Süddeutsche Zeitung

Champions League:Nur der FC Bayern wirkt konkurrenzfähig

England gegen den deutschen Meister - so sieht es an der europäischen Spitze zurzeit aus. Klubs wie Dortmund und Leipzig sollten sich in dieser Saison eher den FC Sevilla zum Vorbild nehmen.

Kommentar von Christof Kneer

Am Ende jeder Champions-League-Vorrunde steht in Deutschland ein Ritual: Anfang Dezember beugt sich das Fußballland in bewährter Gründlichkeit über die Bilanzen, studiert Tabellen, wägt Punktestände. Dazu gehört stets auch eine vergleichende Lektüre, die Bilanzen der deutschen Klubs werden neben die anderer Nationen gestellt, und am Ende ergeht dann ein höchstrichterliches Urteil.

Haben drei oder vier Bundesligisten das Achtelfinale erreicht, wird der deutsche Fußball für seinen tadellosen Zustand gelobt, selbst wenn einer der Achtelfinalisten Schalke 04 heißt und anschließend 0:7 bei Manchester City verliert (wie im März 2019). Sind nur zwei oder weniger Klubs weitergekommen, gilt der deutsche Fußball als international abgehängt, zumal einer der Klubs auch noch aus der Wertung fällt. Der FC Bayern hat die Bundesliga ja längst hinter sich gelassen, er steht im internationalen Fußball nur noch für sich selbst.

Paris Saint-Germain ist eher ein Showroom als eine Fußballmannschaft

Bemüht man diese klassische Dezemberlogik, müsste sich die Bundesliga jetzt fast ein bisschen schämen. Borussia Dortmund ist hinter Ajax Amsterdam und Sporting Lissabon ins Ziel gekommen, der VfL Wolfsburg hinter Lille, Salzburg und dem FC Sevilla. Wenigstens Leipzig darf auf mildernde Umstände plädieren, dank einer Vorrundengruppe (ManCity, Paris Saint-Germain), aus der es tatsächlich kaum ein Entkommen gab.

Dennoch muss man diesmal nichts unter- oder überinterpretieren, um nach sechs Champions-League-Spieltagen zumindest zu einem klaren Urteil zu gelangen: Die Dominanz der überreichen englischen Klubs spitzt sich in einem Maße zu, das sich mit allen Befürchtungen deckt - und der FC Bayern ist der einzige Festlandsklub, der im Idealfall konkurrenzfähig wirkt. Die Mannschaften von Real Madrid und Juventus Turin spielen inzwischen in der Nähe ihres Verfallsdatums, und Paris Saint-Germain ist eher ein Showroom als eine Mannschaft.

Für den deutschen Fußball (also nicht für den FC Bayern) bedeutet das, dass er sich erst mal an einer Mannschaft aus der Wolfsburg-Gruppe orientieren sollte. Der FC Sevilla jammert nicht, er hält der Schreckensherrschaft der Engländer eine schlaue Transferpolitik entgegen - und spezialisiert sich auf die Europa League, die er allein im vergangenen Jahrzehnt viermal gewonnen hat.

Von deutschen Topklubs ist dieser Wettbewerb zuletzt gerne missachtet worden, aber er könnte in der auseinanderdriftenden europäischen Fußballspitze der neue natürliche Lebensraum für ambitionierte Klubs werden, die auch mal was gewinnen wollen. Als Dritte ihrer Champions-League-Gruppen spielen Dortmund und Leipzig nun in der Europa League weiter und dürfen gerne den Ehrgeiz entwickeln, dort weit zu kommen. Das Problem ist nur: Das Europa-League-Finale steigt in Sevilla - und der FC Sevilla spielt auch wieder mit.

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