Süddeutsche Zeitung

Champions League: Basel - FCB:Therapieabend im bunten Salon

Dank einer Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit gelingt dem FC Bayern durch zwei Schweinsteiger-Tore ein 2:1 in Basel. Nach den Rückschlägen in der Bundesliga sammeln die Münchner in der Champions League Selbstvertrauen.

Moritz Kielbassa

Schon vor dem Spiel leuchtete der St.-Jakob-Park, im Volksmund Joggeli genannt, auf einer Tribünenseite außen rot und blau, wie in München die Arena. Das Stadion des FC Basel wurde von denselben Architekten konzipiert, zur Anlage gehört auch ein Seniorenstift. In diesem bunten Salon hatte sich der FC Bayern einen Therapieabend vorgenommen. In der Champions League, ihrer Wohlfühlzone, wollten die Münchner den besorgniserregenden Bundesliga-Start ausblenden, wieder Selbstsicherheit gewinnen. Das Vorhaben gelang: Schweinsteiger drückte in der 89. Minute einen Ball zum 2:1 über die Linie - in der Champions League (zwei Spiele, zwei Siege) hat der FC Bayern nun eine makellose Bilanz, von der er in der Bundesliga nur träumen kann.

Es war kein glanzvoller, aber ein dank klarer Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit verdienter Sieg, der den Debatten zumindest bis zum Spiel in Dortmund am Sonntag etwas Schärfe nehmen könnte. Die positivste Erkenntnis des Abends dürfte sein, dass die Bayern über mündige Spieler verfügen: "In der Halbzeit war es in der Kabine etwas laut", berichtete Mark van Bommel, "Jörg Butt und ich haben gesagt: So geht das nicht." Die Kollegen folgten ihrem Torwart und ihrem Kapitän.

Vor dem Abstecher in die Nordschweiz hatten die Bayern auf die heftigste Schlechtwetterfront seit zwölf Monaten gelassen reagiert. Nach dem 1:2 gegen Mainz setzte der Vorstand, der so gerne antizyklisch handelt, in einem Basler Hotel demonstrativ die Tinte unter den längst verabredeten neuen Vertrag von Louis van Gaal. Der Trainer, mit Billigung der Gattin ("Truus liebt München") nun bis 2012 gebunden, hatte die Schwächephase nach bravourösem Frühjahr und WM ohnehin erwartet, kein Rausch hält ewig.

Kein Rausch hält ewig

Auch in Basel hatte van Gaal ein "schweres Spiel" befürchtet, während sein junger Kollege vom Schweizer Meister, der frühere Bayern-Angestellte Thorsten Fink, vor dem Anpfiff "so ruhig wie noch nie" war. Gecoacht hat Fink impulsiv, 90 Minuten stand er im grauen Anzug an der Linie. Für seinen kleinen FCB wäre offiziell schon Platz drei in der Gruppe, mit folgender Versetzung in die Europa League, ein Erfolg, wie er sagt - für den großen FCB wäre ein frühes Aus in der Champions League: furchtbar.

Für Entkrampfung sollte in Basel auch Hamit Altintop sorgen, Ivica Olic musste auf die Bank, es war die einzige Änderung in Bayerns Startelf. Altintop rückte rechts in die Offensivraute, Klose durfte aus den Tiefen des Mittelfelds ins Sturmzentrum. Die Basler, deren Präsidentin Gigi Oeri das Spiel als einen "erfüllten Traum" empfand, bedrängten die Bayern zunächst nicht so forsch wie zuletzt die Mainzer, die mit ihrem Pressing van Gaals Passketten schon im Frühstadium sabotiert hatten. Doch kaum hatten Toni Kroos (10.) und Daniel Van Buyten (15.) in einer engagiert vorgetragenen Anfangsphase zwei Warnschüsse knapp am Basler Tor vorbeigesetzt, brach schon die nächste Sturmböe über die Bayern herein.

Zwei ehemalige Bundesliga-Stürmer erzielten im feinen Zusammenspiel das 1:0 (17.): Marco Streller, mit Stuttgart 2007 Meister geworden, nahm nach krassem Fehlpass von Van Buyten ein schnelles Zuspiel von Stocker in die Spitze auf, blockte den Ball gut im Zweikampf gegen Holger Badstuber und legte listig mit der Sohle ab zum hinter ihm kreuzenden Alex Frei. Der ehemalige Dortmunder schlenzte das Leder mit den Sternen in den Winkel, kein Verteidiger störte, auch nicht der zurückgehechelte Van Buyten - für den 31-jährigen Frei, der schon 79 Länderspiele für die Schweiz absolviert hat, war es das erste Tor in der Champions League.

Streller hatte den Abend als "Spiel der Spiele" angepriesen, als leckeres "Dessert". Basels Fans in der Muttenzer Kurve tobten nun vergnügt - und die Bayern? Wirkten angezählt, plötzlich kam: nichts mehr. Ein dritter vager Torschuss von Kroos gelang erst nach 34 Minuten, hinten drohte gar Schlimmeres. Huggel stand bei einem zweiten Treffer im Abseits (29.), und als das 18-jährige Talent Shaqiri wuchtig abzog, verhinderte Torwart Jörg Butt mit einer Flugeinlage gerade noch das 0:2 (40.). Von jenen Durchbrüchen am Flügel, auf die van Gaals Fußball abzielt, war ohne die verletzten Eins-gegen-Eins-Könner Ribéry und Robben bis zur Pause wenig zu sehen. Der 20-jährige Kroos lief sich am linken Flügel häufig am nur ein Jahr älteren Ghanaer Inkoom fest. Und Altintops Bewährungsversuch endete, auch wegen Adduktorenproblemen, nach 45 Minuten.

Altintop enttäuscht

Mario Gomez, van Gaals bulligster, zuletzt am seltensten nominierter Stürmer, sollte das Angriffsspiel wieder beleben. Der Dank fürs 1:1 (56.) jedoch erging, mal wieder, an Thomas Müller. Bei einem Strafraum-Gewurstel mit Huggel erzwang der stets unberechenbare Angreifer mit den zwei dünnen Beinen einen Elfmeter. Erst sah Müller aus, als würde er eine Schwalbe planen, dann blieb er doch aufrecht, der Ball versprang, aber Müller blieb hartnäckig, stocherte weiter - bis Huggel foulte. Schweinsteiger, dem bei der Europameisterschaft 2008 in dem schönen Stadion schon zwei Tore (gegen Portugal und die Türkei) geglückt waren, schickte Torwart Costanzo mit flachem Schuss ins falsche Eck.

Van Gaal legte nach und brachte unverzüglich den nächsten frischen Angreifer, Olic (für Kroos). Die Bayern drückten nun, nach Hereingabe von Lahm verpassten Klose und Olic im Fünfmeterraum die Führung (67.). Gegenüber sprang der erneut fehlerfreie Butt wie ein asiatischer Kampfsportler dem vor ihm auftauchenden Streller vor die Füße und klärte in höchster Not (71.). Klose setzte denn Schlagabtausch mit einem Flachschuss fort, Costanzo wehrte ab (74.).

Ein Schlenzer von Yapi war die nächste Chance der Gastgeber (79.), aber als Trainer Fink seinen Stärksten, Shaqiri, vom Feld nahm, war klar, dass die Schweizer nichts Großes mehr vorhaben - Bayern nahm's als Signal zur Schlussoffensive und schaffte durch Schweinsteiger, den Basel-Spezialisten, tatsächlich noch das 2:1. Er drückte einen Badstuber-Freistoß erstaunlich unbedrängt über die Linie. Dusel-Bayern? Eher nein. Das Fazit sprach Müller: "In der letzten Viertelstunde hatten wir drei Torchancen. Da soll einer sagen, der Sieg war nicht verdient."

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SZ vom 29.09.2010/jbe
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