Start der Champions League:Die Liga für Reiche und noch Reichere

Real Madrid jubelt nach dem Champions-League-Finale gegen den FC Liverpool

Real Madrid nach dem Sieg beim Champions-League-Finale 2018 in Kiew.

(Foto: Michael Regan/Getty Images)

Von Martin Schneider

Fußballfans wünschen sich oft, dass Funktionäre ihren geliebten Sport in Ruhe lassen, und für einen Moment könnte man sich ja mal vorstellen, das wäre so: Dann würde heute Abend nicht der FC Liverpool gegen Paris Saint-Germain spielen, nicht Neymar gegen Mo Salah und auch nicht Jürgen Klopp gegen Thomas Tuchel. Denn: Der FC Liverpool ist ja nicht englischer Meister. Der Wettbewerb, der heute beginnt, würde auch nicht Champions League heißen, er hätte immer noch den wunderbar sperrigen Namen "Europapokal der Landesmeister" und da Paris ja ein Landesmeister ist, würde der Klub vielleicht gegen Cork City (irischer Meister), HJK Helsinki (finnischer Meister) oder Rosenborg Trondheim (norwegischer Meister) spielen.

Aber Anfang der Neunziger entschieden Funktionäre, dass Europa einen größeren Wettbewerb braucht und an diesem Dienstag geht die damals erdachte Champions League in ihre 27. Saison. Es wird zum ersten Mal zwei verschiedene Anstoßzeiten geben (18.55 Uhr und 21 Uhr), die Spiele werden zum ersten Mal nicht im frei empfangbaren Fernsehen zu sehen sein (sondern auf Sky und Dazn), in vielen Haushalten sogar nur auf dem Laptop oder einem anderen internetfähigen Gerät.

Und es werden zum ersten Mal garantiert 16 Mannschaften aus den vier großen Ligen Spanien, England, Deutschland und Italien dabei sein. Das sind kleinere Schritte, aber entscheidend ist die große Entwicklung.

Der FC Bayern ist eine Yacht, Mainz ein Paddelboot

Denn die Champions League ist schon lange das geworden, wovor Skeptiker bei ihrer Einführung warnten: eine europäische Super-Liga für die Reichen und noch Reicheren. Sie ist der wichtigste Fußball-Vereinswettbewerb der Welt und rückt jedes Jahr ein bisschen weiter von der ursprünglich erdachten Idee - ein Wettbewerb, in dem sich die Landesmeister messen - weg. Die Champions League hat Megaklubs geschaffen, die nur noch in Spielen gegen andere Megaklubs eine echte Herausforderung finden. Der FC Bayern definiert seine Saison unausgesprochen fast nur noch über das Abschneiden in der Champions League - ob man in der Bundesliga nun mit zehn oder 21 Punkten Vorsprung Meister wird, wird jedes Jahr ein bisschen egaler. Echtes Prestige gibt es nur noch für Siege gegen Real Madrid und Manchester City. Wer eine Yacht besitzt, muss eben andere Yachten schlagen und nicht die Paddelboote aus Mainz oder Augsburg.

Die Champions League hat es geschafft, die nationalen Ligen zu entwerten, indem sie einzelne Klubs zu groß gemacht hat. In Deutschland ist Bayern München sechs Mal in Serie Meister geworden, in Italien Juventus Turin sieben Mal, in Frankreich Paris sechs Mal in sieben Jahren und in Spanien wurden in den vergangenen 14 Jahren 13 Mal Barcelona oder Real Madrid Meister. Nur in England sorgt eine seltsame Kombination aus Turbokapitalismus, unkontrollierten Investoren und überladenem Spielplan für ein bisschen Abwechslung.

Der Grund dafür ist natürlich das Geld. Wer in der Champions League in der Gruppenphase antritt, bekommt garantiert 15,25 Millionen Euro. Zum Vergleich: Um in der Europa League auf das gleiche Preisgeld zu kommen, muss man den Wettbewerb schon gewinnen. Die Startprämien machen aber nur 25 Prozent des riesigen Geldtopfes aus. Weitere 30 Prozent der ausgeschütteten Einnahmen werden "auf der Basis der leistungsabhängigen Koeffizientenrangliste aus den vergangenen zehn Jahren verteilt". Was im Prinzip Behördensprech ist für: Wer in der Vergangenheit gut war, kriegt auch in der Gegenwart mehr. Also immer die gleichen Klubs.

Weitere 15 Prozent orientieren sich weitestgehend am Wert der nationalen Fernsehmärkte - also Deutschland, England, Spanien, Frankreich und Italien. Und die letzten 30 Prozent des Geldes werden leistungsabhängig ausgeschüttet - was sich noch am fairsten anhört, aber faktisch auch den immer gleichen Klubs nützt.

Die Leistungsunterschiede sind einfach zu groß

Wer hat, dem wird gegeben - und das wird so langsam auch für die Champions League zum Problem. Denn auch die kämpft mit Monotonie. Die Gruppenphase, die am Abend startet, kann man im Prinzip vorspulen und überspringen. Es wird nahezu keine Überraschungen geben, in den vergangenen fünf Jahren gab es sie auch nicht. Schaut man sich an, welche Mannschaften zuletzt "überraschend" in den Achtelfinalspielen auftauchten, dann muss man schon sehr großzügig mit dem Wort "Überraschung" umgehen. Man stößt dann vielleicht auf Galatasaray Istanbul, die 2014 statt Juventus Turin weiterkamen, 2015 war es der FC Basel statt des FC Liverpool, 2016 schafften es der VfL Wolfsburg und der KAA Gent ins Achtelfinale. 2017 gab es keine wirkliche Überraschung und im vergangenen Jahr war das Aus von Atlético Madrid in der Gruppenphase bemerkenswert (allerdings auch gegen die Schwergewichte Rom und Chelsea). Macht bei 16 Achtelfinalteilnehmern in fünf Jahren fünf Überraschungen bei 80 Möglichkeiten.

Im Viertelfinale schaut es ähnlich aus. Von 40 Teilnehmern kamen 15 aus Spanien, acht aus Deutschland, sechs aus England, fünf aus Frankreich, vier aus Italien und zwei aus Portugal. Sonst schaffte es niemand. Die Leistungsunterschiede sind schon innerhalb der Champions League zu groß - Mannschaften wie Dinamo Zagreb beendeten die Gruppenphase mit einem Torverhältnis von 0:15, selbst im Achtelfinale schlägt der FC Bayern Gegner wie Donezk oder Porto mit 7:0 oder 5:0.

Es ist daher ein Versuch, dass die Uefa England, Spanien, Deutschland und Italien mit vier festen Startplätzen exklusiveren Zugang zum Wettbewerb gewährt - auf Kosten der kleineren Ligen. Die Meister aus Griechenland, der Schweiz oder den Niederlanden hatten in diesem Jahr keinen Platz mehr sicher. Das ist für diese Ligen einerseits bedauerlich, auf der anderen Seite führte das Geld aus der Champions League auch dort zu Liga-Einöde - mit Dauermeistern wie dem FC Basel oder Olympiakos Piräus, die mit der Champions-League-Startprämie die eigene Liga leerkaufen konnten. Das versucht der europäische Fußballverband wiederum mit der Einführung eines ominösen dritten Europapokal-Wettbewerbs zu kompensieren, der unterhalb der Europa League angesiedelt ist.

Als die Champions League 1992 zum ersten Mal ausgetragen wurde, sagte Klaus Fuchs, damals Geschäftsführer beim 1. FC Kaiserslautern, der Wettbewerb sei "ein künstliches Gebilde der Uefa, mit dem die Europa-Liga durch die Hintertür eingeführt werden soll". 27 Jahre später ist das europäische Ligasystem theoretisch noch keine Realität. Faktisch aber hatte Fuchs recht.

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