Süddeutsche Zeitung

Champions League:Cristiano Ronaldo schießt Selfies statt Tore

  • Beim 1:0 für Juventus Turin liefert Cristiano Ronaldo eine Vorstellung ab, die für einen Fußballer mannschaftsdienlicher kaum hätte ausfallen können.
  • Und auch sonst gibt er sich gönnerhaft: Mit Fans schießt er vor deren Abtransport Selfies auf dem Rasen.
  • Die Vergewaltigungsvorwürfe einer US-Amerikanerin streitet Ronaldo in Manchester rigoros mit Verweis auf ein "reines Gewissen" ab.

Von Sven Haist, Manchester

Auf seine Fans bei Manchester United, für die er 118 Tore in 292 Spielen erzielt hat, konnte sich Cristiano Ronaldo verlassen. Nach nicht einmal drei Minuten war bei seiner Rückkehr ins Old Trafford mit Juventus Turin schon der erste Verehrer zur Stelle. Für den Wunsch nach einem Selbstporträt mit Ronaldo sprang ein Anhänger über die Absperrung aufs Spielfeld. Das Wettrennen mit den Sicherheitskräften endete direkt vor Ronaldo, als der Unruhestifter den Halt auf dem Platz verlor und ausrutschte. Die Ordnungshüter stürzten sich mit Vehemenz auf den unliebsamen Gast, um ihn schnellstmöglich aus dem Stadion zu schaffen. In der Manier eines Streitschlichters versuchte Ronaldo, die Lage zu beruhigen und reichte dem Eindringling die Hand.

Der nächste Querfeldeinläufer nach Abpfiff landete ebenso in den Fängen des Wachdienstes. In diesem Fall ließ sich Ronaldo dessen Mobiltelefon geben und wartete ab, bis sich der Störenfried im Clinch mit den Stewards eine Position für den Schnappschuss erkämpft hatte. Beim Abtransport steckte Ronaldo dem Querulanten das Handy am Wachpersonal vorbei wieder zu. Die Vorgänge lassen Ronaldo als volksnahen Weltstar erscheinen, der sich sogar während der Arbeit für seine Fans einsetzt. Allerdings wirken diese an sich honorigen Gesten nicht ganz so honorig, wenn man bedenkt, dass es den Zuschauern aus gutem Grund untersagt ist, den Rasen zu betreten. Zumal hinter der Barmherzigkeit des Portugiesen ohne Weiteres auch Kalkül stecken könnte.

Die Vergewaltigungsvorwürfe einer Amerikanerin streitet Ronaldo vehement ab

Seit der Auslosung der Vorrunde galt das Treffen zwischen dem englischen und italienischen Rekordmeister aufgrund des Heimatbesuchs von Ronaldo in Manchester als Attraktion des dritten Spieltags der Champions League. Das versetzte Ronaldo in die Lage, sich mit jeder Aktion im Spiel vor den Augen der gefühlt ganzen Fußballwelt profilieren zu können. Und sein Ansehen bei den Leuten da draußen dürfte gerade mehr denn je von Belang sein, nachdem ihn kürzlich die US-Amerikanerin Kathryn Mayorga der Vergewaltigung im Juni 2009 in Las Vegas beschuldigte und Klage vor Gericht einreichte. Die Vorwürfe streitet Ronaldo rigoros mit Verweis auf ein "reines Gewissen" ab.

Beim 1:0 für Juventus Turin lieferte Ronaldo, 33, am Dienstag eine Vorstellung ab, die für einen Fußballer mannschaftsdienlicher kaum hätte ausfallen können. Beinahe selbstlos hielt er seinen Eigenwert zurück und reihte sich auf der linken Offensivseite in die Formation ein. Von dort aus beteiligte sich der Angreifer an den Kombinationen seines Teams, mal zog es ihn ins Zentrum, mal nach hinten, mal wechselte er die Seite oder bot sich für ein Zuspiel hinter der gegnerischen Abwehrkette an. Leibhaftig half Ronaldo in der Defensive wie selbstverständlich für seine Kollegen mit aus, als wolle er in einem Spiel beweisen, dass die angesammelten Vorurteile über seine Spielweise in den bisherigen 16 Jahren seiner Karriere auf einem Wahrnehmungsfehler beruhten.

Den Siegtreffer seines Sturmpartners Paulo Dybala leitete Ronaldo mit einer sehenswerten Flanke ein (17.). Durch drei Erfolge zum Auftakt kann sich Juventus Turin schon im Rückspiel in zwei Wochen das Weiterkommen ins Achtelfinale sichern. In dieser Spielzeit gilt die Mannschaft nach den beiden verlorenen Champions-League-Finals 2015 und 2017 als einer der aussichtsreichsten Titelbewerber. Im Gegensatz zu Manchester United, für das es im Fernduell mit dem FC Valencia darum geht, sich die Peinlichkeit eines Ausscheidens zu ersparen. Einzig im Ergebnis sieht es so aus, als ob das Ensemble um Trainer José Mourinho mit Juve hätte mithalten können. Die Spielanlage zwischen beiden Klubs glich einem Klassenunterschied.

Seine beste Chance vergibt Ronaldo mit einem Drehschuss

Mit seinen selbstlosen Laufwegen und Ballkontakten sowie seiner agilen Körpersprache gab Ronaldo zu verstehen, dass es ihm just in dieser Begegnung auf keinen Fall um sein persönliches Wohl gehe, nämlich ein Tor zu erzielen gegen seinen ehemaligen Klub. In mehreren Situationen der Schlussphase, in denen ein Torschuss vielversprechend gewesen wäre, verzichtete der Torjäger jeweils auf eine Einzelaktion zugunsten einer Ablage für den Mitspieler. Offensichtlich schien es den Rekordschützen der Königsklasse mit 120 Toren in 155 Einsätzen nicht weiter zu tangieren, dass ihm in dieser Saison international bislang kein Treffer gelungen ist nach seinem Transfer im Sommer aus Madrid zu Juventus für eine Ablöse von 100 Millionen Euro.

Seine beste Chance vergab Ronaldo zu Beginn der zweiten Halbzeit mit einem Drehschuss, den David de Gea bei ManUnited mit einer Hand übers Tor lenken konnte. Mit Ovationen und unter einem Sprechgesang zu seinen Ehren verließ der fünfmalige Weltfußballer als letzter Spieler die alte Wirkungsstätte. Auf dem Weg zum Stadionausgang legte er die Hand aufs Herz. "Ein wichtiger Sieg in einem sehr emotionalen Spiel für mich. Es war großartig, wieder im Old Trafford zu spielen. Danke an alle Fans für den Empfang und die Unterstützung", schrieb Ronaldo auf Instagram. Die Botschaft passte zu seinem geradezu demütigen Auftreten an diesem Abend.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4183159
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ.de/jki/sks/cat
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.