Basketballer Edwards bei den Bayern:Plötzlich Europas bester Scorer

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Wenn Carsen Edwards unter den Körben auftaucht, herrscht Gefahr für den Gegner, wie hier  gegen Walter Tavares von Real Madrid. (Foto: Philippe Ruiz/Imago)

Nur 1,80 Meter groß, aber rasend schnell und treffsicher: Carsen Edwards hat sich bei den Münchner Basketballern zum Anführer und Punktekönig der Euroleague entwickelt - auch dank Anpassungen in seinem Spiel haben die Bayern Erstaunliches geschafft.

Von Ralf Tögel

Natürlich war es Carsen Edwards, der voranging: 0:5 lagen die Basketballer des FC Bayern hinten, da schnappte sich der Guard den Ball, dribbelte über das gesamte Spielfeld, nahm Maß und erzielte die ersten drei Punkte für sein Team in der Braunschweiger Volkswagen Halle. Der Münchner Profi eilt zurzeit von Bestmarke zu Bestmarke, im Bundesligaduell bei den Niedersachsen war er mit 20 Punkten Topscorer und verhalf den Münchnern beim 90:72 zum wettbewerbsübergreifend fünften Sieg in Serie. In der Basketball Bundesliga (BBL) bleiben die Bayern mit dem fünften Sieg bei zwei Niederlagen Tabellenzweiter und erster Verfolger von Primus Ulm (5:1 Siege).

Als sich Edwards vor einem Jahr für die Bayern entschieden hatte, wurde er von Trainer Pablo Laso als scoring machine angekündigt, als ein Spieler also, der mit maschineller Verlässlichkeit punktet. Und dem kam der 26-Jährige sofort nach, Edwards war in seiner Debütsaison nach Serge Ibaka bester Schütze. Allerdings unterliefen ihm damals allzu oft Fehler, er nahm schlechte Würfe oder verlor den Ball, wenn er die Entscheidung im Alleingang suchte. Im Basketball sprechen Trainer dann von falschen Entscheidungen, die Punkte und sogar Spiele kosten können. Edwards wurde seinem Ruf als Körbemaschine zwar gerecht, seine Brechstangenaktionen allerdings waren nicht selten kontraproduktiv. Der FC Bayern wurde Fünfzehnter in der Euroleague, die anvisierten Playoffs waren nur mit dem Fernglas zu erblicken. Aber Edwards kam immer besser in Fahrt und führte die Münchner als bester Spieler der Playoffs zum deutschen Titel.

Ibaka und Laso sind längst weg, Carsen Edwards ist noch da. Der US-Amerikaner hat sich Zeit gelassen mit seiner neuerlichen Unterschrift, einen Schützen seiner Qualität haben viele Teams gern in ihren Reihen. Er hat sich für die Rückkehr entschieden, zu „einem großartigen Klub“, wie er sagt. Offenbar hat er noch etwas zu vollenden, aktuell führt er sogar die Euroleague-Statistik an, der Texaner punktet im Schnitt 19,6 Mal pro Partie. Und so dribbelt sich der 1,80 Meter große, pfeilschnelle Guard auch in dieser Saison durch die gegnerischen Reihen, aber er findet auffallend oft den besser postierten Mitspieler. Und verschafft diesem durch seine spektakulären Aktionen Raum für einen freien Abschluss – ein Zugewinn fürs Team.

Der FC Bayern ist Fünfter, vor den ehemaligen Champions Real Madrid, Olympiakos Piräus und Efes Istanbul

Und das zahlt sich aus, in der Münchner Euroleague-Heimstatt SAP Garden, zu der Edwards nach eigener Aussage wegen der besonderen Atmosphäre vor 11 500 Zuschauern eine innige Beziehung pflegt, sind die Bayern ungeschlagen. Und nun beginnen sie auch auswärts Siege zu sammeln: Dem 87:84-Erfolg am Dienstag in Bologna, den die Münchner nervenstark ins Ziel brachten, folgte am Freitagabend ein souveräner 84:71-Triumph bei Asvel Villeurbanne, die Münchner stehen derzeit mit 5:2-Siegen als Fünfter vor ehemaligen Champions wie Real Madrid, Piräus oder Efes Istanbul.

Großen Anteil an diesem Aufschwung muss man dem neuen Trainer Gordon Herbert zuschreiben, unter dem Edwards geradezu aufblüht. Der wortkarge Kanadier gilt als großer Spielerversteher und legt besonderen Wert auf ein funktionierendes Kollektiv, die Chemie in der Gruppe sei entscheidend: „Ein einzelner Spieler kann dir keine Spiele gewinnen, aber einer kann dir Spiele verlieren.“ Bekanntermaßen war es auch die außergewöhnliche Einheit, die Herbert im Nationalteam geformt hatte, die dem deutschen Basketball mit EM-Bronze, WM-Gold und auch Olympiaplatz vier die bisher beste Zeit beschert hat.

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Der FC Bayern startet mit neuem Personal und einiger Ambition in die neue Saison. Helfen sollen auf dem Weg in die europäische Spitze der brandneue SAP Garden, der Weltmeistertrainer, ein interessanter Kader – und eine Weinprobe.

Von Ralf Tögel

Herbert sagt, dass sich seine neue Gruppe „noch in einem Prozess“ befinde, der von Woche zu Woche voranschreite. Auch von seinem besten Punktesammler ist der 65-Jährige angetan: Edwards sei „sehr fleißig und will lernen“, erklärte Herbert nach dem fabulösen Erfolg gegen Paris, in dem Edwards mit 32 Punkten persönliche Bestleistung erzielte. Die Arbeit mit seinem Guard bereite ihm Freude: „Er ist sehr gut zu coachen.“ Und der Texaner zeigt sich als gelehriger Schüler: „Wir arbeiten weiter, ich arbeite weiter, an der Defensive, woran auch immer ich arbeiten muss, das werde ich tun.“

Zudem hat Edwards in Zugang Shabazz Napier einen kongenialen Partner, der augenscheinlich ebenfalls vom Trainer und der guten Chemie im Team profitiert. Der 33-Jährige kam vom Euroleague-Konkurrenten Mailand, wo er unter Trainer Ettore Messina nie glücklich wurde. Nun zeigt der ehemalige NBA-Spieler, der sich den Münchnern erst kurz vor Saisonstart anschloss, zusehends seine großen Fähigkeiten, Napier versenkte etwa den entscheidenden Dreier zum Sieg in Bologna.

Und was er vom Kollegen Edwards hält, klingt ebenfalls nach großer Harmonie: „Er ist absolut unser bester Spieler, er kann punkten und sich zum Korb durchschlagen. Und wenn er seine schweren Würfe trifft, reißt er uns alle mit“, sagt Napier. „Dazu strengt er sich extrem an in der Verteidigung – und wenn dein bester Spieler so hart arbeitet, machst du das auch.“

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