denzel Dumfries, der in der teaminternen Rangordnung Platz vier oder fünf einnehmen dürfte.
„Jetzt geht es darum, die Kräfte zu dosieren“, empfahl die italienische Trainerlegende Arrigo Sacchi in seiner Kolumne für die Gazzetta dello Sport. Ansonsten waren die italienischen Sportzeitungen mit Blick aufs Duell mit den Bayern bereits voller Reminiszenzen und Anekdoten, von denen eine besonders oft hervorgekramt wurde: Bei Inter versammeln sich etliche Akteure mit Bundesliga-Expertise, darunter zwei frühere Münchner, nämlich Torwart Yann Sommer und Verteidiger Benjamin Pavard – und auch Mittelfeldmann Hakan Calhanoglu, Torschütze am Dienstag gegen Feyenoord, an dem die Bayern im vergangenen Sommer ein loses Interesse gezeigt hatten. Der Türke wollte aber nicht, er glaubt an große Triumphe mit Inter.
„Wir können jeden schlagen“, stellte auch Stürmer Marcus Thuram gleich mal klar. Der ehemalige Gladbacher traf gegen Feyenoord jeweils in Hin-und Rückspiel und ist in der Liga Inters Toptorschütze. Das gab Lob, Inzaghinho verspricht sich auch im Viertelfinale einiges von ihm. Ein Hauch von Superpippo wird jedenfalls kaum schaden können. Sowohl auf dem Rasen als auch auf der Tribüne.