Champions League: Bayern siegt:Arjen-Robben-Gedächtniself

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Trotz eines frühen Platzverweises für Franck Ribéry siegt der FC Bayern gegen Lyon verdient mit 1:0. Natürlich trifft Arjen Robben, und der FCB muss sich höchstens über die vielen vergebenen Chancen ärgern.

Die entscheidende Frage vor diesem Spiel war die: Können die Bayern das? Können sie Favorit sein? Eigentlich war das eine kuriose Frage, weil die Bayern ja seit Jahrzehnten ständig Favorit sind und in dieser Disziplin eine bemerkenswerte Meisterschaft entwickelt haben. Aber Favorit sind immer nur in der kuscheligen Bundesliga, aber das hier war: Champions League! Halbfinale! In diesem ersten van-Gaal-Jahr waren die Bayern bisher gut damit gefahren, sich in der Champions League als Außenseiter zu begreifen, der immer dann alle Kräfte mobilisiert, wenn keiner mit ihm rechnet.

Natürlich war es Arjen Robben, der Bayerns Tor des Tages erzielte. (Foto: Foto: Reuters)

An diesem Abend wurden die Bayern kräftig hin- und hergeschüttelt in den Rollen, sie waren erst Favorit, dann - nach einem umstrittenen Platzverweis gegen Franck Ribéry - plötzlich Außenseiter, dann wieder Favorit: Am Ende stand ein angesichts der Umstände sehr beeindruckender 1:0-Sieg. Den Unterschied machte wieder mal Arjen Robben, dessen Treffer eine gute Basis fürs Rückspiel am Dienstag bedeutet.

Eines war den Bayern von Beginn an anzumerken: Sie wussten, wie gefährlich die Versuchsanordnung dieses Abends war. "Lyon ist gefährlicher als Manchester", hatte Kapitän Mark van Bommel immer wieder betont. Es gefiel den Bayern nicht, dass viele sie schon heimlich im Finale wähnten, zumal sich Lyon mit einer bayern-ähnlichen Mentalität in dieses Halbfinale gekämpft hatte: Mit diebischem Vergnügen hatten auch sie die vermeintlichen Favoriten ausgeschaltet, im Achtelfinale zum Beispiel Real Madrid.

Van Bommel fehlte gelbgesperrt, aber von draußen durfte er zufrieden mit ansehen, dass die Elf auch auf ihren Kapitän hört, wenn er nicht auf dem Feld steht. Konzentriert und seriös starteten die Münchner in diese Partie - nicht wie eine Elf, die sich auf der Favoritenrolle ausruht, sondern wie eine, die sie sich erst verdienen will. Erwartungsgemäß hatte van Gaal die Rolle van Bommels mit dem Kroaten Pranjic besetzt, der sich gemeinsam mit Nachbar Schweinsteiger bemühte, den Motor ins Laufen zu bringen.

Das war zunächst kein einfaches Unterfangen, weil Lyon inzwischen eine ganz andere Elf ist als jene, die sich in der vergangenen Jahren in der Champions League vorstellte. Lyon war stets eine Art Werder Bremen - immer gut für hymnische Spiele, gelegentlich auch für unglückliches Scheitern. Das Lyon des Trainers Claude Puel hat seinen Charakter verändert, es denkt jetzt mehr ans Ergebnis, weniger ans schöne Spiel. Dennoch gelang es den Bayern nach gewisser Anlaufzeit, die zähen Franzosen zu beschäftigen.

Mit jeder Minute erarbeiteten sich die Bayern ein paar Prozent mehr Überlegenheit, nach ungefähr einer Viertelstunde schienen sie es geschafft zu haben: Sie hatten die Franzosen im Griff. Erst fasste der hochgelobte Torhüter Hugo Lloris an einer Flanke vorbei, worauf Schweinsteigers Kopfball knapp am Pfosten vorbeizischte (13.). Kurz darauf flitzte Ribéry Richtung Strafraum, aber auch sein Schuss ließ das Tor knapp neben sich (18.). Zweierlei fiel auf in dieser Phase des Spiels: Sobald die Münchner aufs Tempo drückten, wackelte Lyons Abwehr lustig vor sich hin - aber die Bayern nutzten die Wackler nur zu Chancen, nicht zu Toren.

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Wie dieses Spiel unter normalen Umständen weitergegangen wäre, wird nicht mal der möglicherweise allwissenden van Gaal schlüssig beantworten können, aber fest steht, dass alles für Bayern angerichtet war: Zwar mussten sie eine Chance des Olympique-Torjägers Lisandro Lopez verkraften (30.), aber insgesamt lagen sie im Plan. Speziell Ribéry wirkte kess und motiviert, gerade so, als wolle er der Welt, Louis van Gaal und Arjen Robben beweisen, dass er auch ein bisschen was kann.

Umso härter traf die Bayern zunächst der Platzverweis, den Schiedsrichter Rosetti gegen Ribéry verhängte - nachdem der Franzose dem Olympique-Profi Lopez auf den Knöchel gestiegen war; eine rüde, aber nicht brutale Aktion, für die der Weltverband Fifa die dunkelgelbe Karte erfinden müsste. Eine rote Karte, die auch deshalb umstritten war, weil Rosetti eine keineswegs kriegerisch geführte Partie mit ein paar gewöhnungsbedürftigen Entscheidungen durcheinanderbrachte.

Fürs Erste war das Fußballspiel damit beendet, beide Teams nickelten einstweilen unproduktiv vor sich hin. Van Gaals Pausensignal (Timoschtschuk für Olic) ließ sich nur so verstehen: Erstmal durchschnaufen, erstmal hinten sauber bleiben. Die Partie öffnete sich erst wieder, als Rosetti auch den Franzosen Toulalan mit gelb-roter Karte vom Feld warf.

Nun durften die Bayern wieder ihrer neuen Lieblingsbeschäftigung nachgehen: zurückfinden in ein Spiel, aus dem sie schon vertrieben schienen. Und die Bayern kämpften sich nicht zurück, sie schafften das spielerisch: Müller (59.) und Robben (61.) waren schon nahe dran am Torerfolg, und beide zusammen fanden schließlich auch ins Tor hinein.

Robben machte es wieder mal allein, er zog einfach los und schoss, und irgendwo im Flug begegnete der Ball noch Müllers Haarschopf, von dem er sich dankbar abfälschen ließ (69.). Nun beeindruckten die Bayern mit Verstand und souveränem Spiel, und diesmal hatte Franz Beckenbauer nichts zu granteln, so wie vor neun Jahren, als er den FCB nach einem 0:3 in Lyon mit der "Uwe-Seeler-Traditionself" verglich, die "nichts mit Fußball zu tun" hat. Der aktuelle FC Bayern ist eher eine Arjen-Robben-Gedächtniself, und er hat sehr viel mit Fußball zu tun.

© SZ vom 22.04.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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