Es war ein kleiner Skandal, der sich da in der Münchner Arena andeutete, weil das Spiel zwischen dem FC Bayern und Maccabi Haifa erst um 21:55 Uhr begann. Nein, es lag nicht an Schiedsrichter Craig Thompson und auch das Flutlicht funktionierte tadellos.
Schuld waren die Schlawiner von Girondins Bordeaux, die erst in der 55. Spielminute den Führungstreffer gegen Juventus Turin erzielten und den Spielern des FC Bayern damit signalisierten, nun doch bitteschön auch ein Tor zu schießen, um am 8. Dezember in Turin noch eine Chance auf den Einzug ins Achtelfinale zu haben.
"Wir haben unsere Pflicht erfüllt. Damit sind wir zufrieden, mehr aber auch nicht", sagte Mark van Bommel, der partout nicht einstimmen wollte in die allgemeine Glückseligkeit seiner Mitspieler. Die nämlich standen lächelnd vor den Journalisten, aus mehr als zehn Mündern tönte eine Variante des Satzes "Das war ein wichtiger Sieg, jetzt müssen wir nachlegen und glauben an unsere Chance beim Endspiel." Zur Erinnerung: Der FC Bayern hatte zuvor nicht etwa das Halbfinale der Champions League gegen den FC Barcelona gewonnen, sondern Maccabi Haifa mit 1:0 besiegt.
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Die Münchner Akteure wollten die Leistung an diesem Abend nicht etwa schönreden - sie redeten die spielerischen Mängel einfach weg. "Der FC Bayern hat wieder einmal aus dem Unmöglichen das Mögliche gemacht", philosophierte Mario Gomez, der mit einem wuchtigen Schuss das einzige Tor durch Ivica Olic vorbereitete. "Natürlich waren wir etwas verunsichert, aber wir haben um unsere Chance gekämpft. Die Sicherheit kommt von Sieg zu Sieg zurück", sagte Thomas Müller.
Nur einer war euphorisiert vom Auftritt des FC Bayern an diesem Abend. Trainer Louis van Gaal geriet beinahe ins Schwärmen ob der Leistung seiner Elf: "Wir haben viele Chance kreiert, ein Tor geschossen und die Ordnung gehalten bis zum Ende. Das war eines unserer besten Spiele." Van Gaal ist ein Fußballexperte, deshalb darf dieser Aussage nicht widersprochen werden - doch sagt sie viel aus über die bisherigen Darbietungen der Münchner in dieser Saison.
Denn der Gegner war, wie bereits erwähnt, nicht Barcelona oder Chelsea oder Manchester, sondern Maccabi Haifa. Der Marktwert des gesamten Kaders beläuft sich auf 11,5 Millionen. Ohne dem isrealischen Verein gegenüber respektlos sein zu wollen: Der Kader des deutschen Zweitligisten FSV Frankfurt ist ebenso viel wert.
Gegen Haifa zeigte der FC Bayern 55 Minuten lang eine wenig berauschende Leistung. Es gab kaum sehenswerte Angriffe, vielmehr durften die für Bayern-Verhältnisse wenigen Zuschauer sämtliche Varianten des Fehlpasses bestaunen. Danijel Pranjic spielte unbedrängt einen Rückpass in die Tiefe des Raumes, Mark van Bommel setzte einen Querpass an die Bande. Bastian Schweinsteiger schaffte es, einen Freistoß ins Seitenaus zu spielen, obwohl der Empfänger nur zehn Meter entfernt stand. Die Zuschauer pfiffen zunächst wohl nur deshalb nicht, weil sie diese Art der Spielgestaltung mittlerweile gewohnt sind.
FC Bayern: Einzelkritik:Die Herren der Querpässe
Pranjic überzeugt nur als Abklatscher, van Bommel spielt überhaupt nicht wie van Bommel, und die Fans bejubeln einen Spieler, der nicht im Stadion ist. Die Bayern in der Einzelkritik.
Dann freilich kam diese 55. Spielminute, in der das Ergebnis aus Bordeaux eingeblendet wurde. Van Bommel gestikulierte wild, nur wenige Minuten später drehte sich Mario Gomez geschickt um seinen Gegenspieler, schoss aufs Tor - und den abgewehrten Ball schob Ivica Olic ein. Der Jubel über diesen Treffer war ein wenig leiser als der über das Tor von Fernando in Bordeaux.
Und plötzlich, ja plötzlich, war alles vergessen, was sich in den 62 Minuten zuvor auf dem Platz abgespielt hatte. Zwei Treffer in Bordeaux und einer in München genügten, um die Verantwortlichen des FC Bayern in Hochstimmung zu versetzen. "Der Sieg war hochverdient", jubilierte Franz Beckenbauer. Uli Hoeneß ergänzte: "Dieser Sieg gibt Hoffnung. Ich sehe unsere Chance bei mindestens 50 Prozent." Hoeneß teilte die etwas krude Auffassung von TV-Experte Matthias Sammer, nach der jene Mannschaft im Vorteil ist, die gewinnen muss - und nicht die, der ein Unentschieden genügt.
Vergessen sind nach diesem Sieg scheinbar auch alle Störfeuer der vergangenen Wochen. Die Probleme mit Luca Toni (Hoeneß: "Er hat sich entschuldigt und eine Geldstrafe bekommen, damit ist das Thema vom Tisch." Dazu betonten fast alle Spieler, dass er nicht suspendiert worden sei, sondern lediglich nicht zum Kader gehörte.) sind ebenso behoben wie die aufkeimende Kritik am Trainer (Hoeneß: "Das wurde von außen herangetragen, wir haben nicht kritisiert."). Und die Grundsatzkritik von Philipp Lahm ist ja nun schon lange her. Der FC Bayern verfährt nach der Methode: Hurra, wir haben ein Endspiel - der Rest ist egal.
Trainer Louis van Gaal blickt derweil schon nach vorne auf das Endspiel um den Einzug ins Achtelfinale: "Im Hinspiel haben wir Juventus in der ersten Halbzeit weggespielt, nur leider kein Tor erzielt. Wir werden deshalb auch im Rückspiel unsere Chance bekommen, nur müssen wir dann das Tor erzielen."
Die Anhänger des FC Bayern sangen zum Ende des Spiels: "Oh, wie ist das schön! So was hat man lange nicht gesehen, so schön, so schön!" Es waren freilich Rufe der Freude - und nur ganz böse Menschen werden behaupten, dass in diesem Gesang auch eine gehörige Portion Zynismus stecken könnte.