Süddeutsche Zeitung

Frankfurt in der Champions League:Blackout bei der Eintracht

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Beim Champions-League-Debüt ist die Stimmung im Frankfurter Stadion erneut exzellent. Doch sportlich stößt der Bundesligist an Grenzen - und ist in der Gruppe bereits in Nöten.

Von Frank Hellmann, Frankfurt

Kevin Trapp spielt lange genug bei Eintracht Frankfurt, um das laute Verlangen aus der Nordwestkurve nicht zu ignorieren. Bloß aus sicherem Abstand artig Applaus für die Unterstützung zu spenden, kam für den Keeper und Kapitän nicht infrage. Fans und Spieler stehen in diesem Verein eng zusammen - an guten wie an schlechten Tagen. Also schickte der Nationaltorwart nach dem bitteren 0:3 gegen Sporting Lissabon seine Mitspieler mit ausladenden Handbewegungen weiter nach vorne, ehe der 32-Jährige selbst mit den Ultras in den Dialog trat.

Schon bei der Ehrenrunde hatten die Eintracht-Profis vernommen: Auch eine Heimpleite zur Champions-League-Premiere reißt nicht sofort alles ein, was der Europa-League-Sieger sich aufgebaut hat. Trapp, der aus seiner Zeit bei Paris Saint-Germain Tiefschläge auf dieser Bühne kennt, wusste am besten, welche Essenz diesen stimmungsvollen wie ernüchternden Sommerabend im Frankfurter Stadtwald überspannte: "Das ist das Lehrgeld, das du auf diesem Niveau bezahlst." Noch deutlicher formulierte es Trainer Oliver Glasner: "Es war ein Sieg der Effizienz. Sie haben uns knallhart abgeschossen. Das tut weh, aber wird uns nicht umwerfen, sondern wir werden viel daraus ziehen."

Allerdings sind rasche Lernfortschritte gefragt. Eine weitere Niederlage am kommenden Dienstag bei Olympique Marseille (0:2 bei Tottenham Hotspur) ist verboten, soll das Kapitel Königsklasse für die Eintracht nicht bereits beendet sein, wenn die Gruppenphase endet. Die Anhängerschaft bewies bereits mit Abpfiff Voraussicht: "Auswärtssieg, Auswärtssieg", skandierte das Publikum, das sich in gewohnt beträchtlicher Zahl in die südfranzösische Hafenstadt aufmachen wird. Frankfurts Fans würden wohl auch eine Reise nach Alaska auf sich nehmen, um die Eintracht zu unterstützen.

Die Anforderungen an Eintracht-Trainer Glasner sind höher in dieser Saison

"Das ist ein Gänsehaut-Moment. Der Support ist unglaublich", sagte der Schweizer Nationalspieler Djibril Sow, der mit seinem neuen Mittelfeldkollegen Eric-Junior Dina Ebimbe in der entscheidenden Phase allerdings nicht in der Lage war, die zentralen Löcher zu stopfen, die die Gäste zu fein herauskombinierten Kontertoren durch Marcus Edwards (65.), Francisco Trincão (67.) und Nuno Santos (82.) nutzten. Sow sprach von einem "Blackout". Als habe jemand wegen der Energiekrise diesem energetischen Ensemble den Stecker gezogen. Nur: Im Sparmodus kommt auf diesem Niveau niemand weiter. Selbst der für seine vielseitigen Fähigkeiten hochgelobte Mittelstürmer Randal Kolo Muani, der nach 90 Sekunden die Chance zum Führungstreffer vergab, stieß an Grenzen.

So versuchte es Glasner hinterher mit einer kämpferischen Botschaft. Er habe gelesen, erzählte der Österreicher, dass seit einem Vierteljahrhundert kein Champions-League-Neuling mehr die Gruppenphase überstanden habe: "Wir wollen die Ersten sein." Der 48-Jährige klang so, als wolle er am liebsten morgen in Marseille alles besser machen, aber dummerweise ist am Wochenende erst mal wieder die Bundesliga an der Reihe. Mit dem VfL Wolfsburg kommt zum dritten Heimspiel binnen acht Tagen jener Fußballlehrer zurück in den Stadtwald, der die vielen, vielen schönen Europapokalnächte am Main erst ermöglicht hat.

Wenn Niko Kovac den Klub 2016 nicht über die Relegation in der Liga gehalten und vor seinem Abschied zum FC Bayern 2018 noch zum Pokalsieg geführt hätte, wäre die Traumreise durch Europa nie so gestartet. Glasner wiederum hat den Wolfsburgern bei seinem Abschied noch eine Champions-League-Teilnahme hinterlassen, die rückblickend nicht hoch genug bewertet werden kann. Bei der Eintracht hat er im ersten Jahr irgendwann die Bundesliga ziemlich schleifen lassen und alles auf die Europa League gesetzt - mit dem bekannten Happy End in Sevilla.

In dieser Saison aber verlangen seine Vorgesetzten, den deutlich breiter aufgestellten Kader wettbewerbsübergreifend an die Leistungsgrenze zu führen. Sportvorstand Markus Krösche hat das am Mittwochabend geschickt formuliert, als er sagte: "Die Jungs habe eine Erfahrung gegen einen guten Gegner gemacht, der über Jahre schon in dem Wettbewerb spielt. Wir können daraus viele Sachen für die Bundesliga mitnehmen."

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