Champions League:Bayern verspeist, was der Speiseplan hergibt

  • Der Halbfinaleinzug nach dem 0:0 im Rückspiel gegen den FC Sevilla gibt wenig Aufschlüsse darüber, ob die Bayern ein Kandidat auf den Champions-League-Titel sind.
  • Die Spieler geben sich pragmatisch - und trauen sich einiges zu.
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Aus dem Stadion von Martin Schneider

Wer nicht mehr weiterweiß, fragt am besten Thomas Müller. Dabei ist es nicht zwingend so, dass man dann schlauer wäre, aber im Zweifel drückt Müller die Ratlosigkeit am schönsten aus. Nach dem 0:0 des FC Bayern gegen den FC Sevilla und dem damit verbundenen Einzug ins Halbfinale sagte er zum Beispiel: "Dieses Champions-League-Zeugs hat viele Zutaten. Mal schauen, wer am Ende die Suppe kocht."

Das war der Schlusssatz eines knapp fünfminütigen Statements, in dem Müller über das Spiel sprach ("Haben wenig anbrennen lassen. Hätten gern ein Tor erzielt"), über die Härte von Sevilla ("Unfair hab ich sie jetzt nicht gesehen"), ein bisschen über die Allmacht des Schicksals ("Es können bis zum Halbfinale alle gesund werden, es können sich aber auch drei neue Spieler verletzen"), aber vor allem versuchte er sich der Frage zu nähern, die man sich in dieser Champions-League-Saison und gerade nach diesem Viertelfinale stellt: Wo steht er denn nun in Europa, der FC Bayern?

Es ist ja so: Faktisch steht der FC Bayern unleugbar unter den letzten vier Mannschaften, das ist unleugbar ein Erfolg. Seit 2010 hat der Klub das sieben Mal geschafft hat, nur Real Madrid (seit 2011 immer im Halbfinale) hat eine bessere Bilanz. Unleugbar ist aber auch, dass er das Semifinale in diesem Jahr durch Spiele gegen Besiktas Istanbul und Sevilla erreicht hat. Zwei Gegner, die die Münchner nicht (Istanbul) oder nicht genug (Sevilla) gefordert haben. Es ist durchaus Konsens, dass man auch mehr Lospech haben kann.

Die aktuelle Saison in Europas wichtigstem Wettbewerb ist sowieso in diesem Viertelfinale durcheinandergewirbelt worden. In Rom zitterte die ewige Stadt, weil die AS den FC Barcelona nach einem 1:4 im Hinspiel eliminiert, Pep Guardiola verabschiedet sich im Furor erst auf die Tribüne und dann mit Manchester City gegen Liverpool aus dem Turnier, Real Madrid lässt sich im eigenen Wohnzimmer von Turin die Ohren wundschießen - und am Ende ertönt doch Ronaldos Brunftschrei. All das hatte Thomas Müller natürlich auch mitbekommen und sagte dann: "Wenn man sich die anderen Plätze so anschaut, dann sind wir am souveränsten eingezogen ins Halbfinale." Auf eine gewisse Art und Weise kann man das schon so sehen: Unaufgeregtheit als Qualitätsmerkmal.

Bayern ist unaufgeregt - ist doch gut

Viele in der Mannschaft hätten sich die Spiele am Vorabend angeschaut, erzählte Müller, man habe darüber diskutiert, gerade Barcelonas Niederlage hätte niemand erwartet. "Keiner spielt perfekt. Jeder macht Fehler, die unterschiedlichsten Spielstile sind erfolgreich oder auch nicht", sagte er zu der Champions-League-Saison. Unter diesen Umständen könne man so ein 0:0 wie gegen Sevilla "auch mal positiver" bewerten, meinte er.

Schon anhand dieses 0:0 konnte man schön ins Grübeln geraten, wie man es nun denn genau interpretiert. Es war ein gutes, solides, kämpferisches Spiel, kein überragendes. Der FC Bayern verteidigte stark, überließ aber Sevilla vor allem in der ersten Halbzeit das Feld und hatte in der zweiten Hälfte bei einem Kopfball von Joaquin Correa gegen die Latte Glück. Was, wenn der reingegangen wäre und Sevilla nur noch ein Tor gebraucht hätte? Hätte der FC Bayern gewackelt? Oder hätte er einfach einen Gang hochgeschaltet, seine Angriffe konsequenter zu Ende gespielt und direkt den Ausgleich gemacht?

Die anderen haben "große Gegner" besiegt

Später im Spiel war zwar mehr Kontrolle da, aber ein Tor gelang auch nicht. Was wiederum natürlich nicht so tragisch war, wenn man es pragmatisch sieht, wie Trainer Jupp Heynckes, der sagte: "Heute war es wichtig, dass hinten die Null steht." Die Bundesliga hilft bei der Standortbestimmung auch nicht wirklich weiter. Den einen, vermeintlich letzten echten Konkurrenten (Dortmund) jagt Bayern mit einem 6:0 aus dem eigenen Stadion, gegen den anderen (Leipzig) verlieren die Münchner mit 1:2.

"Man hat keinen direkten Vergleich mit den ganz großen Top-Mannschaften, weil wir gegen die noch nicht gespielt haben", sagte dann auch Thomas Müller. Gegen Paris Saint-Germain hat der FC Bayern in der Gruppenphase zwar zu Hause 3:1 gewonnen (und unter dem Trainer Carlo Ancelotti 0:3 in Paris verloren, aber das wirkt mittlerweile wie ein Ereignis vor der Zeitrechnung) - aber zum Zeitpunkt des Heynckes-Sieges waren beide Teams schon für die nächste Runde qualifiziert. Jede andere Mannschaft im Halbfinale, auf die der FC Bayern nach der Auslosung am Freitag treffen kann, hat mindestens einen sogenannten "großen Gegner" ausgeschaltet. Real Madrid hat mit Paris und Turin gleich zwei solche Kaliber aus dem Weg geräumt.

Man kann der Mannschaft nichts vorwerfen

Gleichwohl kann das dem FC Bayern natürlich niemand zum Vorwurf machen: Die Lose zieht der Verein ja nicht selbst und was soll der Klub auch tun, als zu verspeisen, was der Spielplan ihm auf den Teller legt? "Wir wissen, was wir können, wir wissen, was die anderen können", sagte Thomas Müller zu diesem Thema. Arjen Robben meinte, man müsse sich noch " ein bisschen steigern", aber Robben mahnt tendenziell auch ein bisschen leichter als Müller.

Und Heynckes? Der erzählte auf der Pressekonferenz, dass Javi Martínez bei der Attacke von Correa in der Nachspielzeit (für die er Rot sah) eine starke Knieprellung erlitten habe und auch James Rodríguez mit einer Oberschenkelprellung gespielt habe. Robert Lewandowski ging mit dick gepflastertem Gesicht aus der Arena und meinte dazu, es sei nicht so schlimm - aber das sagt der eiserne Pole zu all seinen Verletzungen. Eine Diagnose gab es am Abend noch nicht.

So blieb es Heynckes überlassen, sich zur Favoritenfrage in der Champions League zu äußern. Er sei "nach wie vor der Meinung", dass ein Triumph seiner Mannschaft eine Sensation wäre. Er hat natürlich wie kein anderer den direkten Vergleich zum Titelgewinn 2013, wo seine Mannschaft im Viertelfinale Juventus Turin und im Halbfinale den FC Barcelona aus dem Weg räumte. Wenn einer einschätzen kann, wo der FC Bayern 2018 genau steht, dann Jupp Heynckes. Aber dessen wahre Meinung wird man erst hören, wenn sein Team ausgeschieden ist. Oder wenn es den Henkelpott wirklich gewonnen hat.

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