Auf der Gegentribüne des Estadio Metropolitano der spanischen Hauptstadt ist ein Optimist zu Hause, der seiner Zuversicht in Versalien Ausdruck verleiht. „ESTE AÑO, SÍ“, war auf einem Transparent zu lesen, in großen weißen Lettern auf rotem Grund. „In diesem Jahr wird’s was“, sollte das heißen, genauer: mit dem ersten Champions-League-Triumph der Vereinsgeschichte.
Der Weg bis zum Finale in München ist noch in jeder Hinsicht weit, es wird erst Ende Mai 2025 ausgetragen. Am Donnerstag aber sammelte Atlético die ersten Punkte im laufenden Wettbewerb durch einen insgesamt verdienten, aber erst in letzter Minute erwirkten 2:1-Sieg gegen RB Leipzig. Es war für Atlético ein Happy End, nachdem Benjamin Sesko schon in der vierten Minute die Leipziger Führung erzielt hatte. Antoine Griezmann glich aus, Innenverteidiger José María Giménez drehte das Spiel in der 90. Minute per Kopf und definitiv.
„Wir hätten mindestens einen Punkt aus Madrid mitnehmen können“, klagte Leipzigs Christoph Baumgartner nach dem Spiel bei DAZN: „Am Ende entscheiden einfach Kleinigkeiten. Atlético war das eine Tor besser.“
Das frühe 1:0 gibt den Leipzigern erst mal Sicherheit
„Da rollt schon was auf uns zu“, hatte RB-Trainer Marco Rose am Vorabend der Partie gesagt. Er sollte schon vor Anpfiff Recht bekommen: Über Madrid ging ein Unwetter nieder, das in anderen Städten Europas zur Verlegung von Champions-League-Partien geführt hat. Tausende Zuschauer hatten Mühe, das Stadion zeitig zu erreichen, der U-Bahn-Betrieb war zeitweise unterbrochen. Was jene sahen, die es bis ins Metropolitano schafften: dass die Drainage des Rasens dem Stresstest standhielt. Und: dass der slowenische Stürmer Benjamin Sesko den Leipzigern einen optimalen Start bescherte.
Sesko, 21, trieb den Ball in atemberaubendem Tempo aus der eigenen Hälfte über den Platz, schüttelte seine Verfolger Kiko und Reinildo ab – und legte den Ball ab auf Lois Openda. Der Belgier zog ab und zwang Atléticos Torwart Jan Oblak zu einer formidablen Parade. Von der Hand des Slowenen flog der Ball zurück zu Sesko – und der konnte die Vorzüge seiner Körpergröße (1,95 Meter) voll ausspielen und zur Führung einköpfeln.
Das 1:0 gab den Leipzigern im gleichen Maße Sicherheit, in dem sich bei Atlético Konfusion auszubreiten begann. Sie dauerte an, bis sich Antoine Griezmann ins defensive Mittelfeld zurückzog, dort einen Raum fand, um das Spiel an sich zu ziehen und damit das Betätigungsfeld von Ángel Correa ausweitete. Der Argentinier, der kurz vor seinem zehnjährigen Betriebsjubiläum steht, stiftete zwischen den Linien gehörig Ärger. Und war eine der treibenden Kräfte, die dazu führten, dass Atlético die Leipziger so sehr in die Defensive drängte, dass der Ausgleich zu einer Frage der Zeit wurde.
Der Franzose Antoine Griezmann trifft per Volleyaufsetzer zum Ausgleich
In der 15. Minute vereitelte Leipzigs Kapitän Willi Orban eine Dreifachchance final, in der 25. Minute warf sich der übrigens herausragende Innenverteidiger Castello Lukeba in höchster Not in einen Schuss von Correa, danach alliierte sich Leipzig mit dem Aluminium. Nach einer kurzen Ecke lenkte Correa den Ball an den linken Pfosten, von dort landete er in den Armen von RB-Torwart Peter Gulacsi (26.). Das 1:1 fiel dann doch - durch Antoine Griezmann. Marcos Llorente hatte sich im Rücken von Nationalverteidiger David Raum davongestohlen und eine präzise Flanke auf den Elfmeterpunkt geschlagen, wo der Franzose mit einem Volleyaufsetzer RB-Keeper Gulacsi überwand. Richtig bedient war Raum allerdings einige Minuten später, als er sich von Xavi Simons und Arthur Vermeeren im Stich gelassen fühlte. Raum protestierte vehement.
Danach litt die Qualität der Vorträge beider Mannschaften, aufgrund einer Reihe von Spielerwechseln und diversen, teilweise überharten Fouls. Das hatte sich schon gegen Ende der ersten Halbzeit abgezeichnet, als Lukeba und Correa für pompöse Fouls jeweils Gelb sahen. Beide Offensivreihen hatten Schwierigkeiten, klare Wege in den gegnerischen Strafraum zu finden. Erst in der 77. Minute gab es einen kollektiven Aufschrei der Erleichterung der nunmehr gut gefüllten Ränge, als der für Sesko eingewechselte Yussuf Poulsen einen Kopfball nach Raum-Flanke knapp das Tor setzte.
Auch Atlético zeigte durch Kopfbälle Zähne, ebenfalls durch einen eingewechselten Skandinavier, genauer: durch den eingewechselten Alexander Sörloth. Doch dann schlug der Uruguayer José María Giménez zu. Er gewann nach Flanke von Griezmann ein Luftduell gegen den Österreicher Nicolas Seiwald - und erzielte aus kurzer Distanz das für Leipzig bittere 2:1.