Süddeutsche Zeitung

Bayern-Frauen in der Champions League:Erschüttert von der eigenen Fahrlässigkeit

Lesezeit: 3 Min.

Die Fußballerinnen des FC Bayern verpassen das Halbfinale, weil gegen Arsenal viele Spielerinnen nicht das zeigen, was sie können. Deutlich zeigt sich, dass der Kader nur bedingt Verletzungen auffangen kann.

Von Anna Dreher

Das wäre natürlich eine schöne Pointe gewesen, eine überraschende Wendung in dieser Geschichte, wenn ausgerechnet jene Spielerin das rettende Tor geschossen hätte, die zuvor zur Dauerretterin geworden war. Maria Luisa Grohs jedenfalls kam in den Strafraum gerannt, fast alle Fußballspielerinnen des FC Bayern tummelten sich dort vor einem der letzten Eckbälle am Mittwochabend, einer der letzten Chancen, um im Wettbewerb zu bleiben. Die 21-jährige Torhüterin beobachtete die hohe Flugkurve des Balles, bewegte sich auf ihn zu - aber dann passierte wieder nichts, wie quasi den ganzen Abend schon nicht wirklich etwas passiert war, wenn die Münchnerinnen sich zwischendurch mal dem Tor des FC Arsenal genähert hatten.

Nach dem 1:0 im Hin- und dem 0:2 im Rückspiel sind sie - wie schon in der vergangenen Saison - im Viertelfinale der Champions League ausgeschieden. 2019 und 2021 hatten sie es ins Halbfinale geschafft. Damit bleibt der Titel im wichtigsten europäischen Klubwettbewerb für die Bayern ein unerfülltes Ziel. Arsenal hingegen steht erstmals seit einem Jahrzehnt wieder unter den besten Vier, wie auch der FC Barcelona, der am gleichen Abend vor 54 667 Zuschauern im Camp Nou 5:1 gegen AS Rom gewann. "Wir haben dieses Spiel in den ersten zehn, 15 Minuten der ersten Halbzeit hergegeben. Großes Lob an Arsenal, wir waren nicht clever genug, um eine Lösung zu finden", sagte Bayern-Trainer Alexander Straus.

Der Norweger hatte im Dauerregen gestikuliert und gerufen, dabei reichte schon sein grimmiger Blick, um zu sehen, dass hier einer ganz schön unzufrieden war - er machte später im Trockenen auch keinen Hehl daraus. "Heute sind manche unserer Spielerinnen nicht an das hohe Level gekommen, das sie normalerweise haben", sagte Straus. "Und das brauchen wir in solchen Spielen. Aber an manchen Tagen ist es eben so." Mit dieser Kritik baute er keinesfalls eine Konfliktlinie zu seinem Team auf - in dieser Meinung herrschte Einigkeit. Lina Magull fand es frustrierend, Georgia Stanway sah vor allem einen Grund ausschlaggebend: "Ich glaube, es waren individuelle Fehler, die uns den Sieg gekostet haben. Wir haben nie wirklich einen Spielfluss reinbekommen, haben selbst Probleme verursacht und uns so unter Druck gesetzt."

"Wir müssen versuchen, das Momentum zurückzubekommen, das wir gegen Wolfsburg hatten", sagt Georgia Stanway

Die 21 307 Zuschauer sahen eine Offensivwelle nach der anderen in die Münchner Hälfte schwappen. Die Londonerinnen hielten mit konsequentem Pressing den Druck aufrecht, sodass die Gegnerinnen gar nicht erst in einen eigenen Rhythmus finden konnten. Hinzu kamen einige Ballverluste der Bayern - dabei waren sie zuletzt mit Ruhe am Ball und einer verlässlichen Defensive aufgefallen, der bis dato besten der Bundesliga. Dass Kapitänin Kim Little nach zwölf Minuten verletzungsbedingt ausgewechselt werden musste, brachte Arsenal kein bisschen aus dem Konzept. Nur fehlende Präzision und die stark parierende Grohs verhinderten ein deutlicheres Ergebnis, das Torabschluss-Verhältnis lautete am Ende 15:5. Dabei fehlen in Vivianne Miedema und Beth Mead gerade die besten Stürmerinnen der Gunners.

Mit derart wenig Partizipation hatten die Bayern nicht gerechnet. Auch wenn sie von der zweiten Hälfte des Hinspiels, in der Arsenal bereits das bessere Team war, gewarnt waren: Die Ausgangslage hatte für sie gesprochen. Kurz vor dem Kopfball der unaufhaltsamen Stina Blackstenius zum 2:0 hatte Frida Maanum aus 20 Metern in der 20. Minute die erste deutliche Ansage gemacht. Dem präzise geschossenen 1:0 war eine ebenso präzise Vorarbeit vorgelagert gewesen, vor allem aber ein eklatanter Bayern-Fehlpass, der das alles erst ermöglichte und stellvertretend stand für manche Fahrlässigkeit. "Dadurch waren wir etwas erschüttert, was ehrlich gesagt enttäuschend war, dass das Selbstbewusstsein im Team danach für eine Weile verschwand", sagte Straus. Denn hatten die Münchnerinnen nicht schon seit Wochen und besonders in den vergangenen Tagen genau das aufgebaut?

Mit einer Serie von 14 Partien ohne Niederlage waren sie nach London gereist, davon hatten sie sieben Mal hintereinander zu Null gespielt. Noch dazu war die Hoffnung auf einen Titelgewinn in der eigentlich schon verloren geglaubten Meisterschaft zurückgekehrt: Am Samstag hatte sich der FC Bayern gegen den VfL Wolfsburg durchgesetzt und damit die Tabellenspitze der Bundesliga erobert. Durch einen Elfmeter und mit einem dünnen Polster von einem Punkt, aber das war nicht so wichtig, das Selbstbewusstsein erhielt auch so einen Schub, zusätzlich zum Booster aus dem Viertelfinal-Hinspielsieg.

Doch es war, wie sich nun zeigte, ein Status auf Pump, der angesichts mangelnder Rotationsmöglichkeiten aufgrund diverser verletzungsbedingter Ausfälle bei der hohen Belastung in einem von drei Wettbewerben nicht mehr haltbar war. Das Fehlen von Giulia Gwinn (Kreuzbandriss) und Linda Dallmann (Syndesmosebandriss) sowie der beiden Verteidigerinnen Carolin Simon und Tainara macht sich bemerkbar. Zudem konnte Sydney Lohmann wegen muskulärer Beschwerden nicht eingesetzt werden. Taktische Umstellungen nach der Pause, wie der Wechsel von einer Vierer- auf eine Dreierkette, trugen zwar zu einer Leistungssteigerung und etwas mehr Abschlussmöglichkeiten nach der Pause bei, aber das Aufbäumen reichte nicht. "Wir werden das aufarbeiten und müssen versuchen, das Momentum zurückzubekommen, das wir gegen Wolfsburg hatten", sagte Georgia Stanway. Und so mussten sie sich beim FC Bayern also damit trösten, im DFB-Pokal sowie in der Meisterschaft noch Titelchancen zu haben. Zumindest in der Bundesliga wartet kein Gegner wie Arsenal mehr.

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