1. FC Nürnberg:Wachstumsfaktor beim DIN-A4-Club

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Im Pokal hat es schon mal geklappt: Caspar Jander (li.) bejubelt mit Torschütze Michal Sevcik Nürnbergs Erfolg in der ersten Runde in Saarbrücken. (Foto: Steven Mohr/Jan Huebner/Imago)

Mittelfeldspieler Caspar Jander verkörpert den runderneuerten Fußball-Zweitligisten wie kaum ein anderer. Aber noch sind die Nürnberger nicht die Klose-Mannschaft, die sie gerne wären.

Von Sebastian Leisgang

Früher fieberte er zwar mit Borussia Dortmund und stand mit seinem Vater und seinen beiden Brüdern auf der Südtribüne, aber er war nicht Amoroso, Tomas Rosicky oder Jan Koller. Er war auch nicht Mario Götze, Marco Reus oder Robert Lewandowski – er war Lionel Messi. Zumindest im Garten, im Kopf, dort also, wo es jeder sein kann, auch der, der später nicht wie Messi wird, sondern Kreisligafußballer und Mechaniker.

Ein Nachmittag in dieser Woche, Caspar Jander trägt Mittelscheitel und einen gestreiften Pullover. Seit dieser Saison spielt er für den großen 1. FC Nürnberg, den fünf Jahre in der zweiten Bundesliga auf ein Durchschnittsformat gestutzt haben. Der Club ist Mittelmaß, eine Standardgröße, DIN A4, wenn man so will. Aber das soll sich wieder ändern. Deshalb ist auch er da: Jander, 21.

Er, der sich als Kind dem BVB verschrieben und Lionel Messi nachgeeifert hat, verkörpert jetzt den neuen FCN, den jungen und unverbrauchten, den dynamischen, der aufregenden Fußball spielen will – in den ersten Saisonwochen aber eher so Fußball gespielt hat, dass sich seine Anhängerschaft aufregt. „An der Art und Weise hakt es noch“, sagt Jander und spricht dann über all das, was den Club unter Trainer Miroslav Klose ausmachen soll: Ballbesitz, Dominanz, Intensität, eine gewisse Rastlosigkeit im Spiel.

Wenn man dieser Tage über den 1. FC Nürnberg nachdenkt, landet man schnell bei Jander, dem Mittelfeldmann mit dem Mittelscheitel, der mit seinem Spielstil wie kaum ein anderer für das steht, was sich der Club auf seine Fahne geschrieben hat. Jander zeichnet sich durch sein Passspiel aus, durch seine Laufstärke, seine Unermüdlichkeit. All das hat er schon gezeigt, seine ersten Nürnberg-Wochen können sich sehen lassen. Wenn man aber den Blick aufs große Ganze richtet, auf den neuen FCN, dann passt das, wenn man es zuspitzt, alles in etwa so gut zusammen wie Borussia Dortmund und Lionel Messi. Die Mannschaft hat zwar schon angedeutet, was sich Klose und die Verantwortlichen von ihr versprechen, etwa beim 3:1 gegen Schalke – aber noch ist Nürnberg nicht das Klose-Nürnberg, das es gerne wäre. 

15 neue Spieler, ein neuer Trainer, ein neuer Spielstil: Noch hat sich der Club nicht gefunden

Das Team müsse sich erst finden, sagt Jander, das sei allerdings „ganz normal“ nach dem großen Umbruch. Denn der FCN ist generalüberholt, Jander ist einer von 15 Neuen, Rückkehrer Tim Handwerker und Nachwuchsspieler Dustin Forkel nicht einmal eingerechnet. Die Zusammenstellung des Kaders war also ein Großprojekt, und nun, da die Saison läuft, ist Jander Teil einer Mannschaft, die zu den jüngsten gehört.

Er habe großen Respekt vor dem Schritt nach Nürnberg gehabt, berichtet Jander an diesem Nachmittag. Er, der behütet aufgewachsen ist, geboren in Münster, groß geworden in einem Reihenhaus am Stadtrand, Doppelhaushälfte, Hund, kleiner Garten, ist jetzt 500 Kilometer von Münster entfernt bei einem Verein, in dem es schon mal hoch hergeht, wenn der Erfolg ausbleibt. In dieser Hinsicht hat er aber schon eine Feuertaufe hinter sich.

Im Januar 2022 spielte Jander zum ersten Mal für den MSV Duisburg in der dritten Liga und erlebte bei seinem Einstand turbulente 90 Minuten, die in gewisser Weise die Richtung für die nächsten Jahre vorgeben sollten. Es ging drunter und drüber in diesem Spiel, der MSV verlor 3:4 gegen Saarbrücken und versank später immer tiefer in der Krise. Einmal, erinnert sich Jander, sei eine ganze Ultra-Gruppe zum Trainingsplatz gekommen und habe der Mannschaft „Ansagen gemacht“. Jetzt spielt er für den FCN, einen noch größeren Verein, der noch mehr Menschen etwas bedeutet. Einen solchen Klub zu vertreten, ist Auftrag und Privileg zugleich. Jander weiß das und gibt bislang eine gute Figur ab. Eine Leistung, die viel über den Weg aussagt, den er hinter sich hat.

„Als Kind“, sagt Jander, „war ich sehr schüchtern. Deswegen habe ich erst mit acht oder neun mit dem Fußball angefangen.“ Sein erster Verein war Germania Mauritz, dann wechselte er zu Preußen Münster und schließlich zu Borussia Dortmund. Beim BVB war er Balljunge bei Champions-League-Spielen und sah die große Fußballwelt. Später kam er über den Nachwuchs des FC Schalke 04 zu Duisburg und in diesem Sommer nach Nürnberg. Ein Weg, auf dem er gereift ist.

Jander ist zwar immer noch der Typ netter Schwiegersohn, aber er hat sich in Duisburg durchgesetzt und Verantwortung übernommen, als es um die Zukunft des Vereins ging. Das hat ihn weitergebracht. Heute sagt er: „Im Leben ist es wichtig zu träumen, Ziele zu haben und sie auch zu verfolgen. Jeder Fußballer hat vermutlich den Wunsch, irgendwann mal Champions League zu spielen. Das ist aber aktuell ganz weit weg. Jetzt gerade fühle ich mich beim Club extrem wohl.“

Die Königsklasse ist also seine Vision, seine Vorstellung von der Zukunft. Er will dorthin, wo Dortmund früher mit Götze, Reus und Lewandowski gespielt hat. Dort, wo Messi zum vielleicht Besten der Geschichte aufgestiegen ist. In der Gegenwart geht es aber erst einmal darum, in Nürnberg Stollenabdrücke zu hinterlassen. An diesem Samstag kommt Hertha BSC ins Max-Morlock-Stadion. Der Elfte gegen den Neunten, Mittelmaß. Doch das soll sich wieder ändern. Deshalb ist Caspar Jander in Nürnberg.

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