BVB in der Champions League:Ein Fall für die Lippenleser

Champions League - Round of 16 Second Leg - Borussia Dortmund v Sevilla

"Kiricocho": Haaland bei seiner Auseinandersetzung mit Torwart Bounou.

(Foto: Ina Fassbender/Pool via Reuters)

Borussia Dortmund zieht erstmals seit 2017 ins Viertelfinale der Königsklasse ein - dank skurriler sieben Minuten, an deren Ende Erling Haaland plötzlich Sevillas Torwart anschreit.

Von Ulrich Hartmann

Es bräuchte einen babylonisch diplomierten Lippenleser, um zu erfahren, wie sich der marokkanische Torwart einer spanischen Mannschaft und der norwegische Stürmer einer deutschen Mannschaft am Dienstagabend im westfälischen Dortmund gegenseitig beleidigt haben. BVB-Stürmer Erling Haaland wollte das Wort im Interview mit dem Sender Sky jedenfalls nicht preisgeben, weil nicht nur Sevillas Torwart Yassine Bounou es benutzt haben soll - sondern Haaland ja auch selbst.

Nachdem Bounou zunächst einen Elfmeter von Haaland gehalten hatte, schrie Sevillas Torwart ihm etwas ins Gesicht, und als Haaland den zu wiederholenden Elfmeter zwei Minuten später verwandelte, will er Bounou genau Dasselbe zurück ins Gesicht geschrien haben, ohne überhaupt zu wissen, was es eigentlich bedeutet. Haaland sah aber Gelb für seine Geste der Aggression.

Dieser mysteriöse Disput war Bestandteil äußerst skurriler sieben Minuten im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League zwischen Borussia Dortmund und dem FC Sevilla. Das am Ende noch hochspannende 2:2-Unentschieden genügte den Dortmundern so gerade zum Einzug ins Viertelfinale, weil sie das Hinspiel in Sevilla 3:2 gewonnen hatten. Für Haaland war am Ende "alles Karma", also: Vorsehung, Schicksal. Ein Wort, das man immer gut anbringen kann.

Haaland zeigte sich unbeeindruckt - und verwandelt den Elfmeter im zweiten Versuch

In besagter Spielphase benötigte Haaland unglaubliche drei Versuche für seinen Treffer zum zwischenzeitlichen 2:0. Zwischen einem Foul an ihm und jenem Elfmeter, den er dann selbst zum 2:0 verwandelte, vergingen sieben turbulente Minuten. Und das kam so: In der 47. Minute wurde Haaland im Strafraum gehalten. Das Spiel lief allerdings weiter. In der 48. Minute erzielte Haaland das 2:0. Der Videoreferee meldete sich, allerdings nicht, weil Haaland sich vor dem Treffer womöglich zu rustikal durchgesetzt haben könnte, sondern weil das Foul an Haaland in der 47. Minute für elfmeterwürdig erachtet wurde. Haalands Tor aus dem Spiel heraus wurde also zurückgenommen, und stattdessen gab es Elfmeter.

Nach längerer Video-Ermittlungszeit, in der 52. Minute, lenkte der Torwart Bounou diesen Elfmeter an den Pfosten und parierte auch noch Haalands Nachschuss. Daraufhin brüllte er dem weglaufenden Haaland etwas sichtlich Fieses ins Gesicht. Haaland zeigte sich unbeeindruckt. Das Spiel lief zunächst einfach weiter, doch nach einer Minute meldete sich wieder der Videoreferee, weil Bounou sich bei Haalands Elfmeter regelwidrig von der Torlinie gelöst hatte. Deshalb wurde der Elfmeter wiederholt.

In der 54. Minute verwandelte Haaland den zweiten Elfmeter, sieben Minuten nach dem eigentlichen Foul an ihm - und berichtete hinterher im Interview, dass er Bounou dann ein Wort zugeschrien habe, das dieser zuvor auch ihm entgegengeschrien hatte. "Ich weiß nicht so richtig, was er da zu mir gesagt hat", erklärte Haaland grinsend, "aber genau das habe ich dann auch zu ihm gesagt."

Dass Sevilla die ersten 35 Minuten bis zu Haalands 1:0 und auch die letzten 35 Minuten nach Haalands 2:0 sowie die eigentlich zu spärlichen sechs Minuten Nachspielzeit derart klar dominiert hatte, dass der BVB am Ende nur auf 37 Prozent Ballbesitz kam, war die andere Skurrilität dieses Spiels. Sevillas Stürmer Youssef En-Nesyri machte die Partie durch zwei Treffer in der 68. Minute sowie in der sechsten Minute der Nachspielzeit noch einmal spannend. Aber die letzten Sekunden reichten den Spaniern dann nicht mehr zu jenem 3:2, das die Verlängerung bedeutet hätte.

20 Tore in 14 Champions-League-Spielen, ein einsamer Rekord

Für Haaland waren es in seinem 14. Champions-League-Spiel die Treffer 19 und 20. Ein einsamer Rekord. "Erl ist herausragend, er macht uns stolz", sagte der BVB-Trainer Edin Terzic. Auch von Sevillas Coach Julen Lopetegui kam eine rhetorische Auszeichnung: "Haaland wird eine Ära prägen."

Sevillas Liga-Konkurrent Real Madrid bereitet nach Medienberichten ein unmoralisch hohes Angebot für Haaland vor. "Es ist nicht von uns beeinflussbar, wer sich da was in den Kopf setzt", sagte Sportdirektor Michael Zorc bei Sky, "wir planen weiter mit ihm - wir können dieses Spielchen ab sofort bei jedem Zeitungsbericht machen, aber das brauchen wir nicht."

Selig war Zorc über Dortmunds ersten Viertelfinal-Einzug seit 2017, denn dieser wird mit 10,5 Millionen Euro prämiert. Geld, das die Dortmunder in Corona-Zeiten gut brauchen können.

Zur SZ-Startseite
FILE PHOTO: Premier League - Liverpool v Fulham

Krise des FC Liverpool
:Klopps schwerste Stunde

Der Trainer erlebt seine heikelste Phase als Liverpool-Coach. Er fühlt sich an den Absturz mit Dortmund erinnert - lehnt den Bundestrainer-Posten aber kategorisch ab.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: