Champions League:Der Stoiker ermahnt die Bayern

Vor der Champions-League-Partie gegen Eindhoven lässt Carlo Ancelotti seine Spieler im Hotel übernachten - das ist keineswegs als Belohnung zu verstehen.

Von Jonas Beckenkamp

Wann hat der ruhmreiche FC Bayern zuletzt vier Mal hintereinander nicht gewonnen? Nachforschungen zu dieser Frage führen Interessierte zu einem Stürmer namens Raúl Bobadilla, der im Mai 2015 mit seinem 1:0 für den FC Augsburg Unvorstellbares vollbrachte: Er verpasste den Münchnern damals die vierte Pleite in Serie. Dortmund im Pokal, Leverkusen in der Liga, Barcelona in der Champions League und eben auswärts in Augsburg - diese Gegner hatten Guardiolas Bayern binnen drei Wochen eine ganze Saison versaut.

Vier verlorene Spiele! Eine solche Häufung von Niederlagen ist Carlo Ancelotti in seinem ersten Bayern-Jahr bisher erspart geblieben. De facto blickt er erst auf ein echtes Negativerlebnis zurück: das 0:1 gegen Atlético Madrid. Aber wer die Stimmung vor dem dritten Vorrundenspiel der Champions League einfangen will, der kommt an einer anderen, ebenso verflixten Serie nicht vorbei: Seit drei Wochen hat der FC Bayern kein Fußballspiel mehr gewonnen - und das finden selbst die größten Bayern-Gläubigen ganz schön alarmierend.

Die Münchner selbst haben schon auch gemerkt, dass einige Dinge nicht stimmen, aber zum Glück haben sie ja Ancelotti, den gewieftesten Stoiker der Trainerbranche. "Ich muss mir selbst treu bleiben", lautete seine Kernaussage vor dem plötzlich so extrem bedeutsamen Duell mit dem PSV Eindhoven.

Wenn nicht alle voll mitziehen, gibt's halt Probleme

"Es ist mein Job, ruhig zu bleiben und Lösungen zu finden mit meinen Spielern", erklärte Ancelotti an seinem 100. Arbeitstag an der Isar. Vertrauen haben, cool bleiben, entspannt die Augenbraue hochziehen, das ist sein Lösungsansatz: "Die Spieler hier sind sehr professionell, sehr intelligent."

Die eigenen Unzulänglichkeiten zuletzt in Frankfurt und die Wachrüttelrede von Vereinsboss Karl-Heinz Rummenigge ("Das war nicht der FC Bayern") haben im Team durchaus für Debatten gesorgt. Tenor: Wenn nicht alle voll mitziehen, dann gibt's halt Probleme. Die Mannschaft sieht die Bringschuld bei sich und nicht bei ihrem Coach, über dessen menschliche Art plötzlich Gerede kursiert. Der gemütliche Ancelotti, ist er vielleicht zu sehr Onkel und zu wenig pedantischer Pep? Nein, finden die Spieler: "Es ist ein Spielerding, dass wir nicht die Leistung gezeigt haben", meinte etwa Mats Hummels beim Pressetalk in der Arena.

Erstmals müssen die Spieler ins Hotel

"Er ist lieb und nett - aber nicht immer", berichtete der Nationalspieler über seinen Coach: "Es ist nicht so, dass er sagt, alles locker, alles okay." Sichtbares Zeichen dafür war, dass die Spieler erstmals in Ancelottis Amtszeit die Nacht vor einem Heimspiel im Hotel verbringen sollten. "Es ist hilfreich, die Sinne zu schärfen", sagte Hummels zu der Maßnahme, die der Trainer selbst nicht überbewerten wollte: "Ich habe schon vor der Saison gesagt, dass es vor besonderen Spielen ins Hotel geht. Und am Mittwoch ist ein besonderes Spiel."

Wie gut, dass Hummels zwischen Hotelbett und Anpfiff im Training "ein ganz anderes Feuer" wahrgenommen hatte. Verbrannt hat sich keiner, aber ein wenig Wärme tut in diesen Tagen ja gut. Das neue Engagement stimme ihn zuversichtlich, sagte der Weltmeister: "Ich bin ganz guter Dinge, dass wir gegen Eindhoven das richtige Gesicht an den Tag legen." Dominant, hochmotiviert, gierig nach Treffern und dem 14. Heimsieg nacheinander in der Champions League. Aber ganz so einfach wie sonst ist es eben nicht.

"Wir haben schon eine kleine Drucksituation", räumte Hummels ein, nachdem er das Abschlusstraining hinter sich hatte. Etwas überraschend tauchte dort auch der kürzlich von einer Bänderdehnung (und von unbekömmlichem Grillfleisch) geplagte Arturo Vidal auf, den Ancelotti aber eher nicht in die Anrennerei gegen die Holländer werfen will. Der Chilene könnte ebenso auf der Bank landen wie die zuletzt maladen Javi Martínez, Douglas Costa oder Juan Bernat. Nur Franck Ribéry (Oberschenkel) fällt gegen Eindhoven definitiv aus. Dafür könnte Arjen Robben gegen seinen früheren Klub endlich mal wieder die Champions-League-Hymne auf dem Feld zu hören bekommen.

Und hier noch ein Forschungsergebnis: Als Robben noch in Eindhoven spielte, hatte er noch Haare auf dem Kopf. So lange ist das her.

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