Am Wochenende waren beim Spitzenspiel der Bundesliga nur noch wenige Minuten zu spielen, als die Entscheidung über den Sieg und damit auch die Tabellenführung anstand: Hand-Elfmeter für den FC Bayern. Georgia Stanway nahm sich den Ball, beobachtete Torhüterin Merle Frohms und verwandelte souverän zum 1:0. "In der Vergangenheit hat Lina Magull die Elfmeter geschossen, aber jetzt habe ich das übernommen, sorry an sie", sagte Stanway und schmunzelte.
Diese Elfmeterszene könnte noch in diversen Saison-Rückblicken auftauchen, weil sie womöglich für die Wende im Titelkampf zwischen den Bayern und dem VfL Wolfsburg steht, sollte in dieser Partie tatsächlich die Meisterschaft entschieden worden sein. Die Münchnerinnen haben mit 43 Punkten nun einen Zähler Vorsprung vor dem VfL. Und die Szene wird mit Sicherheit in Stanway-Videozusammenschnitten auftauchen, weil sie sinnbildlich für ihr Selbstbewusstsein und ihre Rolle beim FC Bayern steht.
Innerhalb kurzer Zeit ist die 24 Jahre alte Engländerin zu einer zentralen Spielerin geworden - und dürfte auch im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League am Mittwoch bei Arsenal London (21 Uhr, Dazn) im Emirates Stadium entscheidend sein. Das Hinspiel hatten die Münchnerinnen 1:0 gewonnen. Wolfsburg empfängt einen Tag später (18.45 Uhr, Dazn) Paris Saint-Germain. "Sie ist fantastisch - das war sie von Tag eins an. Sie wird jede Woche stärker", sagte Bayern-Trainer Alexander Straus. "Sie hat diese Widerstandsfähigkeit. Wenn du einen entscheidenden Elfmeter in einem Top-Spiel bekommst, gibt es eine Spielerin auf der ganzen Welt, die ich schießen sehen will: Stanway. Sie ist so ruhig, so cool. Ich wusste, sie trifft."
Seit 14 Pflichtspielen sind die Fußballerinnen des FC Bayern ungeschlagen
Beinahe hätte Stanway schon vorher mit einem ihrer berüchtigt wuchtigen Distanzschüsse getroffen, Chancen gab es genug. Aber an diesem Tag stand den Münchnerinnen entweder Frohms oder das Aluminium im Weg. Stanways Leistungen nicht zuletzt beim Gewinn der Europameisterschaft vergangenen Sommer schürten hohe Erwartungen an sie, ihr Wechsel nach sieben Jahren bei Manchester City galt als Coup. Bisher hat Stanway diese erfüllt, ihr Zusammenspiel im Mittelfeld mit Sarah Zadrazil und Lina Magull funktioniert bestens. Stanway setzt im Spielaufbau Akzente und hat sich vorbildlich integriert in das Team, das seit 14 Pflichtpartien in Serie ungeschlagen ist.
"Das ist ein gutes Gefühl, bringt aber auch viel Druck mit sich", sagte Stanway am Samstag. "Wir müssen das Momentum weiter aufbauen. Wir sind eine gute Familie, wir haben diese Basis, wir kreieren hier etwas. Hoffentlich ist es etwas Spezielles." Dass Stanway ihre Anweisungen mit einem starken englischen Akzent - sie stammt aus dem Nordwesten der Insel - über den Platz ruft, tut der Wirkung ihrer Worte keinen Abbruch: Sie spüre das Vertrauen des Trainers sowie ihrer Mitspielerinnen und habe selbst großes Vertrauen in die Taktik.
Ein Übersetzungsproblem gab es dann aber doch. Nach dem Sieg gegen Wolfsburg dröhnten deutsche Schlager aus der Kabine, "schwarze Natascha" zum Beispiel, in englischen Umkleiden wohl weniger ein Klassiker. "Ich habe keine Ahnung, worum es da geht", sagte Georgia Stanway und lachte. "Was geht hier ab, hab ich mich gefragt - aber meine Tanzkünste sind eh nicht gut genug." Als sie zum Einstand beim FC Bayern ein Lied singen musste, entschied sie sich für "Sweet Caroline" - schon das verriet einiges über ihr Selbstvertrauen und ihren Humor: Dieses Lied wurde zur Hymne der Engländerinnen bei ihrem EM-Sieg gegen die Deutschen. Von den Bayern-Spielerinnen waren im Wembley-Stadion damals auch einige dabei.