Süddeutsche Zeitung

Challenge Roth:Doppelter Debütsieg

Patrick Lange und Anne Haug gewinnen bei ihren ersten Starts den Triathlon-Klassiker in Roth. Der Veranstalter ist begeistert - und beweist, was trotz Pandemie möglich ist.

Von Frederik Kastberg

Nach sechs Kilometern auf der Laufstrecke war es soweit. Mit großen, schnellen Schritten konnte sich Patrick Lange immer weiter an Ruben Zepuntke heransaugen und schließlich leichtfüßig vorbeilaufen. Beim Überholen gab es noch ein kurzes, anerkennendes Abklatschen mit der Faust, dann war Lange auf und davon und drehte auf den noch verbleibenden 37 Kilometern einsam seine Runden. Der ehemalige Radrennfahrer Zepuntke brach bei seinem ersten Langdistanz-Triathlon ein und kam am Ende als 27. ins Ziel. Lange hingegen sicherte sich bei seinem Debüt in Roth nach 7:19:19 Stunden den ersehnten Sieg.

"Roth lebt einfach den Triathlon", sagte der hessische Triathlet im BR, nachdem die ersten Tränen getrocknet waren. "Ich hatte heute mehr als ein Mal den Gedanken, das Fahrrad in die Ecke zu schmeißen und nach Hause zu gehen, aber das ist normal." Als Zweiter mit elf Minuten Rückstand kam Nils Frommhold ins Ziel, überraschender Dritter wurde der ehemalige Hindernisläufer Felix Hentschel.

Trotz der wenigen Zuschauer sei "die Hölle" losgewesen, findet Lange

Im Vorfeld des Rennens hatte Lange die Bedeutung des Standortes Roth für den Sport noch einmal hervorgehoben. "Die Triathlon-Kultur in Deutschland ist hier gestartet", sagte er. "Und nichts als ein Weltklassefeld hat dieses legendäre Rennen verdient." Dass neben ihm auch noch Sebastian Kienle und die spätere Siegerin Anne Haug als Top-Athleten an den Start gingen, hatten die Veranstalter der kurzfristigen Absage des Ironman auf Hawaii zu verdanken, die Lange angesichts der fehlenden Alternativen scharf kritisiert hatte.

Umso mehr habe er sich gefreut, nun zum ersten Mal in Roth starten zu können, berichtete der 35-Jährige. Trotz der inständigen Bitte der Veranstalter, das Rennen von der Couch aus zu verfolgen, sei in Roth und Umgebung - verglichen mit seinem vorherigen Rennen im US-amerikanischen Tulsa - die Hölle los gewesen. "Jetzt muss ich das nur noch mal mit 100-prozentiger Stimmung erleben", meinte er.

Dann könnte Lange auch in den Genuss von rund 250 000 Zuschauern und Stimmungszellen wie dem Solarer Berg kommen, der in diesem Jahr der wegen Baustellen veränderten Radstrecke zum Opfer fiel. Immerhin mussten die Athleten dadurch zehn Kilometer weniger in die Pedale treten. Dort, wo der Radlertross in diesem Jahr zum ersten Mal vorbeikam, und auch an anderen Orten entlang der Strecke, feuerten ein paar wenige Zuschauer und Bewohner die Athleten mit Plakaten und Musik an, die sich vereinzelt mit einem hochgestreckten Daumen bedankten.

Sebastian Kienle, der als einer der Herausforderer von Lange ins Rennen gegangen war und sich zuletzt vier Wochen im Höhentrainingslager intensiv vorbereitet hatte, musste derweil schon nach gut dreieinhalb Stunden und 97 gefahrenen Kilometern vom Rad steigen. Probleme mit der Achillessehne zwangen ihn zur Aufgabe, schon nach dem Schwimmen war er weit entfernt von der Spitzengruppe und nicht einmal unter den besten Zehn. Als er dann am Ende der ersten Rad-Runde gehört habe, dass er schon zehn Minuten im Rückstand sei, "habe ich mir schon meine Gedanken gemacht", sagte er später. "Ich musste das Risiko abwägen: Wenn ich noch einmal in dem Sport eine große Rolle spielen will, muss die Sehne noch etwas halten."

Wie Lange stellt auch Haug einen neuen Streckenrekord auf - der aber wegen der verkürzten Strecke nur inoffiziell gültig ist

Die Lokalmatadorin Anne Haug, die ebenfalls zum ersten Mal in ihrer Heimat an den Start gegangen war, hatte bei ihrem Rennen weitaus weniger Probleme und fuhr der Konkurrenz schon auf der Radstrecke davon. Aus den zwölf Minuten Vorsprung, die sie vor dem abschließenden Marathon hatte, wurde im Ziel mehr als eine halbe Stunde. Wie Lange stellte auch Haug mit einer Zeit von 7:53:48 Stunden einen neuen Streckenrekord auf, der aber wegen der verkürzten Strecke nur inoffiziell gültig ist. "Von so etwas träumt man und motiviert sich täglich im Training", sagte die amtierende Ironman-Weltmeisterin im Ziel. "Wenn das dann wirklich Realität wird, ist das natürlich fantastisch."

Hochzufrieden war auch Renndirektor Felix Walchshöfer, der mit der Durchführung des Rennens auch beweisen wollte, dass Bayerns größte Outdoor-Sportveranstaltung unter Pandemiebedingungen erfolgreich stattfinden könne. "Wir haben gezeigt, dass es funktioniert", sagte er und klang dabei ziemlich erleichtert. "Es ist alles perfekt zusammengekommen: das hervorragende Wetter, zwei absolut würdige Sieger und keine schweren Verletzungen auf der Strecke." Auch vom Landratsamt und der Polizei, die aus der Luft nach größeren Menschenansammlungen Ausschau gehalten hatte, habe es keinerlei Beschwerden gegeben. "Es war nicht so bombastisch, wofür Roth eigentlich sonst bekannt ist, dafür aber sehr herzlich und ehrlich", war sein Fazit am Tag nach dem Rennen. "Uns hat es selber sehr gut gefallen, auch wenn es anders war." Die nächsten vier Wochen sind er und das Team noch mit Abbau, Aufräumen und Einlagerung des Rennens beschäftigt. Im Oktober gibt es dann zwei Wochen Betriebsurlaub für alle, "weil wir auch einfach ziemlich durch sind".

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