Champions League:Ein Tor sagt mehr als jedes Lächeln

Der Engländer David Beckham kämpft bei seinem Verein Real Madrid gegen das Stigma des Dandys - nun hofft er auf das Spiel gegen den FC Bayern.

Javier Cáceres

Der Beau verabschiedete sich mit einem rätselhaften Lächeln in die Nacht, es war seine einzige Entgegnung auf die Frage britischer Journalisten, ob er nicht vielleicht doch stehenbleiben wolle: "David?" Ein paar Worte nur hatten sie ihm abringen wollen, doch David Robert Joseph Beckham zog bloß ihre Blicke hinter sich her.

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Größter Exponent der Galácticos-Politik: David Beckham.

(Foto: Foto: AFP)

Das kleine Grüppchen, das zurückblieb, gab sich allen Ernstes dem Versuch hin, seine Mimik zu deuten. Als wäre er die Mona Lisa und nicht Fußballer bei Real Madrid, als wären sie keine Sportreporter, sondern Kunstkritiker, als stünden sie nicht in der kalten Samstagnacht im Gemäuer des Estadio Santiago Bernabéu, sondern im Louvre von Paris.

So funktioniert Beckham: Rätsel hinterlassend. Mal mit einem Lächeln, mal mit seinem legendären rechten Fuß.

Wenn Beckham an diesem Dienstagabend das Estadio Santiago Bernabéu betritt und im Achtelfinale der Champions League gegen den FC Bayern München spielt, wird die Luft für ihn nach finaler Chance riechen. In der spanischen Liga liegt Real Madrid an vierter Stelle, im Königspokal ist der Klub ausgeschieden, da bleibt nur die Champions League als letzte Patrone.

In seinem Fall: Als allerletzte Patrone im Kampf gegen das Stigma des Fußball-Dandys, der mehr Glamour-Blätter füllt als Fußball-Magazine und deshalb zu einem Sisyphos im Kampf gegen das Scheitern geworden ist. Bei Real ist Beckham bisher ohne bleibende Erfolge.

Es war Mitte 2003, als er verpflichtet wurde, als größter Exponent der Galácticos-Politik von Florentino Pérez, dem wichtigsten Bauunternehmer des Königreichs Spanien und damaligen Präsidenten Real Madrids.

Es ging um die Verschmelzung globaler Marken: Hier der Klub, dort die Galaktischen, die Stars. Luis Figo war der Erste, es folgten Zinedine Zidane, Ronaldo und dann Beckham als Waffen in einer globalen Schlacht um Marketingeinnahmen - vor allem in Asien, dem Markt der Zukunft. Dem Markt, in dem Beckham die Ikone war.

Ein Star wie Michael Jordan

Pérez, das war der Mann, der den Horizont Madrids verändert hat, nicht zuletzt mit dem umstrittenen Verkauf der alten Sportstadt von Real Madrid im Norden der Kapitale: Vier Bürotürme bohren sich dort in den Himmel, als wären sie Denkmäler der galaktischen Ära Real Madrids. Pérez, das war aber auch der Mann, der dem Irrglauben erlag, der Fußball funktioniere mit der gleichen Präzision wie Einsteins Formel von der Relativitätstheorie. Der nicht wusste, dass im Fußball nicht mal eins plus eins gleich zwei ist und zwei plus zwei nicht vier.

Wer wollte, konnte damals, im Juli 2003, im steinernen Gesicht des großen Alfredo Di Stéfano das Befremden derer sehen, die wissen, dass der Ball rund ist. Di Stéfano selbst war in den fünfziger Jahren einer der ersten globalen Fußballstars gewesen und doch etwas völlig anderes. Er stammte aus einer Zeit, als die Hemden von eins bis elf durchnummeriert waren.

Nun stand er auf einer Bühne vor 800 Leuten, die nur gekommen waren, um zu sehen, wie er einem jungen Mann mit Pferdeschwanz ein Trikot mit der Rückennummer 23 übergab - 23, weil das die Zahl war, die ein anderer globaler Sportstar, der Basketballspieler Michael Jordan von den Chicago Bulls, in eine Marke verwandelt hatte. Beckham, das war Jet-Set und Privatjet; Di Stéfano hatte panische Angst vorm Fliegen.

Di Stéfano war der erste Allrounder des europäischen Fußballs, Beckham der seltsame Fall eines Kickers, der es zu Weltruhm gebracht hat, nur weil er den Ball besser trifft als andere: Als wäre Fußball putten, wie beim Golf. "Ich bin nicht als Galáctico hierher gekommen, sondern als Fußballer", hat Beckham beteuert. Doch glauben wollte ihm keiner so recht.

Wie auch? Das Einzige, was seit Beckhams Landung in Madrid mit mathematischer Präzision funktioniert, ist die Steigerung der Einnahmen. Real Madrid TV, der klubeigene Sender, bestrahlt per Satellit zwei Drittel des Planeten mit Konserven alter Spiele, dem Training, den Pressekonferenzen aus dem Vereinszentrum Valdebebas.

Einer Erhebung der Prüfungs- und Beratungsgesellschaft Deloitte&Touche zufolge hat der Klub, vor zehn Jahren nah am Kollaps, die Einnahmen in fünf Jahren auf 292,2 Millionen Euro verdoppelt. Er ist Europas reichster Verein. Real Madrid kann sogar die Pleite des Trikotsponsors BenQ kompensieren, obwohl dadurch mit 17 Millionen Euro ein Drittel der Werbeeinnahmen ausfällt.

Nur: Wofür köpfen die Fans Schaumweinflaschen am Kybele-Brunnen in der Madrider Innenstadt? Für Kontoauszüge und globale mediale Aufmerksamkeit um einen Fußballer, der es in Sachen Styling mit Paul Weller aufnehmen kann, dem Gottvater des Britpop? Oder für glitzernde Pokale aus edlem Metall?

Beckham hat bei Real Madrid sechs Trainer und vier Präsidenten erlebt und auch deshalb mit Real Madrid nicht einen einzigen Titel errungen, keinen jedenfalls, der diesen Namen verdient. Es gibt Fußballinteressierte in Spanien, die wissen nicht mal, dass es den Supercup gibt, den er 2003 holte, sie denken in anderen Kategorien.

In Copas de Europa, in Champions-League-Siegen, der alte Di Stéfano holte derer fünf. Sieg heißt auf Spanisch Victoria, doch die einzige Victoria, die Beckham, 31, in die Stadt brachte, war seine Gattin: Eine frühere Sängerin, die es als Teil einer Popband namens Spice Girls zu Ruhm brachte.

Victoria - der Tod des Fußballs

Victoria Beckham hat ihrem Familiennamen Beckham einen Stammplatz in Hola! verschafft, der führenden Klatschzeitschrift des spanischen Königreiches, und wird dafür in Fußballkreisen verdammt wie einst Yoko Ono nach der Trennung der Beatles. "Den Tod des Fußballs" will Bayern-Manager Uli Hoeneß in ihr erkannt haben.

Vorerst hat sie nur den Fußballer Beckham beerdigt, sie war es ja, die ihn überzeugte, sich in Hollywood niederzulassen, wo die roten Teppiche schneller zu erreichen sind und ihre Spielkameraden wohnen: Jennifer Lopez, Tom Cruise. Von Juli an wird Beckham bei Los Angeles Galaxy spielen, in den USA, wo Fußball soccer heißt. In fünf Jahren wird er dort 180 Millionen Euro verdienen können, weil er, anders als in Madrid, seine Werberechte selbst ausschlachten kann.

Im Januar hatte Beckham seinen bevorstehenden Wechsel bekannt gegeben, danach hat Real Madrids italienischer Trainer Fabio Capello ihn vor die Tür gejagt wie einen Hund. "Nie wieder" werde Beckham bei Real Madrid spielen, sagte der Italiener, stattdessen seine drei Millionen Euro netto bis zum Ausscheiden in einem zwar wohlklimatisierten, aber eben doch demütigenden Exil absitzen können. In einer verglasten Vip-Loge des Estadio Santiago Bernabéu, an der Seite Mama Sandra, derweil die Kollegen sich auf dem Rasen mühen.

Er rettet seinen Henker

Für Capello war es außerhalb jeder Vorstellungskraft, dass Beckham, die Diva, sein feines Füßlein für Real Madrid riskieren könnte. Ein Missverständnis, ein grundlegendes, das Beckham schon seit Jahren verfolgt. Denn Beckham ist eine Diva mit proletarischem Ethos. Aufrichtig, still und leise arbeitete er vor den Augen des misstrauischen Vorgesetzten, so aufopferungsvoll, dass Kameraden und Journalisten seine Begnadigung forderten, sie dem umstrittenen Capello aufzwangen. Allein die Berufung nach fast zweimonatiger Verbannung war ein Sieg für Beckham.

Ein erster, kleiner Sieg in vier Jahren Madrid, dem er vor zehn Tagen einen zweiten folgen ließ: Er rettete Capello, "seinen Henker", wie Zeitungen schrieben, mit einem Tor gegen San Sebastian vor dem Rauswurf - der Trainer soll am Montag allerdings laut Radio Cope dennoch seinen Rücktritt angekündigt haben. Nach dem Tor gegen San Sebastian war in Beckhams Gesicht keine Spur der Genugtuung zu erkennen. Bloß ein Lächeln, das man deuten konnte, wie man wollte.

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