Cedrik-Marcel Stebe:"Ich bin froh, wenn ich die Matches überlebe"

Tennis

„Viele wären ausgestiegen“: Cedrik-Marcel Stebe hofft aufs Comeback 2019.

(Foto: Schreyer/Imago)

Vor vier Jahren rettet Cedrik-Marcel Stebe das deutsche Daviscup-Team vor dem Abstieg - dann stoppt ihn eine beispiellose Verletzungsgeschichte.

Von Matthias Schmid

Das Stirnband, das sich Cedrik-Marcel Stebe vor jedem Match um den Kopf bindet, ist noch immer weiß. Wie im September 2012, als er dem deutschen Davis-Cup-Team am Hamburger Rothenbaum in der fünften und letzten Partie den entscheidenden dritten Punkt zum Klassenverbleib gegen Australien bescherte - mit einem Sieg gegen den früheren Weltranglistenersten Lleyton Hewitt. Das Stirnband ist das letzte Überbleibsel aus seiner erfolgreichsten Zeit als professioneller Tennisspieler. Stebe war damals mit 21 Jahren so etwas wie der Hoffnungsträger im deutschen Tennis, Nummer 71 der Welt, ein Spieler mit flotten Schlägen und riesigem Potenzial. Eingehüllt in die Deutschlandfahne feierte Stebe nach dem verwandelten Matchball mit den euphorisierten Zuschauern ein weiteres Jahr in der Weltgruppe der besten 16 Nationen.

Wenn Stebe, 26, heute antritt, schauen mehr Spieler und Trainer zu als Besucher. In der vergangenen Woche schlug er beim Future-Turnier in Oberhaching auf - er ist zurück auf der untersten Turnierebene im Welttennis, nachdem ihn nicht enden wollende Verletzungsprobleme von der großen Bühne geworfen haben. Zweieinhalb Jahre spielte der gebürtige Schwabe, der inzwischen in Vaterstetten lebt, überhaupt nicht mehr, bis er im Mai dieses Jahres wieder an seinem ersten Turnier teilnahm.

Seine Krankenakte wächst auf die Dicke der Bibel an

Nach seinem Zweitrundensieg in Oberhaching gegen den Schweizer Raphael Baltensperger sitzt Stebe im Kraftraum und lockert seine Muskulatur. "Ich muss meinen Körper wieder an die Belastungen gewöhnen", erzählt er und fügt nach einer Kunstpause hinzu: "Ich bin einfach nur froh, dass ich wieder spielen kann. Und die Matches überlebe."

Stebe ist ein gutes Beispiel dafür, dass eine hoffnungsvolle Karriere schnell in der Sackgasse enden kann, wenn der Körper nicht mitspielt. Nach der ersten Operation wegen eines sogenannten Hüftimpingements, einer Gelenkblockade, im September 2013 folgte ein beispiellose Verletzungsgeschichte. Seine Krankenakte wuchs in dieser Zeit auf die Dicke der Bibel an. Nach der Genesung kam der nächste Rückschlag. Rückenbeschwerden, Schambeinentzündung links, Lendenwirbelprobleme, eine weiche Leiste links, eine weiche Leiste rechts, die operiert werden musste, und zu schlechter Letzt wieder eine Schambeinentzündung, rechts.

"Ich habe an mir und den Ärzten gezweifelt"

"Ich haben schon an mir und den Ärzten gezweifelt", gibt Stebe zu, der ständig zwischen Platz und Praxis hin und her pendelte. Dass Stebe angesichts seiner Leidenszeit nicht alles hingeschmissen und die Profitour verlassen hat, liegt an seiner Herangehensweise an die Situation. Er ertrug sie nur, indem er sich immer weiter von seinem Beruf entfernte.

Er unterließ es auch, Jubelbilder von seinem Davis-Cup-Sieg anzuschauen, er verfolgte die Szene überhaupt nicht mehr. Stattdessen reiste Stebe, besuchte Freunde in Italien oder auf anderen schönen Flecken der Erde. "Ich konnte nicht mitansehen, wie meine früheren Konkurrenten immer weiter spielten und in der Rangliste nach oben kamen", bekennt Stebe. Er habe den Abstand gebraucht, "damit ich weiter an mich glauben konnte".

Er hat aufgehört, in langen Zeiträumen zu planen und zu denken

Ganz schmerzfrei ist er bis heute nicht. "Ich habe noch kleinere und größere Wehwehchen, aber insgesamt geht es mir gut", sagt Stebe. Er will nichts mehr überstürzen und hat aufgehört, in großen Zeiträumen zu denken und zu planen. "Ich gehe auf Nummer sicher und bereite mich so gut es eben geht auf jedes Match vor." Am Freitag im Viertelfinale verliert er gegen den an Nummer zwei gesetzten Mats Moraing, Nummer 366 der Welt aus Mülheim an der Ruhr, in 54 Minuten 3:6 und 1:6.

Um sich und seinen Körper zu schonen, verzichtet er im Moment noch darauf, Turniere in Nordamerika oder Asien zu spielen. Er tritt hauptsächlich in Europa an, damit er den Reisestress minimieren kann. Dass sich die behutsame Annäherung an die Tour bezahlt macht, kann er an seinen Ergebnissen ablesen. Er hat sich trotz weniger Turniere schon wieder unter die besten 500 Spieler der Welt vorgearbeitet. "Ich möchte wieder unter die Top 100 kommen", sagt Stebe selbstbewusst.

Mithilfe eines "protected ranking" tritt er bei den Australian Open an

An seinem Spiel lässt sich erkennen, dass das kein utopisches Ziel ist. Er hat schnelle Beine, wuchtige Grundschläge und viel Ballgefühl. Als Linkshänder hat er zudem das besondere Gespür für die richtige Platzaufteilung und einen gemeinen Aufschlag. "Mein Spiel ist schon wieder ganz gut", sagt er, doch die Schwankungen nach der langen Pause hat er natürlich noch nicht ausbalancieren können.

"Ich muss noch alles irgendwie verbessern." Neben dem Training am Leistungszentrum in Oberhaching mit dem ehemaligen Coach von Philipp Kohlschreiber, Markus Wislsperger, hilft ihm dabei sein Protected Ranking: Profis mit langen Verletzungspausen hilft die Spielerorganisation ATP, indem sie deren Ranglistenposition vor der Pause einfriert. Bei Stebe ist das Rang 167. Bei acht Turnieren kann er sie noch in Anspruch nehmen. Im Januar 2017 wird er so beispielsweise bei den Australian Open in der Qualifikation mitspielen dürfen. Die lange Reise nach Down Under soll der Beginn der zweiten Karriere von Cedrik-Marcel Stebe werden. Ohne Verletzungen, aber vielleicht wieder mit Davis-Cup-Einsätzen für Deutschland.

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