Champions League:"Woah, it's Elanga!"

Champions League: Ein Tor, der seinen Werdegang ebenso positiv beeinflussen könnte wie die Zukunft von Trainer Ralf Rangnick: Anthony Elanga trifft gegen Atlético.

Ein Tor, der seinen Werdegang ebenso positiv beeinflussen könnte wie die Zukunft von Trainer Ralf Rangnick: Anthony Elanga trifft gegen Atlético.

(Foto: Juan Medina/Reuters)

Dank des 19-jährigen Anthony Elanga schafft Manchester United ein 1:1 bei Atlético Madrid. Die englische Presse feiert den Schweden als "Super-Joker", das Tor ist auch ein Erfolg für Trainer Ralf Rangnick, der Elanga gezielt gefördert hat.

Von Sven Haist

Als einer der führenden Spielerentdecker und -entwickler seiner Zeit hat Ralf Rangnick so vielen Jungfußballern zu beachtlichen Karrieren verholfen, dass sie mittlerweile über zahlreiche europäische Spitzenklubs verteilt sind. Nicht der Fall ist dies bei Manchester United, just jenem Klub, in dem Rangnick selbst seit knapp drei Monaten und vorerst bis Saisonende als Trainer angestellt ist. Aber das scheint ihn nicht sonderlich zu tangieren, weil er dann halt einfach Ausschau nach neuen aussichtsreichen Talenten hält.

Gleich in seinem ersten Pflichtspiel mit United im Dezember (1:0 gegen Crystal Palace) wechselte Rangnick, 63, in der Schlussphase den damals auf der Insel völlig unbekannten Anthony Elanga aus der Jugendakademie des Klubs ein, dessen Vater, Joseph Elanga, einst Nationalspieler Kameruns war. Zuvor kam der in Schweden geborene Teenager Elanga bei United nicht über sporadische Kurzeinsätze in nachrangigen Partien hinaus. Und selbst die wirkten eher der Tradition des Vereins geschuldet, auf die Jugend zu setzen, als dass sie ihm eine echte Perspektive im Profiteam verschafft hätten.

Doch Rangnick erkannte sofort das Potential des pfeilschnellen Stürmers und setzte ihn fortan in bisher allen Pflichtspielen 2022 ein. Mit überraschend forschen Darbietungen rechtfertigte Elanga das Vertrauen - und am Mittwochabend zahlte er es sogar mit einem Tor im Achtelfinale der Champions League zurück, das in vielerlei Hinsicht Gold wert sein könnte. Es könnte seinen Werdegang ebenso positiv beeinflussen wie die Zukunft des deutschen (Interims-)Trainers.

Denn durch Elangas späten Ausgleich zum 1:1 bei Atlético Madrid - João Felix hatte bereits in der siebten Minute das 1:0 für den spanischen Meister erzielt - besitzt Man United eine ordentliche Ausgangslage fürs Rückspiel in drei Wochen im heimischen Old Trafford. Ein Einzug ins Viertelfinale würde Rangnick - neben dem in der Liga eroberten vierten Champions-League-Platz -Argumente liefern, um über die Saison hinaus das Trainermandat zu behalten, auch wenn die Leistung in Madrid bis in die zweite Halbzeit hinein mau war. Bislang ist für Rangnick nur eine zweijährige Anschlusstätigkeit als Berater des United-Vorstands vereinbart.

Entgegen dem unbelastet auftretenden Elanga ist seinen Mitspielern die Sorge vor einem neuerlichen Misserfolg anzusehen

Mit seinem erst zweiten Ballkontakt traf Elanga in der 80. Minute zum 1:1. Es war ein historisches Tor, in mehrerlei Hinsicht: Mit 19 Jahren und 302 Tagen ist der Schwede, der als Zwölfjähriger zu United kam, der jüngste Torschütze des Klubs in einem K.o.-Spiel der Königsklasse. Und für United war es das 500. Tor im prestigeträchtigsten europäischen Wettbewerb, in dem nur Real Madrid (1001), Bayern München (760) und der FC Barcelona (624) öfters trafen. Zum Zeitpunkt des Ausgleichs befand sich Elanga gerade mal fünf Minuten auf dem Platz. Schon am vorigen Sonntag, beim 4:2 in Leeds, gelang ihm kurz nach seiner Einwechslung ein Tor, sein zweites in der Premier League.

Champions League: "Ich wünsche mir, dass sich andere Spieler ein Beispiel an ihm nehmen." - United-Trainer Ralf Rangnick findet viel Freude an seinem Spieler Anthony Elanga.

"Ich wünsche mir, dass sich andere Spieler ein Beispiel an ihm nehmen." - United-Trainer Ralf Rangnick findet viel Freude an seinem Spieler Anthony Elanga.

(Foto: Javier Barbancho/Reuters)

Nach diesem Doppelschlag wurden in England sogleich Erinnerungen bemüht an Uniteds berühmtesten "Super-Sub", den im Herbst als Trainer entlassenen früheren Edeljoker Ole Gunnar Solskjaer. Dem Norweger glückte nach seiner Einwechslung im Champions-League-Finale 1999 der legendäre Siegtreffer zum 2:1 gegen die Bayern. Das Massenblatt Sun eröffnete seinen Spielbericht aus Madrid entsprechend mit dem Vergleich zwischen Solskjaer und Elanga ("ein neuer Super-Sub"). Die Fans dichteten dem Schweden bereits ein eigenes Lied, das sie auch in Madrid zur Aufführung brachten. Demnach sei er "Uniteds Retter", der Refrain: "Woah, it's Elanga!"

Noch vor der Mittellinie stürmte er bei seinem Treffer los, als er nach herrlicher Kombination seiner Kollegen eine Lücke erspähte in Atléticos dichtem Deckungsverbund, der zuletzt elf von 13 Heimspiele in Champions-League-K.o.-Runden ohne Gegentor überstanden hatte. Maßgerecht servierte Spielmacher Bruno Fernandes den Ball in den Lauf, den Elanga unverzüglich aufs Tor schoss - zur Überraschung von Torwart Jan Oblak, den der schnelle Abschluss auf dem falschen Fuß erwischte. Oblak spekulierte offenbar darauf, dass sich Elanga den Ball vorlegen würde.

Das Tor fühle sich an wie "ein wahr gewordener Traum", jubelte Elanga. Rangnick habe ihn aufgefordert, mit Sprints hinter die Abwehr den Verteidigern "einen Schrecken" einzujagen - und er möchte dem Trainer für seine Einsatzchance stets "150 Prozent" zurückgeben. Es sei "eine Freude", ihm zuzusehen, lobte Rangnick im Gegenzug: "Ich wünsche mir, dass sich andere Spieler ein Beispiel an ihm nehmen."

Basierend auf einem personellen Schachzug kommt United spät zu Torchancen

Anders als dem unbelastet auftretenden Elanga war den United-Mitspielern zuvor nämlich die Sorge vor einem neuerlichen Misserfolg deutlich anzusehen gewesen. Nach dem peinlichen FA-Pokal-Aus gegen Zweitligist Middlesbrough und angesichts des deutlichen Rückstands auf Platz eins in der Liga (17 Punkte auf Stadtnachbar City) verbleibt die Champions League für United als einziger Wettbewerb, um eine weitere vermaledeite Saison zu kaschieren.

Allerdings trug auch Rangnicks verordnete Vorsicht in der ersten Halbzeit zur anfangs zähen Vorstellung bei. In Abwesenheit des erkrankten Mittelfeld-Abräumers Scott McTominay agierte United mit drei Innenverteidigern in der Viererkette, um hinter den offensiv denkenden Zentralspielern Fred und Paul Pogba genügend defensive Stabilität zu besitzen. Durch das frühe Gegentor sei der Plan jedoch "für die Tonne" gewesen, gab Rangnick zu: "Es konnte also nur besser werden." Mit einem wichtigen personellen Schachzug - Defensivmann Matic für den ausgelaugten Pogba - und der damit veränderten taktischen Ausrichtung, die den Außenverteidigern mehr Raum nach vorne eröffnete, kam United spät zu Torchancen.

Hinzu kam Rangnicks Mut, Elanga einzuwechseln - für den abermals enttäuschenden Marcus Rashford. Mit seinem Fleiß, seinem Lernwillen und seiner Energie scheint sich Elanga dauerhaft im Team etablieren zu können - und zum ersten United-Spieler zu werden, den Rangnick maßgeblich gefördert hat.

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