Süddeutsche Zeitung

Gladbach in der Champions League:Aufgefressen vom Monster Manchester

Das Wunder von Budapest bleibt aus - wer soll dieses Manchester City auch stoppen? Gladbach-Trainer Marco Rose muss erkennen, dass sein Team nach seiner Abschieds-Ankündigung ein anderes geworden ist.

Von Ulrich Hartmann

"Sie haben uns aufgefressen", sagte der Kapitän Lars Stindl und sah tatsächlich ein bisschen schlecht verdaut aus. Borussia Mönchengladbachs siebte Pflichtspiel-Niederlage nacheinander war das 0:2 (0:2) am Dienstagabend im Achtelfinal-Rückspiel der Champions League gegen Manchester City. Das Ergebnis klang moderat, aber die Gladbacher hatten keine Chance.

Mit "aufgefressen" meinte Stindl die Art und Weise, wie sich die Engländer mit klugem Positionsspiel und hoher Laufbereitschaft immer wieder die Bälle geholt haben. Man muss sich das vorstellen wie beim Spieleklassiker Pacman. Da fressen sich bunte Monster punktesammelnd durch Labyrinthe. Man ist in der Champions League, in der am Freitag das Viertel- und Halbfinale ausgelost wird, gespannt, ob irgendjemand dieses Manchester-Monster stoppen kann.

Dass die Gladbacher es nicht sein würden, war ja irgendwie klar. Dabei wären die äußeren Bedingungen für eine Champions-League-Sensation, für das Wunder von Budapest, für eine der unglaublichsten Europapokalnächte in der Historie von Borussia Mönchengladbach theoretisch sogar ganz gut gewesen. Das eigentlich hoffnungslos übermächtige Manchester City von Pep Guardiola mit nur einer Niederlage aus 31 Pflichtspielen und einem 2:0-Vorsprung aus dem Hinspiel gegen die seit acht Pflichtspielen sieglosen Gladbacher - genau so funktionieren Fußballwunder manchmal. Aber so funktionierte das am Dienstagabend in Budapest überhaupt nicht. "Der Gegner war eine Nummer zu groß", sagten hinterher im Sky-Interview unabhängig voneinander erst Stindl und dann der Trainer Marco Rose. Eine weitere Niederlage nur noch am kommenden Samstagabend bei Schalke 04 wäre die achte nacheinander in Pflichtspielen und damit Gladbacher Vereinsrekord. Das gab es erst ein Mal: im Jahr 1989.

Das Spiel war schon nach 18 Minuten entschieden. Kevin de Bruyne (12.) und Ilkay Gündogan (18.) brachten Manchester früh mit 2:0 in Führung. Bei Gladbach durfte der Mittelstürmer Breel Embolo von Beginn an mitspielen. Er hatte keine gute Erfahrung mit Achtelfinal-Rückspielen gegen Manchester City. Am 12. März 2019 stand der Schweizer auch bei Schalke 04 in der Startelf, als die Gelsenkirchener in Manchester 0:7 verloren. Eine solch kapitale Blamage blieb den Gladbachern erspart. City ließ es in der zweiten Halbzeit gemächlich angehen. Sie haben die Bälle im Pressing gefressen, aber sie wollten Gladbach nicht demütigen.

Sieben Niederlagen nacheinander mit nur vier eigenen Treffern sprechen eine deutliche Sprache

Für die Borussia bedeutet das Aus in der Champions League, dass es ab sofort eineinhalb Jahre dauern könnte, ehe sie wieder international mitspielen darf. Denn in der Bundesliga ist das Team derzeit weit entfernt von einem Qualifikationsrang für einen Europapokalwettbewerb. "So ein Spiel noch mal zu genießen, diese Hymne noch mal zu hören", war deshalb das emotionale Ziel des Innenverteidigers Nico Elvedi, der seinen Vertrag in Gladbach soeben bis 2024 verlängert hat. Auch wenn die Champions League für seine Borussen nun erst einmal Geschichte ist, sieht der Schweizer noch Chancen in der Bundesliga: "Die Saison ist noch nicht vorbei und noch ist nicht entschieden, dass wir eineinhalb Jahre nicht mehr international spielen." Der siebte Platz, der für Playoffs zur neuen Conference League reichen könnte, ist allerdings auch schon fünf Punkte weg.

Laut dem im Sommer zu Borussia Dortmund wechselnden Trainer Marco Rose hatte das sportlich aussichtslose Spiel gegen Manchester immerhin die Chance geboten, nach all den deprimierenden Niederlagen "an unserem Gefühl zu arbeiten". Aber Spaß hat es seinen Spielern erkennbar keinen gemacht, gegen Manchester zu verlieren. Rose betonte, wie gut seine Jungs sich gewehrt hätten. Nach den meisten der jüngsten sieben Niederlagen hat er Leistung oder Mentalität besonders gelobt, um nicht dem öffentlichen Eindruck zu verfallen, er erreiche seine Mannschaft nicht mehr. Sieben Niederlagen nacheinander mit nur vier eigenen Treffern sprechen allerdings eine deutliche Sprache. Seit Roses angekündigtem Abschied fehlt der Mannschaft das Gewinner-Gen. Sky hat ausgerechnet, dass die Großchancenverwertung seither von zuvor 60 Prozent auf nur noch 13 Prozent abgestürzt ist.

Und so endet eine mit dem Achtelfinale eigentlich sogar ziemlich erfolgreiche Champions-League-Teilnahme eher mau. Die Gladbacher müssen an den europäischen Verband Uefa eine Konventionalstrafe von 1,5 Millionen Euro zahlen, weil das Auswärtsspiel ihretwegen nach Budapest verlegt werden musste. Wäre im Virusmutationsgebiet Manchester gespielt worden, hätte sich Gladbach anschließend 14 Tage in Quarantäne begeben müssen. Schon am Samstagabend steht aber das Auswärtsspiel bei Schalke an. Dass die Inzidenz in Budapest exorbitant hoch ist, hat die Fußballer indes nicht allzu sehr besorgt. "Wir waren in der Bubble gut abgesichert", berichtete Elvedi. So sollte zum Virus namens Erfolglosigkeit nicht auch noch Corona hinzukommen.

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