Süddeutsche Zeitung

Champions League:Salzburg oder Madrid - Hauptsache Achtelfinale

Wegen eines angeblichen Softwarefehlers versinkt die Auslosung der Champions League im Chaos - und muss wiederholt werden. Bayern trifft auf Salzburg statt auf Atlético, und Real Madrid prüft rechtliche Schritte.

Von Javier Cáceres

Um die Auslosungen der europäischen Fußball-Pokalwettbewerbe ranken sich schon seit Jahrzehnten Mythen und Legenden, und sie bekamen in der Vergangenheit immer wieder neue Nahrung. Eine Legende besagte, dass Real Madrids ehemaliger Vizepräsident Raimundo Saporta oft schon vorher gewusst habe, gegen wen seine Mannschaft spielen würde. Saporta, von den 1950er Jahren an rechte Hand des legendären Präsidenten Santiago Bernabéu, soll seine Beziehungen bei der europäischen Fußballunion Uefa spielen lassen und stets dafür gesorgt haben, dass die Kugel mit dem Wunschgegner der Madrilenen erst mal stundenlang in der Tiefkühltruhe lag, ehe sie in den Ziehungs-Topf wanderte. Was sich selbstverständlich nie beweisen ließ.

Doch was waren solche Geschichten im Vergleich zu jener Peinlichkeit, die sich die Uefa nun am Montagmittag leistete: Sie musste die Auslosung für das Achtelfinale der Champions League wiederholen lassen, weil sie einräumen musste, dass sie nicht sauber abgelaufen war. Die Gründe hatten jedoch nichts mit Gefriertruhen zu tun. Es lag am Montag schlicht am komplexen System der Auslosung, dass die Sache aus dem Ruder lief.

Als die Misere feststand, verdeutlichte dies bereits die Einleitung jener Mitteilung, die die Uefa verbreiten ließ: "Wegen eines technischen Problems mit der Software eines externen Dienstleisters, der die Offiziellen instruiert, welche Teams gegeneinander gelost werden dürfen, ist es bei der Auslosung der Runde der letzten 16 zu einem erheblichen Fehler gekommen", schrieb die Uefa. Welcher Fehler genau vorlag, wurde nicht mitgeteilt.

Eine Kugel liegt irrtümlich im Topf

Nach SZ-Informationen handelt es sich bei besagtem "externen Dienstleister" um Deltatre, eine global operierende Firma, die in London ansässig ist und unter anderem mit der Fifa, weiteren Weltverbänden wie der ATP Tour (Tennis), mit der Deutschen Fußball-Liga und diversen Medien zusammenarbeitet. Das Unternehmen war für eine Stellungnahme zunächst nicht zu erreichen. Aber was war passiert?

Andrej Arschawin, ehemals russischer Nationalstürmer und als Vertreter des 2022-Endspielorts Sankt Petersburg für die Rolle der Losfee engagiert, hatte als zweite Partie die Paarung FC Villarreal gegen Manchester United aus dem Topf gezogen. Nur: Die beiden hatten in derselben Vorrundengruppe gespielt und duften daher nicht schon wieder einander zugelost werden. Also musste Arschawin noch mal im Topf rühren und einen anderen Gegner ziehen. Diesmal kam, gut für Schnellbucher aus Villarreal und zur Gaudi von Arschawin: Manchester City. Die Kugel mit ManUnited war vorher irrtümlich händisch in den Topf der möglichen Villarreal-Gegner gelegt worden. Das wäre juristisch vielleicht noch zu verschmerzen gewesen - aber danach kam es zu einem noch schwereren Folgefehler.

Denn als der Gegner von Atlético Madrid gezogen werden sollte, geschah etwas, das sich auch die Drehbuchschreiber der Marx Brothers nicht besser hätten ausdenken können. Die externen Dienstleister soufflierten dem deutschen Uefa-Zeremonienmeister Michael Heselschwerdt, dass Manchester United nicht mehr unter den möglichen Gegnern sein dürfe - ein klarer Fehler. Dafür legte Heselschwerdt den FC Liverpool mit in den Topf der möglichen Atlético-Gegner, aber gegen Liverpool hatte Atlético in der Gruppe gespielt, was eben neben der gleichen Landeszugehörigkeit ein Ausschlusskriterium ist. Gezogen wurde für Atlético: der FC Bayern.

Atlético Madrids Protest ärgert den Nachbarn Real

Daraufhin gingen bei Madrid die Lampen an: Seit Georg "Katsche" Schwarzenbeck 1974 in der Nachspielzeit des Königsklassen-Finales den Madrilenen den sichergeglaubten Henkelpott aus den Händen entrissen hatte, haben sie mit den Bayern ein Problem. Atlético forderte von der Uefa "eine Erklärung". Die Konsequenz: Die Uefa entschied, die zuvor vollständig beendete 12-Uhr-Auslosung um 15 Uhr komplett zu wiederholen - sehr zum Ärger des Atlético-Nachbarn Real Madrid.

Denn bevor alles durcheinander geraten war, hatte Real gleich bei der Ziehung des ersten Duells Benfica Lissabon zugelost bekommen - was man aus sportlicher Sicht unter Tiefkühltruhen-Einsatz kaum besser hätte hinkriegen können. Die Uefa argumentierte allerdings, dass der ominöse "Softwarefehler" schon zu Beginn der Auslosung bestanden haben müsse. Deshalb müsse zwingend die gesamte Auslosung wiederholt werden. Und nicht, wie es sich Real wünschte, nur eine Neuziehung ab der zweiten Paarung.

Im Raum steht spanischen Medienberichten zufolge jetzt sogar eine Klage gegen die Auslosung. Real und die Uefa liefern sich wegen der Super-League-Pläne von Klubpräsident Florentino Pérez ohnehin seit Monaten einen erbitterten kartellrechtlichen Wirtschaftskrieg, der es bis zum Europäischen Gerichtshof geschafft hat. Da macht sich eine kleine Nebenschlacht, in der die Seriosität der Uefa in Zweifel gezogen wird, für Perez nicht schlecht - ganz abgesehen davon, dass das Resultat der Wiederholungsziehung den Madrilenen nicht genehm war.

Das Duell Messi gegen Ronaldo? Fällt leider wieder aus

Denn statt nach Lissabon soll es nun für Real nach Paris gehen - zum schwerstmöglichen Duell mit Lionel Messi, Neymar, den ehemaligen Real-Siegertypen Keylor Navas und Sergio Ramos sowie dem von Madrid umschwärmten Kylian Mbappé. Ursprünglich sollte PSG gegen Manchester United spielen - dies wäre der erste Champions-League-Showdown zwischen Messi und Ronaldo seit 2011 gewesen. Er fällt aus.

Die Bayern wiederum, die sich mittags noch auf das robust-unangenehme Atlético eingestellt hatten, dürften am Nachmittag geschmunzelt haben. Sie müssen sich nun mit RB Salzburg messen (am 16. Februar und 8. März). Österreichs Serienmeister war bisher noch nie in einer K.-o.-Phase dabei, hat sich aber mit dem neuen deutschen Trainer Matthias Jaissle und dem von Dortmund heiß begehrten DFB-Jungstürmer Karim Adeyemi, 19, erstmals fürs Achtelfinale qualifiziert.

Atlético erhielt bei der Neu-Auslosung eine Aufgabe, die so anspruchsvoll wie ein Duell mit dem FC Bayern sein dürfte. Die Spanier müssen sich mit Manchester United messen - also mit Ronaldo und dem neuen deutschen United-Coach Ralf Rangnick. Eine einzige Paarung indes wurde bei der Wiederholung exakt wieder so aus den Töpfen gezogen wie drei Stunden zuvor: Der FC Chelsea von Thomas Tuchel spielt gegen den OSC Lille. Am Ende des Wirrwarrs um das Spiel mit den Kugeln war man dennoch geneigt zu sagen, was in der Tagesschau stets bei der Verlesung der Lottozahlen angefügt wird: Alle Angaben sind ohne Gewähr.

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