Der Mann, der so viele Champions-League-Tore gegen den FC Barcelona erzielt hat wie kein anderer Profi beim FC Bayern, er wurde ausgesprochen freundlich empfangen am Dienstagabend in der Münchner Arena. Warum auch nicht, die Fans hier mögen ihn schließlich. Als erster Feldspieler kam er aus den Katakomben, frenetischer Applaus empfing ihn, ganz ohne Pfiffe - und sogar ein Ständchen bekam er zu seinem 33. Geburtstag.
Besagter Mann übrigens, nur damit es keine Missverständnisse gibt, hieß mitnichten Robert Lewandowski, sondern Thomas Müller.
Dessen Trainer Julian Nagelsmann hatte seinem Team vor dem Königsklassenduell seines FC Bayern gegen Barça etwas empfohlen, was doch irgendwie schade gewesen wäre: Die Eindrücke "der letzten zwei, drei, vier Duelle" mit dem FC Barcelona müsse man streichen, hatte er geraten, "von der Festplatte löschen", womit man immerhin vier schmucke Siege und 17 Münchner Tore unterschlagen hätte, darunter ein doch ziemlich unvergessliches 8:2 im Viertelfinale des Finalturniers von Lissabon im Jahr 2020. Und man hätte dann auch etwas streichen müssen, was durchaus ein wenig an den Debatten der vergangenen Tage vorbeiging: Dass eben nicht Lewandowski die meisten Tore zu all den schönen Streichresultaten gegen Barça beigetragen hat, sondern Müller, der immer wieder ausgerechnet gegen die Katalanen seinen Hauptberuf als Vorlagengeber vorübergehend an den Nagel hängte zugunsten seines Nebenerwerbs als Torjäger. Acht Tore in sieben Spielen hat er seit 2013 gegen die Spanier erzielt.
Nagelsmanns Spielern ist diese psychologische Arbeit dann sowieso schnell abgenommen worden: Die Gäste selbst löschten sehr zielstrebig all jene Eindrücke, die sie in den vorangegangenen Duellen gegen München womöglich hinterlassen hatten. Dass sich die Bayern am Ende trotzdem wieder einmal durchsetzen sollten, mit 2:0 (0:0), war lange nicht absehbar. Doch nun ist ihnen der perfekte Start in diese schwere Gruppe geglückt, nach dem 2:0 bei Inter Mailand in der vergangenen Woche. Das Spiel gegen Barcelona allerdings war: nicht perfekt.
Barcelonas Angriffe hatten zunächst ein klares Ziel: Robert Lewandowski
Robert Lewandowski übrigens wurde am Dienstag ebenfalls sehr freundlich empfangen, von den ehemaligen Mitspielern, die er schon vor der Partie aufsuchte, ebenso wie vom Publikum - für Pfeifkonzerte stellte sich stattdessen Barcelonas Torwart Marc-André ter Stegen zur Verfügung, für die Dreistigkeit, nicht Manuel Neuer zu sein und trotzdem ein guter Torwart.
Die Verhinderung von Lewandowski-Toren übertrug Nagelsmann Dayot Upamecano, weil der den Polen besser kenne als Matthijs de Ligt und schon in Leipzig gut gegen ihn verteidigt habe, und im Mittelfeld vertraute der Coach neben Joshua Kimmich zunächst auf Marcel Sabitzer, weil der ein gutes Gespür habe "für das Verteidigen von Ballverlustsituation".
Konfuse Ballverluste wie jenen von Joshua Kimmich nach acht Minuten hatte Nagelsmann da vermutlich nicht im Sinn, in dessen Folge der Ball über Lewandowski und Gavi zu Pedri kam, der ziemlich frei abzog - aber an Neuers Fußabwehr scheiterte. Und schon gar nicht hatte Nagelsmann vermutlich damit gerechnet, dass auch Neuer aus alter Gewohnheit Lewandowski anspielen würde, was er aber nach einer Viertelstunde tat - Upamecano verhinderte Schlimmeres.
Einen "ganz anderen Geist" hatte Nagelsmann den Gästen vor der Partie unterstellt, mit hoher Verteidigung und einem aggressiven Gegenpressing, das fast wieder aussehe wie damals, als der heutige Trainer Xavi Hernández noch selbst gespielt habe, und vor deren überfallartigen Kontern hatte er ebenfalls gewarnt - doch just mit diesen Mitteln brachten die Gäste den FC Bayern nach ordentlichem Start immer öfter in die Bredouille. Ihre Angriffe wirkten zielstrebiger, und meistens hatten sie ja auch ein klares Ziel: Robert Lewandowski nämlich, wohingegen die Münchner Angriffe meist ein bis zwei Schnörkel zu viel aufwiesen - auf Kosten einer klaren Richtung.
Hernández trifft per Kopf zur völlig überraschenden Führung
Sabitzer verbuchte nach einer halben Stunde einen Distanzschuss neben das Tor, und kurz vor der Pause, als Musiala den Ball einmal gefährlich nach innen brachte, da fand er gleich zwei Zielspieler in der überfüllten Bayern-Offensive - Müller und Sadio Mané nämlich, die sich beim Abschluss im Fünfmeterraum gegenseitig behinderten. Viel schneller ging es im Gegenzug, als der früh für den verletzten Benjamin Pavard eingewechselte Noussair Mazroui gerade noch so in den Schuss den freigespielten Lewandowski hineinrutschte.
Immerhin: So viele Chancen lässt der Pole üblicherweise nicht liegen.
Die Überlegenheit der Gäste setzte sich nach der Pause zunächst nahtlos fort, auch wenn Leon Goretzka anstelle von Sabitzer etwas mehr Offensivdrang ins Mittelfeld brachte - bis sich im Anschluss an eine Münchner Ecke jemand als Zielspieler anbot, mit dem nun wahrlich niemand gerechnet hätte: Lucas Hernández traf per Kopf zur völlig überraschenden 1:0-Führung (50.). Und vielleicht ist den Gästen durch diesen Schock dann selbst wieder eingefallen, wie ihre Champions-League-Bilanz gegen diese Münchner so aussieht. Plötzlich nämlich hatten sie deren wild ausschwärmenden Offensivspielern gar nicht mehr so viel entgegenzusetzen. Leroy Sané legte nach Vorarbeit von Musiala schnell ein hübsch erdribbeltes 2:0 nach - und als kurz darauf nach einem Doppelpass mit Lewandowski Pedri den Ball frei vor Neuer nur an den Außenpfosten hob, ahnte man, dass die Münchner irgendwie doch auf Kurs gekommen waren.
Nun begannen sich die Gäste mit ihren Angriffen in der Abwehr der Münchner zu verheddern, die wiederum selbst zu Kontern kamen. Wobei: Auch sie ließen davon etwas zu viele ungenutzt. Barça-Schreck Thomas Müller schoss nur noch einmal über die Latte - was er vermutlich aber verschmerzen konnte.