Achtelfinale der Champions League:Mehr zu verlieren als zu gewinnen

Achtelfinale der Champions League: Spielen in den kommenden Achtelfinalpartien um ihre Zukunft: Lucian Favre und Hansi Flick

Spielen in den kommenden Achtelfinalpartien um ihre Zukunft: Lucian Favre und Hansi Flick

(Foto: Imago/Getty)
  • Der Beginn der K.-o.-Runde der Champions League könnte konkret über einige Trainerschicksale entscheiden.
  • Unter Beobachtung stehen Bayerns Hansi Flick, Dortmunds Lucien Favre und PSG-Coach Thomas Tuchel.
  • Hier geht es zu den Achtelfinal-Spielen.

Von Christof Kneer

Manchmal reichen drei Wochen, um aus einem verheißungsvollen Trainer einen Trainer werden zu lassen, der es sowieso nicht mehr lernt. Als Niko Kovac den FC Bayern am 19. Februar 2019 zu einem 0:0 an der gefürchteten Anfield Road coachte, da haben die meisten Kritiker die Null vor dem Doppelpunkt in den Mittelpunkt ihrer Rezensionen gestellt. Respekt, Herr Kovac, das muss man erst mal schaffen: in Liverpool kein Gegentor kassieren! An einem Ort, an dem die Heim-Mannschaft gern mal Drei-Tore-Rückstände aufholt, erst recht unter Aufpeitschung des Trainers Jürgen Klopp, dessen entsetzliche Grimassen allein schon für ein, zwei Gegentore gut sind. Aber Niko Kovac hat sich damals nicht einschüchtern lassen, er hat einfach den alten Martinez vor den alten Hummels und den alten Neuer gestellt, und nach dem Spiel hat Kovac lässig gesagt, er habe diesen Plan schon direkt nach der Auslosung gefasst: "Es war meine Absicht, an der Anfield Road möglichst viel Persönlichkeit auf den Platz zu bringen - Spieler, die schon alles erlebt haben."

Cooler Typ, dieser Trainer, oder? Wieso stand der eigentlich in der Kritik?

Drei Wochen später hat der FC Bayern dann sein Heimspiel gegen Liverpool 1:3 verloren, und dieser Klopp musste dabei nicht mal ein paar gruselige Gesichter machen. Die Bayern haben ... na ja, freiwillig verloren haben sie nicht, aber sie haben es irgendwie passieren lassen. Gegen Ende des Spiels haben sie mehr so aus Pflichtbewusstsein noch mal versucht, nach vorne zu spielen, aber wie? Durch die Mitte, über die Flügel, lange Pässe, kurze Pässe? Sie folgten keinem erkennbaren Plan, und der Mann, der den Plan kraft Amtes vorgeben sollte, stand am Rand und hatte die Hände in den Hosentaschen. Irgendwann kroch Niko Kovac unter das Dach seiner Trainerbank und brachte dort die Zeit rum, bis seine Mannschaft ausgeschieden war.

Taugt das Coaching von Hansi Flick für die ganz große Bühne?

Drei Wochen nach den hymnenhaften Kritiken haben die Bayern dann die Champions League verlassen müssen, im Achtelfinale schon. Unter großen Mannschaften wird das Achtelfinale diskriminiert und abgelehnt, es hat den Ruf einer Vorrunde, nur halt mit Hin- und Rückspiel. Ein Achtelfinal-Aus ist vielleicht was für Donezk oder den FC Porto - aber für den FC Bayern?

Vom Rückspiel gegen Liverpool hat sich der Trainer Kovac nicht mehr erholt. Nach dieser allzu demütig geführten Partie wurde plötzlich auch noch mal das Hinspiel neu belichtet, plötzlich stand die Null nach dem Doppelpunkt im Zentrum der Kritiken. 0:0, gut und schön, aber hätte Kovac nicht mehr riskieren müssen in Liverpool? Darf ein FC Bayern sich bis zum eigenen Strafraum zurückziehen? Kovac, so ging damals extern wie intern die Interpretation, war als Defensivtrainer demaskiert.

Kovac hat dann zwar noch Meisterschaft und DFB-Pokal gewonnen, aber im Sommer haben ihn die Bayern nicht mehr aus voller Überzeugung im Amt gelassen, sondern eher mangels Alternativen. Immerhin kamen sie auf die raffinierte Idee, den renommierten DFB-Mann Hansi Flick als Co-Trainer anzuwerben - der könnte ja (psst! nicht weitersagen) den Job als Chef übernehmen, falls Kovac bald entlassen ...

Ein Jahr ist seit Liverpool vergangen, es ist nun wieder Februar, wieder Achtelfinale, und nun befindet sich Niko Kovac' Nachfolger in einer leicht abgewandelten Niko-Kovac-Situation. Hansi Flick steht nicht in der Kritik, er wird von seinen Spielern nicht nur offiziell, sondern auch inoffiziell gelobt, dennoch gerät auch er jetzt in Kontakt mit dieser gefährlichsten Runde, die die Champions League für Topteams zu bieten hat. Ein Aus in der Runde der letzten Sechzehn ist bei Bayern laut Klubsatzung nicht vorgesehen, und der Satzung ist es auch enorm wurscht, ob der Gegner Liverpool oder - wie aktuell - FC Chelsea heißt.

Das Achtelfinale kann über Trainer-Schicksale entscheiden

Im Achtelfinale der Champions League haben die Trainer der großen Teams deutlich mehr zu verlieren als zu gewinnen, und in dieser Saison könnte das vermeintlich unscheinbare Achtelfinale noch mehr Macht haben als sonst. Die beiden berühmtesten deutschen Vereinsteams, der FC Bayern und Borussia Dortmund, haben ja noch nicht entschieden, welcher Coach in der nächsten Saison ihre teuren Kader unterweisen wird, diese Konstellation gibt es im deutschen Fußball nicht so oft - was dem Achtelfinale erst recht den Charakter einer Trainermacher-Runde verleiht. In München werden die Bosse genau verfolgen, ob das ebenso präzise wie pragmatische Coaching des Trainers Flick auch für die ganz große Bühne taugt oder ob diesem freundlichen Mann in den Nadelöhr-Momenten der zweiten Halbzeit womöglich das aggressive Grimassen-Coaching des role models Klopp abgeht.

Und in Dortmund werden die Verantwortlichen von ihrem zauderbegabten Trainerkauz Lucien Favre jenen Mut sehen wollen, den sie im Winter mit ihrer Personalpolitik vorgelebt haben. Mit den neuen Wuchtbrummen Erling Haaland und Emre Can wird sich der BVB gegen Paris Saint-Germain kaum zum krassen Außenseiter stilisieren können, und so wird Favre mit dem gebotenen Respekt, aber nicht übervorsichtig coachen dürfen.

Nagelsmann hat am wenigsten zu fürchten

Das Spiel in Dortmund illustriert, wie konkret das Achtelfinale diesmal über Trainerschicksale entscheiden dürfte. Auch dem zweifellos hoch versierten Pariser Coach Thomas Tuchel würden seine Bosse ein Scheitern im Achtelfinale schwerlich verzeihen, was womöglich auf Gegenseitigkeit beruhen könnte. Auch bei Tuchel dürfte sich irgendwann die Lust in Grenzen halten, an einem Ort zu coachen, der sich nahezu ausschließlich über den Gewinn der Champions League definiert.

Am wenigsten zukunftsentscheidend dürfte das Achtelfinale für den Trainer Julian Nagelsmann sein, seine Beziehung mit RB Leipzig ist noch zu frisch und vor allem zu erfolgreich, um hinterfragt zu werden - in seinem Fall wird die Branche aber brennend interessieren, ob es dem jungen Mann gelingt, seinen Ehrgeiz und seine tausend Ideen zielgerichtet einzusetzen.

In Kürze dürfte es also erste Hinweise geben, über die Wettbewerbsschärfe von Hansi Flick etwa oder den Mut von Lucien Favre. Und weil in der Branche alles mit allem zusammenhängt, gehört zu den Nachfolgekandidaten, über die in Dortmund geraunt wird, selbstverständlich Niko Kovac.

Zur SZ-Startseite
Bayer Leverkusen - Borussia Dortmund

Lucien Favre
:"Die siebte Ballannahme ist eine catastrophe"

Der Versuch eines Interviews mit Dortmunds Trainer Favre über Mentalitätsprobleme, Zweikampfführung in der Luft und ein Glas Milch vor dem Einschlafen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: